Baden-WürttembergParty ohne Promille: Weniger Alkoholrausch bei Jugendlichen

Jugendliche müssen weniger wegen Alkohol ins Krankenhaus, der Rausch bleibt aber riskant - und ist mit Kosten für alle verbunden.
Stuttgart (dpa/lsw) - Jugendliche in Baden-Württemberg landen deutlich seltener mit Alkoholvergiftungen im Krankenhaus als früher. Trotzdem bleibt Alkohol für Menschen mittleren und höheren Alters ein echtes Gesundheitsrisiko – mit Folgen für Organe und das Gesundheitssystem. Warum trinken junge Leute weniger, während Ältere an ihrem Konsum festhalten? Und warum gehört Deutschland trotz rückläufiger Zahlen weiterhin zu den Ländern mit hohem Alkoholkonsum?
Weniger Klinikfälle – besonders bei Jugendlichen
Die aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamts zeigen einen klaren Trend: Die Zahl der Krankenhausaufenthalte, bei denen Alkohol die Hauptursache war, ist binnen fünf Jahren von knapp 38.600 im Jahr 2019 auf rund 30.200 im Jahr 2024 gesunken – ein Rückgang von 22 Prozent. Besonders auffällig: Jugendliche zwischen 13 und 19 Jahren sind heute deutlich seltener betroffen. Pro 100.000 Gleichaltrige gingen die Behandlungen von 328 auf 131 Fälle zurück – ein Minus von rund 60 Prozent. Auch die Generation Z, also die jungen Menschen, die etwa zwischen den Jahren 1995 und 2010 geboren sind, scheint zunehmend weniger Interesse an Alkohol zu haben.
Warum Jugendliche anders trinken
Das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) sieht mehrere Gründe für den Rückgang. Freizeitverhalten und Werte hätten sich verändert: Fitness, Social Media und digitale Treffen spielten eine größere Rolle als früheres exzessives Trinken am Wochenende. In vielen Freundeskreisen werde offener über Risiken gesprochen, alkoholfreie Alternativen seien selbstverständlich – von Bier über Sekt bis zu Mischgetränken. Auch Aktionen wie der "Dry January", ein Monat ohne Alkohol, tragen dazu bei, den Konsum bewusster zu gestalten.
Geht es um Prävention, hat auch das Land vor allem die jungen Gruppen im Blick. "Bei ihnen wirken sich Verhaltensänderungen sowohl unmittelbar als auch langfristig aus", sagt Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). "Wer als junger Mensch nicht trinkt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht in fortgeschrittenem Alter an den Folgen langjährigen Alkoholkonsums leiden."
Rausch bei den Jüngsten, Organschäden bei Älteren
Trotz des Rückgangs bleiben die Ursachen für einzelne Klinikaufenthalte bei Jugendlichen ähnlich wie früher. Meist handelt es sich um akute Rauschzustände, also Situationen, in denen jemand in kurzer Zeit sehr viel Alkohol trinkt und medizinisch versorgt wird. Rund 89 Prozent der Fälle entfallen auf dieses sogenannte Komasaufen, etwa nach Partys oder Konzerten.
Mit zunehmendem Alter verschiebt sich das Bild. Bei den 40- bis 49-Jährigen dominieren eher Alkoholabhängigkeit und Entzugsbehandlungen. In der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen kommen oft alkoholbedingte Leberkrankheiten hinzu – mit langen Aufenthalten und häufig bleibenden Schäden.
Männer stärker betroffen – außer bei den Jüngsten
Über alle Altersgruppen hinweg sind Männer deutlich häufiger betroffen. 2024 entfielen rund 73 Prozent aller alkoholbedingten Krankenhausfälle auf sie – etwa 22.100 Patienten. In vielen Altersgruppen werden Männer damit etwa dreimal so häufig behandelt wie Frauen. Bei den 13- bis 19-Jährigen sind Mädchen und Jungen allerdings inzwischen gleich oft betroffen – riskantes Trinken ist hier keine reine „Männersache“ mehr.
Während die jüngeren Patienten den Rückgang deutlich vorantreiben, verändern sich die Zahlen bei den 40- bis 49-Jährigen kaum: Ihre Fallzahlen sinken nur leicht von 568 auf 550. Experten warnen, dass diese Altersgruppe ohne Verhaltensänderung später häufiger Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nervenschäden oder Krebs entwickeln könnte.
Was die Statistik nicht zeigt
Die Zahlen erfassen allerdings nur Fälle, bei denen Alkohol die Hauptursache für den Krankenhausaufenthalt ist – wie akute Vergiftungen, Abhängigkeit oder Leberkrankheiten. Unfälle, Stürze oder Herzprobleme, bei denen Alkohol mitspielt, aber nicht als Hauptursache gilt, bleiben außen vor.
Noch größer ist aus Sicht von Suchtexperten die Gruppe der Menschen, die riskant trinken, aber nie im Krankenhaus landen – etwa weil sie sich nicht behandeln lassen oder noch keine akuten Probleme haben. Detaillierte Zahlen für den Südwesten gibt es nicht.
Deutschland bleibt Hochburg des Alkohols
Deutschland trinkt allerdings weiterhin viel Alkohol – auch wenn der Konsum in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist. Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) nimmt jeder Mensch im Schnitt rund zehn Liter reinen Alkohol pro Jahr zu sich – das entspricht etwa 400 Flaschen Bier oder 110 Flaschen Wein. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit im oberen Drittel.
Die Folgen sind teuer: Die volkswirtschaftlichen Kosten alkoholbedingter Erkrankungen belaufen sich laut DHS auf rund 57 Milliarden Euro jährlich. Allein in Baden-Württemberg sind die durchschnittlichen Kosten eines Krankenhausaufenthalts wegen Alkohol laut Barmer von rund 3.300 Euro im Jahr 2019 auf gut 5.000 Euro im Jahr 2024 gestiegen.
Gründe seien neben steigenden Personalkosten durch höhere Tarifabschlüsse auch teurere Arzneimittel und die längere Behandlungsdauer, sagt der Barmer-Landesgeschäftsführer Winfried Plötze. Betroffene lagen nach seinen Angaben im Schnitt fast zwölf Tage stationär im Krankenhaus und waren rund 52 Tage krankgeschrieben.