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Nordrhein-WestfalenErholungsziel, Sehnsuchtsort, Patient - was dem Wald gut tut

20.11.2025, 05:02 Uhr
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Der Wald wird seit langem als Patient beschrieben. Er leidet unter vielen Problemen. Gerade der Klimawandel macht ihm zu schaffen. Das betrifft nicht nur Waldbesitzer.

Schmallenberg (dpa/lnw) - Wandern, Laufen, Radfahren - all das geht im Wald. Die Wälder in Nordrhein-Westfalen sind Ausflugsziel und Erholungsort für viele Menschen. Doch tote Bäume und kahle Stellen führen vor Augen, dass es dort schon seit Jahren massive Problemen gibt. Vor dem Hintergrund des Klimawandels werden die Wälder nun seit einiger Zeit umgebaut. Was kann jeder im Kleinen tun, damit es dem Patienten Wald besser geht?

Wie geht es dem Wald?

Vor Jahrzehnten setzten Schadstoffe dem Wald zu. "Heute haben wir es mit anderen Schäden zu tun. Der Klimawandel bringt ganz gravierende Probleme", verdeutlicht Forstwissenschaftler Mirko Liesebach vom Thünen-Institut für Forstgenetik. Die Niederschläge verteilten sich nicht mehr so gut über den Jahresverlauf. Die Bäume müssten an vielen Orten sowohl mit langanhaltenden Trockenheitsperioden als auch mit einer längeren Feuchtigkeit zurechtkommen.

Wo macht sich das besonders bemerkbar?

Besonders betroffen ist der mittlere Bereich Deutschlands, in dem gravierende Schäden an mehreren Baumarten beobachtet werden können, erklärt der Experte. Die Fichte etwa leidet unter Hitze und Trockenheit, aber auch unter dem Borkenkäfer. Aber auch die Buche, die als Hoffnungsträgerin gelte, weise starke Schäden auf.

Ein weiteres Problem für die Bäume und den Wald sind Krankheiten und Insekten. "Das Eschentriebsterben ist eine Folge der Globalisierung", erklärt Liesebach. Die Krankheit sei aus Asien über Nordost-Europa nach Deutschland gekommen.

Gibt es Gefahren für die Menschen?

Ja. "Vom Klimawandel profitieren der Eichenprozessionsspinner und die an Bergahorn auftretende Rußrindenkrankheit, die beide für den Menschen eine Gefahr darstellen können", zählt Forstwissenschaftler Liesebach Problemfälle auf. Auch der Asiatische Laubholzbockkäfer mache Ärger, er sei mit Verpackungsmaterial nach Europa gekommen.

Muss sich die Forstwirtschaft ändern?

"Wir haben einen Wald, der sich sichtbar verändert. Wir sehen Waldsterben, wir sehen riesigen Freiflächen. Es wächst wieder etwas nach - entweder natürlich oder durch Pflanzungen, im Einzelfall auch durch Aussaat", betont Liesebach.

Allerdings sei bei neuen Baumgenerationen nicht mehr durchgehend mit einem Alter von mehr als 100 Jahren zu rechnen. Bei der Fichte werde es eher nach 40 oder 50 Jahren statt 80 oder 100 Jahren zur Holzernte gehen. "Die Forstwirtschaft wird sich ändern müssen", unterstreicht der Experte.

Wie sieht der Wald der Zukunft aus?

Waldbesitzer sollten in reinen Fichtenbeständen Laubbäumen Platz einräumen. "Hälfte Fichte und Hälfte Laubholz oder man kann auch mit weiteren Nadelholzarten arbeiten. Weg vom Reinbestand, damit man ein "Warenhauslager" hat, wenn dann eine Baumart ausfällt", rät er.

Wälder könnten auch stabiler gemacht werden, indem dieselbe Baumart aus einem wenige Hundert Kilometer entfernten Bestand angepflanzt werde, der an Veränderungen gut angepasst sei. Bei der Auswahl der Bäume sollte der Fokus auf standortgerechte Baumarten gelegt werden. Wobei Baumarten von südlich der Alpen Probleme mit der Winterkälte und Spätfrösten in Deutschland hätten, an die sie nicht gewohnt seien, gibt der Experte zu bedenken.

Wer geht alles so in den Wald?

"Wir haben in NRW, in Deutschland, ein sehr liberales Waldbetretungsrecht, anders als in anderen Ländern der EU und auch weltweit. Das heißt, es gibt ja kaum Einschränkungen eben auch, sich zu erholen im Wald und das wird auch intensiv genutzt", sagt Forstamtsleiter Frank Rosenkranz aus Schmallenberg. Im Sauerland etwa seien die Wälder ein beliebter Erholungsraum auch für zahlreiche Gäste insbesondere aus dem Ruhrgebiet und aus den Niederlanden.

Welche Probleme können dabei entstehen?

Nichts im Wald zurücklassen, lautet die klare Botschaft. Keine Flaschen, kein Verpackungsmüll. Mit E-Bike oder Mountainbike seien Fahrer in der Lage, Bereiche zu erkunden, in die sie vorher nicht gelangt wären. "Das ist auch alles in Ordnung, wenn man auf den festen Wegen bleibt", sagt Rosenkranz. Der weit überwiegende Teil der Waldbesucher halte sich auch an diese Spielregeln.

"Nicht meckern", lautet der Appell von Liesebach, wenn es um Veränderungen im Forst gehe. "Warum nehmt ihr das weg? Die Natur kann das allein regeln" sei einer der Einwürfe von Beobachtern. Angesichts der Rasanz des Klimawandels hält der Forstwissenschaftler aber ein gezieltes Eingreifen für erforderlich.

Keine Pflanzen und Samen in den Wald bringen: Standortfremde Pflanzen seien nicht angepasst und anfälliger für Krankheiten. Außerdem könnten mit ihnen auch Krankheiten in den Wald eingebracht werden. "Wenn eine Försterei einen Pflanztag anbietet, kann man mitmachen", sagt Liesebach. Das könne man auch als Event machen. Grünschnitt gehöre ebenfalls nicht in den Wald.

Wie können Konflikte gelöst werden?

Das Regionalforstamt Oberes Sauerland hat in einem Forschungsprojekt mit Hochschulen untersucht, wie Konflikte gelöst werden können. Etwa wenn es darum geht, sensible Waldbereiche zu schützen und dafür markierte Wanderwege umzulegen. "Also es gibt diesen flapsigen Satz "Reden hilft". Wir haben gemerkt, dass das tatsächlich so ist", sagt Forstamtsleiter Rosenkranz. Und das am besten, bevor absehbar Konflikte entstünden.

Können moderierte Waldspaziergänge helfen?

Moderierte Waldspaziergänge hätten sich als zielführendes Format herausgestellt. So könnten alle Beteiligten an den Ort das Geschehen geholt und mit Hilfe eines externen Moderators Probleme und Lösungen auf Augenhöhe besprochen werden. Das wecke Verständnis für die Postion des anderen. Und: "Man hinterfragt dann auch mal die eigenen Positionen."

Unter dem Klimawandel litten alle Waldfunktionen, betont Rosenkranz. Sowohl für die Ökonomie leide, weil das Nutzungspotenzial schrumpfe, als auch für die ökologische Leistungsfähigkeit des Waldes und damit die Erholungsfunktion nehme ab. "Also der Wald leidet derzeit wirklich in dieser Klimakrise mit all seinen Funktionen. Und da kann jeder gucken, wie weit er sich da gut einbringt."

Quelle: dpa

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