"Haben praktisch keine Chance" Deutschem Basketball droht Horror-Szenario
20.03.2020, 22:07 Uhr
So voll wie beim Pokalfinale wird Alba Berlins Heimspielstätte so schnell wohl nicht wieder.
(Foto: imago images/Camera 4)
Vertragsauflösung hier, Kurzarbeit da: Die ungewisse Zukunft trifft die Basketball-Bundesliga empfindlich. Längst geht es nicht mehr nur um die Fortsetzung, sondern für viele Klubs auch darum, nicht pleite zu gehen. Die Krise stellt vor allem die US-Profis vor ein Dilemma.
Bayern München gegen Rasta Vechta - auf diese Partie hatten sich die Basketballer des niedersächsischen Underdogs und ihre Fans seit Saisonbeginn gefreut. Doch anstatt wie ursprünglich geplant am Sonntag den Titelverteidiger herauszufordern, sind Vechtas Profis wie die gesamte Liga wegen der Coronavirus-Pandemie zum Nichtstun verdammt - und stehen vor einer ungewissen Zukunft. "Die Situation ist wirklich sehr ernst", sagte Vechtas Klub-Boss Stefan Niemeyer. Kurzarbeit für alle Mitarbeitenden sei bereits beantragt. "Auf uns allein gestellt, haben wir praktisch keine Chance, Rasta Vechta am Leben zu erhalten."
Die große Frage ist: Geht die Saison überhaupt weiter? Wenn ja, wann? Und wie? BBL-Geschäftsführer Stefan Holz ist derzeit praktisch mit nahezu stündlich wechselnden Fragezeichen konfrontiert. Der Betrieb ist aktuell bis auf Weiteres ausgesetzt, in der kommenden Woche wollen die Liga und die Klubs erneut beraten, wie die Spielzeit noch zu retten ist. "Wir haben verschiedene Szenarien für den Spielplan, wann wir wieder einsteigen könnten", sagte Holz. "Aber wir müssen die Klubs auch über den Sommer bringen."
Die Not bei einigen Vereinen ist aktuell so groß, dass vielleicht schon schneller eine Entscheidung her muss - die dann Saisonabbruch heißen könnte. Am Donnerstag teilte der Klub Medi Bayreuth mit, dass mit gleich vier Spielern aus den USA die Verträge aufgelöst wurden. "Wir arbeiten weiter mit Hochdruck daran, den Basketball-Standort Bayreuth überlebensfähig zu halten", sagte Geschäftsführer Björn Albrecht zu den Maßnahmen, die den Kader auf einen Schlag um ein Drittel reduzierten.
Vereine lösen reihenweise Verträge auf
Im Hinspiel siegte der FC Bayern knapp in Vechta - ob das Rückspiel überhaupt stattfindet, ist offen.
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Die Franken müssen dem Quartett damit keine Gehälter mehr bezahlen, was angesichts fehlender Einnahmen aus Ticketing und Sponsoring alternativlos ist. Doch auch eine menschliche Komponente spielt eine gewichtige Rolle. "Es ist absolut verständlich, dass jeder Spieler in dieser für uns alle immer noch surrealen Situation nicht Tausende Kilometer von seiner Familie entfernt sein möchte", sagte Bayreuths Trainer Raoul Korner.
Martin Geissler, Geschäftsführer beim Syntainics MBC aus Weißenfels, setzt in der Krise auch auf eine Verständigung mit den Spielern. "Sollten wir da keine Übereinkunft mit Spielern finden, dass sie ihrem Klub helfen wollen, wird es realistisch sehr, sehr schwer, die Saison zu überstehen", sagte Geissler. Auch in Gießen, Göttingen und Braunschweig haben sich die ersten US-Amerikaner mit aufgelösten Verträgen auf den Weg in die Heimat gemacht. Alba Berlin hat seinen ausländischen Profis freigestellt, während der Coronavirus-Krise in ihre Heimat zu reisen.
"Wissen alle nicht, wie es weitergeht"
Kapitän Niels Giffey mag über eine Fortsetzung der Saison derzeit nicht nachdenken. "Im Augenblick gibt es wichtigere Dinge. Es macht auch keinen Sinn darüber zu philosophieren, wir wissen alle nicht, wie es weitergeht." Gerade das macht es für alle Beteiligten so schwer. Bei Bayern München haben sie den Audi Dome offen gelassen, jeweils zwei Spieler dürfen zur gleichen Zeit auf das Parkett, um in verschiedenen Hälften auf den Korb zu werfen. Auch dort stecken vor allem die Profis aus den USA in einem Dilemma.
Mit der Auflösung ihrer Verträge erlischt auch die Krankenversicherung in Deutschland. Und in den USA sind nicht alle krankenversichert. In Corona-Zeiten ein Horrorszenario. Gleichwohl ist die Trennung von der Familie für viele sehr belastend. "Ich realisiere, wie wichtig es ist, dass man sich nicht nur physisch, sondern auch MENTAL wohl fühlt", schrieb Albas Aufbauspieler Peyton Siva aus den USA. Ob er und alle anderen Profis in dieser Saison noch einmal das Alba-Trikot tragen werden, ist fraglich.
Quelle: ntv.de, tsi/dpa