Camps in New York und Zürich geräumt "Occupy" kündigt Großdemo an
15.11.2011, 18:27 Uhr
Mit der Macht der englischen Sprache: ASAP steht für "As Soon As Possible" - so bald wie möglich.
(Foto: Reuters)
Nach der Räumung des New Yorker Zeltlagers der "Occupy"-Bewegung haben die Aktivisten bereits ein neues Motto: "Erobert die Wall Street zurück". Am Donnerstag wollen sie das weltweite Finanzzentrum lahm legen. Auch in Zürich wird das Protestcamp geräumt. In Deutschland soll es Solidaritätskundgebungen geben.
In den USA gehen die Behörden gegen die Wall-Street-Protestler vor. In der Nacht rückten Polizisten in Kampfmontur an und umstellten den New Yorker Zuccotti Park, in dem seit fast zwei Monaten die Menschen in Zelten ausharren und ihre Aktionen gegen die Macht der Banken und soziale Ungerechtigkeiten organisieren. Der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg bezeichnete die Zustände auf dem Gelände als "nicht zu tolerieren".
Die Protestler wurden mit Handzetteln und Megafonen aufgefordert, das Gelände zu verlassen. Diejenigen, die blieben, führten die Polizisten in Handschellen ab. Bis zum Morgen war der Park geräumt, und Putzkolonnen rückten an. Auch in Zürich wurde nach einmonatiger Duldung ein Zeltlager geräumt.
"Wessen Park? Unser Park!" skandierten in New York die geschätzt 200 Menschen auf dem Gelände im Finanzbezirk, als die Polizeiaktion gegen 1 Uhr nachts begann. Viele Protestler verließen den Park unter dem Eindruck der Polizeimacht. Einige Dutzend harrten weiter aus, ketteten sich teilweise an, um die Räumung zu verhindern. Manche trugen Atemschutzmasken, weil sie den Einsatz von Tränengas fürchteten. Was später genau passierte, ist unklar. Die Fernsehteams, die mit ihren Übertragungswagen seit Wochen am Park stehen, wurden von der Polizei abgedrängt.
"Wir haben ihnen viel Zeit gegeben"
"Ich habe gesehen, wie die Polizei Leute geschlagen hat", sagte ein Mann in die Fernsehkameras. Bürgermeister Bloomberg erklärte auf einer Pressekonferenz: "Es gibt keine ernsthaften Verletzungen, von denen wir wüssten." Die Polizei sei professionell vorgegangen. Nach Bloombergs Worten gab es annähernd 200 Festnahmen im Park und den umliegenden Straßen, in die Protestler geflüchtet waren. "Wir haben ihnen viel Zeit gegeben, ihre Habseligkeiten zusammen zu räumen."
New Yorks Polizeichef Raymond Kelly persönlich überwachte die Räumung. "Es waren mehrere hundert Polizisten im Einsatz", sagte er. Bloomberg begründete die Räumung mit Sicherheitsbedenken sowie Beschwerden über Lärm und Schmutz: "Meine Sorgen haben zugenommen - wie die des Parkbesitzers Brookfield Properties -, dass die Besetzung eine Gesundheits- und Feuergefahr für die Protestler selbst und für die umliegende Nachbarschaft darstellt." Schon einmal hatte Bloomberg einen Polizeieinsatz angeordnet, aber im letzten Moment einen Rückzieher gemacht.
"Den Platz mit ihren Argumenten besetzen"
Über soziale Netzwerke wie Facebook begannen die Demonstranten gleich wieder, sich zu organisieren. Am Morgen zogen sie in großen Gruppen durch Downtown Manhattan. Ihr Motto nun: "Erobert die Wall Street zurück." "Jeder Vertriebene wird fünf Freunde mitbringen und jeder, der davon gehört hat, kommen und seine Bekannten mitbringen", sagte der 25-jährige Justin Wedes. Eine 38-jährige Mitstreiterin ergänzte, das Vorgehen der Polizei sei eine Chance, Gehör zu finden. Für Donnerstag haben die Demonstranten einen Straßenkarneval direkt an der Finanzmeile angekündigt. Bereits jetzt war es für viele Beschäftigte mühsam, an ihren Arbeitsplatz zu gelangen.
Der Zuccotti Park liegt nur wenige Blocks von der Wall Street entfernt. Zunächst gehörte der Park den Putzkolonnen. Müllwagen standen bereit, um abgebrochene Zelte und andere Habseligkeiten der Protestler wegzufahren. Die Menschen hatten in den vergangenen Wochen eine regelrechte Mini-Stadt errichtet mit Küche, Versammlungsort und sogar Bibliothek.
Bürgermeister Bloomberg erklärte, dass die Protestler nach der Reinigung zurückkehren dürften - allerdings ohne Schlafsäcke und Zelte. "Der erste Zusatzartikel der US-Verfassung gibt jedem New Yorker das Recht, frei zu sprechen, aber nicht im Park zu schlafen", sagte er. "Sie müssen nun den Platz mit ihren Argumenten besetzen." Ein Gericht befasst sich nun mit der Frage, ob die Protestler ihre Zelte und andere Habseligkeiten mitbringen dürfen oder nicht.
Räumung auch in Zürich
Auch in Zürich rückte die Polizei im Morgengrauen an und brach Zelte der Besetzer ab. 30 der rund 50 Demonstranten wurden abgeführt. Die Besetzer warfen den Beamten vor, zu heftig vorgegangen und Tränengas sowie Pfefferspray versprüht zu haben. Die Besetzer wurden mit einem 24-stündigen Aufenthaltsverbot für die Innenstadt von Zürich belegt. Demonstranten kündigten im Fernsehen an, zum Bankenviertel ziehen zu wollen. Der Protest richtet sich nach eigenen Angaben in erster Linie gegen das Finanzsystem und "die Gier der Investmentbanker".
Im kalifornischen Okaland hatte die Polizei am Vortag ebenfalls mit einem Großaufgebot ein Camp mit Hunderten Menschen geräumt. Polizei-Chef Howard Jordan sprach laut "San Francisco Chronicle" von 32 Festnahmen. Nach Angaben des dortigen Bürgermeisters war ein Mordfall der Anlass für die Aktion. Ob allerdings tatsächlich ein Zusammenhang besteht, ist bislang unklar. Beobachter sprachen von einem Vorwand.
Die Bewegung "Occupy Wall Street" ("Besetzt die Wall Street") hatte im September in New York ihren Ausgang genommen und sich auf andere Städte in aller Welt ausgeweitet. Auch in Frankfurt/Main und Berlin gibt es am Rande des Banken- und Regierungsviertels Zeltdörfer. Unter anderem in Berlin, Frankfurt und Hamburg sollten Kundgebungen gegen die Räumung des New Yorker Camps vor den US-Vertretungen stattfinden. Zu den Protesten wurde in mehreren sozialen Netzwerken aufgerufen.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts