Koch zieht in die Topetage ein Bilfinger begrüßt neuen Vorstand
28.02.2011, 22:21 UhrDas ganz große Amt in der Politik ist Roland Koch versagt geblieben - jetzt zieht er in den Bilfinger-Vorstand ein. Perspektive nach vier Monaten: Vorstandschef bei Deutschlands zweitgrößtem Baukonzern. Koch spricht vom "unglaublichen Glück" und auch die Analystengemeinde ist entzückt.
Wirtschaft hat Roland Koch immer gereizt. Von diesem Dienstag an wird der frühere hessische Ministerpräsident (CDU) die Zukunft des zweitgrößten deutschen Baukonzerns mitbestimmen. Er zieht als Vorstandsmitglied in die Topetage von Bilfinger Berger. Ab Juli soll er den Bau- und Dienstleistungskonzern als Vorstandschef führen. Der 52-Jährige übernimmt von seinem Vorgänger Herbert Bodner ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen, aber auch die Affäre um den Einsturz des Kölner Stadtarchivs, dessen Ursache immer noch nicht aufgeklärt ist.
Koch selbst spricht in der "Financial Times Deutschland" von einem "unglaublichen Glück", die Verantwortung für ein großes Unternehmen wie Bilfinger Berger übernehmen zu können, ohne seine Verbindungen zur Finanzindustrie aufgeben zu müssen. Koch ist auch Aufsichtsratschef bei der deutschen Tochter der Schweizer Großbank UBS. Branchenbeobachter bedenken den einstigen Ministerpräsidenten derweil schon einmal mit Vorschusslorbeeren.
Große Erwartungen
"Warum sollte ein Mann, der ein Land wie Hessen regiert hat, nicht auch an der Spitze eines Unternehmens eine gute Figur machen", sagt Commerzbank-Analyst Norbert Kretlow. In den USA sei ein Wechsel von der Politik in die Wirtschaft und umgekehrt seit Jahren durchaus üblich. "Warum sollte das nicht auch in Deutschland möglich sein", argumentiert Kretlow. Nach allem, was von Koch bisher zu hören gewesen sei, spreche viel dafür, dass er die erfolgreiche Strategie des scheidenden Vorstandschefs Bodner fortsetzen werde. "Das ist begrüßenswert. Die Strategie ist ausgezeichnet."
Ein "positive Erwartungshaltung" hat auch Ralf Dörper von der WestLB. "Ich finde es per se nicht negativ, dass ein Branchenfremder kommt, da das Unternehmen ohnehin im Wandel ist", sagt der Branchenexperte.
In der Tat hat sich der Konzern unter Bodners Führung massiv gewandelt. Der Österreicher, der seit 1999 an der Spitze von Bilfinger steht, fuhr das konjunkturanfällige Baugeschäft deutlich zurück. Zugleich baute der 63-Jährige den Dienstleistungsbereich durch Zukäufe massiv aus. Mittlerweile stammen 80 Prozent des Umsatzes von über acht Mrd. Euro aus diesem Bereich. Die Strategie zahlte sich aus: 2010 konnte das Unternehmen seinen Gewinn auf 284 Mio. Euro verdoppeln.
Koch, der zwölf Jahre CDU-Vorsitzender in Hessen und elf Jahre Ministerpräsident war, hat die Wirtschaft immer gereizt. 2009 steckte er viel Energie in die Verhandlungen zur Rettung des angeschlagenen Autobauers Opel. Und im Streit um den Ausbau des Frankfurter Flughafens steckte er so in den Details der Luftverkehrswirtschaft, als hätte er selbst den Betreiber Fraport zu managen gehabt.
Ordentlicher Gehaltssprung
Mit seinem Wechsel in die Wirtschaft ist der 52-Jährige auch ein von ihm empfundenes Manko los. Oft beklagte er, dass Politiker viel weniger Geld als Manager verdienen - obwohl sie extrem hohe Verantwortung tragen. Seine Bezüge dürften sich bei Bilfinger Berger auf etwa 1,5 Mio. Euro - so schätzt "Focus" - verzehnfachen.
Durchsetzungsfähigkeit und strategisches Denken haben den Juristen aus Eschborn bei Frankfurt in der Politik nach oben gebracht und beides wird er auch in seinem neuen Job in Mannheim brauchen können. Da ist der Einsturz des Kölner Stadtarchivs, bei dem 2009 zwei Menschen ums Leben kamen. Bilfinger ist an dem U-Bahnbau in Köln beteiligt und war wegen Baupfusch-Vorwürfen in die Kritik geraten.
Zudem muss Koch, der in der politischen Debatte mit scharfen Tönen zu polarisieren pflegte, darauf bedacht sein, den Kurs der Bilfinger-Aktie weiter zu steigern. Da der Konzern keinen Großaktionär hat, bietet lediglich ein hoher Aktien-Kurs einen gewissen Schutz vor feindlichen Übernahmen.
Quelle: ntv.de, dpa