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Niedersachsen & BremenGegner von neuen Autobahnen steigen aufs Rad

04.06.2021, 17:09 Uhr

Werden noch neue Schnellstraßen gebraucht, wenn die Klimakrise eine andere Mobilität nötig macht? Autobahn-Gegner machen am Wochenende mobil. Die Aktivisten protestieren auch bei Niedersachsens größtem Autobauer.

Rastede/Wolfsburg (dpa/lni) - Mit Fahrradkorsos an vielen Orten im Norden wollen Gegner von Autobahn-Neubauten am Samstag für eine Verkehrswende demonstrieren. Die Proteste gehören zum bundesweiten Aktionstag "Verkehrswende jetzt - Autobahnbau stoppen". Allein gegen die Verlängerung der Küstenautobahn A20 von Bad Segeberg in Schleswig-Holstein bis nach Westerstede bei Oldenburg sind sechs Veranstaltungen angekündigt.

Zu Fahrraddemos in Braunschweig und Wolfsburg entschied das Oberverwaltungsgericht Lüneburg am Freitag, dass nicht über Autobahnen geradelt werden darf. Die Veranstalter wollten Teilstrecken der A2 und A39 sowie der A33 in Osnabrück nutzen. Sie wurden stattdessen auf parallel laufende Ausweichstrecken verwiesen.

Dagegen urteilte das Verwaltungsgericht Oldenburg, dass Radfahrer auf der Bundesstraße B437 durch den Wesertunnel nördlich von Brake fahren dürfen. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung sei nicht zu erkennen, befand die Kammer (Az. 7 B 2216/21). Der Tunnel sei Teil der künftigen A20, deshalb dürfe dort auch demonstriert werden.

Gegen den Ausbau der A20 sind auch Demonstrationen in Bad Segeberg, an der Elbfähre Glückstadt, in Stade und eine Sternfahrt nach Rastede im Ammerland geplant. Die Autobahn-Gegner argumentieren, der teure Bau werde nicht ausgelastet sein, zerstöre aber wertvolle Wälder, Moore und Marschlandschaften.

Dagegen betonten die Industrie- und Handelskammern (IHK) Bremen, Oldenburg und Stade am Freitag die Bedeutung des Projekts. Die künftige A20 binde die Industrie- und Hafenstandorte der Region an das Netz europäischer Fernverkehrswege an und liefere dem Nordsee-Tourismus wichtige Impulse. Weil sie die Verkehrsträger besser vernetze, mache sie auch Transporte auf dem Wasser und der Schiene attraktiver. Dies wiederum helfe dem Klima, so die IHKs.

Im Kampf um eine Mobilitäts- und Energiewende ketteten sich Klimaaktivisten am Freitag an Schienen und Kränen des Kraftwerks des Autobauers Volkswagen in Wolfsburg fest. Andere Aktivisten der Gruppe "Runter vom Gas" besetzten Baumaschinen an einer Gaspipeline in Meinholz im Kreis Gifhorn. Die Polizei räumte bis zum Nachmittag beide Stellen. Höhenretter holten die Protestler von den Kränen.

"Wir rasen unaufhaltsam in die Klimakatastrophe", sagte eine Aktivistin. "Seit Jahren ist klar, dass wir dringend eine Mobilitätswende brauchen. Konzernen wie VW ist das egal, sie heizen die Krise lieber weiter an und ziehen daraus auch noch fette Gewinne." Statt auf E-Autos zu setzen, forderte sie einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, autofreie fahrradgerechte Städte und den Ausbau des Schienennetzes.

VW entgegnete, viele Argumente der Aktivisten gingen am Ziel vorbei. Das Unternehmen setze sich aktiv für einen schnellen Umstieg auf erneuerbare Energien auch in den Produktionsprozessen ein. Es habe sich als erster Autohersteller zu den Pariser Klimazielen bekannt. Man sei immer zu Diskussionen über Klimaschutz bereit, sagte ein Sprecher. Aber das Eindringen sei illegal: "Wir dulden keine Gesetzesverstöße, die mit derlei Aktionen von den handelnden Personen begangen werden." Deshalb werde man rechtliche Möglichkeiten prüfen.

Es sei legitim, auf Gefahren des Klimawandels hinzuweisen, sagte auch Innenminister Boris Pistorius (SPD). "Aber wo Gesetze gebrochen werden und in das Eigentum anderer eingegriffen wird, muss eine klare Grenze gezogen werden."

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