Anti-Terror-Plan in Kraft Sarkozy reagiert auf Morde
19.03.2012, 21:03 Uhr
Frankreichs Präsident Sarkozy reagiert auf die Mordserie im Süden seines Landes. Weil er beim Täter ein rassistisches Motiv vermutet, setzt er einen Anti-Terrorismus-Plan in Kraft. Jüdische und muslimische Einrichtungen erfahren jetzt besonderen Schutz.
Nach dem wohl schon dritten tödlichen Anschlag eines mutmaßlichen Serienmörders in Südfrankreich hat Präsident Nicolas Sarkozy einen Anti-Terrorismus-Plan für die betroffene Region aktiviert. Alle jüdischen und muslimischen Einrichtungen werden jetzt besonders gesichert, sagte Sarkozy nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts im Elysée.

Angehörige der Opfer können die Tat in Toulouse noch nicht richtig fassen.
(Foto: Reuters)
"Jedes Mal wenn dieser Mann in Aktion tritt, handelt er um zu töten", so Sarkozy. "Er lässt seinen Opfern keine Chance." Ein antisemitisches Motiv sei wahrscheinlich, fügte er hinzu, der Mann sei gefährlich und müsse schnellstens gefasst werden.
Wie Sarkozy geht auch die französische Justiz nicht nur von einem Serientäter, sondern auch von einem terroristischen Hintergrund aus. Es gehe um "Mord und versuchten Mord im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung", sagte François Molins, von der Staatsanwaltschaft von Paris, die für Terrorismus zuständig ist. Ballistische Untersuchungen der Polizei ergaben, die Morde an Soldaten in Südfrankreich und der Anschlag auf eine jüdische Schule in Toulouse wurden mit der selben Waffe begangen. Offenbar nutzte der Täter auch stets das selbe Fluchtfahrzeug: einen schwarzen Motorroller der Marke Yamaha, Typ T-MAX. Das Fahrzeug ist nach Polizeiangaben vor mehr als einer Woche in Toulouse gestohlen worden. Die Opfer des Täters waren ausschließlich Menschen mit einem Migrationshintergrund oder jüdischen Glaubens.
Der jüngste Übergriff ereignete sich vor einer jüdischen Schule in Toulouse. Ein Unbekannter eröffnete vor der Schule das Feuer auf eine Gruppe Schüler und Erwachsene und floh Augenzeugen zufolge auf jenem Motorroller. Der Täter schoss "auf alles", was sich bewegte, so die Staatsanwaltschaft. Dabei kamen insgesamt vier Menschen ums Leben.
Bisherige Opfer waren Armeeangehörige
In Toulouse erschoss der Mörder mit dem Motorroller vermutlich auch schon vor gut einer Woche einen Fallschirmjäger, wenige Tage später waren im 50 Kilometer entfernten Montauban zwei weitere Soldaten wohl seine Opfer.
Die Polizei suchte in den vergangenen Tagen intensiv nach dem Täter. Die Armee wies die Soldaten an, nur noch in Zivil die Kasernen zu verlassen und verstärkte die Kontrollen. Wegen der Mordanschläge auf die Soldaten wurde eine Sonderkommission eingerichtet. Die drei Getöteten sollen nordafrikanischer Abstammung sein; das noch in Lebensgefahr schwebende vierte Opfer ist ein Franzose schwarzer Hautfarbe von der Karibikinsel Guadeloupe.
Jüdische Einrichtungen werden stärker überwacht
Auch der Schutz jüdischer Einrichtungen wurde verschärft. Die französische Regierung ordnete nach der Tat eine verschärfte Überwachung aller jüdischen Schulen im Land an.
Wenige Stunden nach dem Anschlag auf die Schule ist Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in der Stadt eingetroffen. In einer ersten Reaktion, die im TV ausgestrahlt wurde, sprach Sarkozy von einer "nationalen Tragödie". Für Dienstag ordnete er eine Schweigeminute zum Gedenken an die getöteten Kinder in allen Schulen des Landes an. "Es sind unser aller Kinder", betonte der konservative Politiker. "Die gesamte französische Republik ist berührt von diesem entsetzlichen Drama."
Auch der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande kündigte an, aus "Solidarität" in die Stadt reisen zu wollen. Die Sozialisten unterbrachen ihren Wahlkampf, "um der Opfer zu gedenken". Innenminister Claude Guéant will ebenfalls noch am Vormittag in die südfranzösische Stadt fahren.
Der Bürgermeister der südfranzösischen Stadt, Pierre Cohen, geht von weiteren Taten aus und verwies auf die Kaltblütigkeit des Täters bei den Anschlägen in Toulouse und dem 50 Kilometer entfernten Montauban. "Wir sind extrem beunruhigt", sagte er. Es gelte, den Täter schleunigst dingfest zu machen. Derartige Anschläge auf Schulen habe es in Frankreich bisher nicht gegeben. "Das ist der Horror", sagte Cohen, der von einer "großen Traurigkeit" sprach.
Erinnerungen an Attentate aus 80er Jahren
Die tödlichen Schüssen vor einer jüdischen Schule in Südfrankreich wecken in Frankreich traurige Erinnerungen an frühere Anschläge. Am 3. Oktober 1980 war im Zentrum von Paris eine Bombe explodiert, die in einer Satteltasche eines Motorrades versteckt war. Bei dem Anschlag vor der Synagoge starben drei Franzosen und eine junge Israelin, neun Menschen wurden verletzt.
Entsetzen löste weltweit auch das Attentat auf das jüdische Restaurant Goldenberg in Paris aus, bei dem am 9. August 1982 sechs Menschen getötet und 22 verletzt wurden. Mit einer Maschinenpistole hatten die Täter unterschiedslos auf die anwesenden Gäste und Angestellten gefeuert, nachdem vor dem Lokal eine Handgranate gezündet worden war.
Quelle: ntv.de, ieh/jog/AFP/dpa/rts