Im stillen Kämmerlein USA schmieden Pleite-Notfallplan
10.10.2013, 04:55 Uhr
(Foto: REUTERS)
Die OECD warnt vor einer weltweiten Rezession. US-Präsident Obama fordert neue Gespräche mit den Republikanern. Aber in den Streit um Haushalt und Schuldenobergrenze der größten Volkswirtschaft der Welt kommt keine Bewegung. Dafür werden peinliche Details über die Folgen des "Shutdowns" bekannt.
In den USA, der größten Volkswirtschaft der Welt, werden wegen des anhaltenden Haushaltsstreits in Finanzministerium und Notenbank (Fed) Krisenpläne für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit geschmiedet. Nach Auskunft einer mit den Überlegungen vertrauten Person suchen Vertreter beider Einrichtungen nach Möglichkeiten, die erwarteten drastischen Auswirkungen auf die Wirtschaft zu lindern. Ein zentrales Anliegen sei es, die kurzfristige Geldversorgung der Banken am sogenannten Repo-Markt sicherzustellen. Hier breitete sich zuletzt die Angst vor einem Zahlungsausfall der USA aus.
Die Zinssätze für Übernachtkredite kletterten auf den höchsten Stand seit fünf Monaten. Banken und Wall-Street-Unternehmen hinterlegen oft Schatzwechsel als Sicherheit im Tausch gegen kurzfristiges Kapital für Handelsgeschäfte und Kredite. Doch Marktteilnehmern zufolge lehnen mittlerweile einige Geldfonds und Finanzinstitute Schatzwechsel als Sicherheit ab, die in den kommenden Wochen fällig werden.
Dem Insider zufolge wollen die Regierungs- und Notenbankvertreter Details der Notfallpläne nicht preisgeben. Finanzmärkte und Parlamentarier sollten nicht den Eindruck gewinnen, die USA könnten sich durchwursteln, auch wenn die Schuldenobergrenze nicht angehoben werde, erläuterte er. Nach Angaben des Finanzministeriums ist dafür noch bis zum 17. Oktober Zeit - sonst kommt es zum Zahlungsausfall. Ein Durchbruch ist allerdings nicht in Sicht, auch weil einige Republikaner den Konflikt dazu nutzen wollen, die von Obama bereits durchgesetzte und vom Obersten Gericht bestätigte Gesundheitsreform doch noch zu verhindern oder zumindest um ein Jahr zu verschieben. Obama wirft seinen politischen Gegnern daher auch Erpressung vor.
Neue Gesprächsrunde
Präsident Obama sucht aber weiter das Gespräch mit den gegnerischen Republikanern. Das Präsidialamt habe für Donnerstag zu einem Treffen eingeladen, erklärte ein Sprecher von John Boehner, dem Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus. An dem Gespräch würden neben Boehner und seinem Stellvertreter Eric Cantor auch mindestens zwei Vertreter der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung teilnehmen.
Obama habe ursprünglich alle Republikaner aus dem Repräsentantenhaus zum Gespräch eingeladen. Boehner habe sich aber dazu entschieden, den Teilnehmerkreis von Seiten der Republikaner auf 18 zu beschränken, erklärte dessen Sprecher.
OECD warnt
Der anhaltende Streit bedroht nach Ansicht der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auch die Konjunktur in der gesamten Welt. "Die aktuelle politische Blockade in den Vereinigten Staaten gefährdet unnötigerweise die Stabilität und das Wachstum nicht allein der USA, sondern der Weltwirtschaft", erklärte die Organisation. Je länger der Stillstand in den USA andauere, umso mehr steige die Sorge.
Sollte das Schuldenlimit nicht rechtzeitig angehoben werden, werde ihren Berechnungen nach die gesamte Region der 34 OECD-Staaten kommendes Jahr zurück in die Rezession stürzen, während das Wachstum in den Schwellenländer erheblich verlangsamt werde, warnte die Organisation. "Das Ausmaß der weiteren negativen Auswirkungen kann nur erraten werden", hieß es in der Erklärung der OECD. Sie vertraue auf die "Weisheit" der politischen Führung, die Schuldenobergrenze anzuheben, um die normale Funktionsweise der Regierung zu sichern.
Reizthema Sterbegeld
In den USA sind indes auch seit anderthalb Wochen zahlreiche Bundeseinrichtungen geschlossen, weil sich Demokraten und Republikaner bis zu Beginn des Haushaltsjahres am 1. Oktober nicht auf einen Übergangsetat einigen konnten. Deshalb haben Angehörige von getöteten Soldaten kein Sterbegeld von der Armee erhalten. Nach einer Welle der Empörung über das Schicksal von Familien, die Kosten für die Beerdigung vorstrecken müssen, ordnete Präsident Obama nun eine sofortige Lösung des Problems an. Vorerst soll nun eine private Stiftung das Geld bereitstellen.
Seit Beginn des "government shutdown" starben 17 US-Soldaten im Ausland oder im Dienst in den USA. Keiner der Familien wurde das Sterbegeld in Höhe von 100.000 Dollar (mehr als 73.500 Euro) ausbezahlt. Unter den Fällen waren auch Soldaten, die im Einsatz in Afghanistan getötet wurden.
Der Nachrichtensender CNN berichtete über die Mutter eines 19-jährigen Gefreiten, der in der afghanischen Unruheprovinz Helmand ums Leben kam. "Werde ich jetzt mein Leben lang einen Kredit abbezahlen, damit mein Sohn die Beerdigung bekommt, die er verdient?", fragte sie.
Obama sei "sehr aufgewühlt" gewesen, als er von den Fällen erfahren habe, sagte sein Sprecher Jay Carney. "Der Präsident erwartet, dass das heute korrigiert wird." Wenige Stunden später präsentierte das Verteidigungsministerium eine vorläufige Lösung: Für die Sterbehilfe kommt zunächst die Fisher House Foundation auf, eine gemeinnützige private Stiftung zur Unterstützung von Kriegsveteranen. Nach Ende des Haushaltsnotstands werde das Pentagon der Stiftung das Geld zurückerstatten, sagte Verteidigungsminister Chuck Hagel.
Quelle: ntv.de, bad/rts/AFP