EZB bleibt bei Rekord-Niedrigzins Draghi überrascht mit Untätigkeit
06.03.2014, 16:40 Uhr
EZB-Präsident Mario Draghi behält die Inflation im Euroraum genau im Blick.
(Foto: REUTERS)
Die Teuerung liegt im Februar in der Eurozone bei 0,8 Prozent - deutlich unter dem EZB-Richtwert von "um 2 Prozent". Eine erneute Zinssenkung der Zentralbank sehen einige Analysten durchaus im Bereich des Möglichen. Aber die kommt nicht, stattdessen werden die Prognosen angepasst.
Die anhaltend niedrige Inflation lässt die Europäische Zentralbank (EZB) bisher nicht zur Zinsschraube greifen. Auch bei der Geldpolitik hält die EZB ihre Finger still. Dagegen senkte sie ihre Inflationsprognosen für das laufende und das kommende Jahr, der Wirtschaftsausblick fällt ebenso positiver aus. Der Euro zog darauf hin kräftig an.
Die Zentralbank muss sich für 2014 und 2015 darauf einstellen, dass die Inflation noch niedriger bleiben wird als bisher angenommen. Wie Präsident Mario Draghi nach der Zinsentscheidung mitteilte, sehen die Projektionen des EZB-Stabs für 2014, 2015 und 2016 Inflationsraten von 1,0, 1,3 und 1,5 Prozent vor. Im Dezember waren für 2014 und 2015 noch Raten von 1,1 und 1,3 Prozent prognostiziert worden. Draghi sagte, im vierten Quartal 2016 dürfte die Inflation 1,7 Prozent betragen.
"Haben wir auf der Liste ..."
Zusätzliche Maßnahmen zur höheren Liquiditätsversorgung der Banken kündigte der EZB-Präsident etwas überraschend nicht an. Marktteilnehmer hatten die Ausschreibung eines weiteren langfristigen Refinanzierungsgeschäfts erwartet und/oder einen Verzicht auf die Absorption jener Liquidität, die bei früheren Staatsanleihekäufen entstanden ist.
Auf die Frage, warum die EZB nicht wenigstens die zweite Maßnahme beschlossen habe, antwortete Draghi: "Das ist eines der Instrumente, die wir auf unserer Liste haben. Aber wir haben keine Entwicklung am Geldmarkt gesehen, die zu einer unerwünschten monetären Entwicklung geführt hat und die den Einsatz dieses Instrument gerechtfertigt hätte."
BIP-Prognose erhöht
Mit den aktuellen Stabsprojektionen muss die EZB davon ausgehen, dass der Verbraucherpreisauftrieb noch über zwei Jahre lang unter jenen knapp 2 Prozent bleiben wird, zu deren mittelfristiger Gewährleistung sie verpflichtet ist. Die Risiken für diesen Inflationsausblick bezeichnete Draghi als begrenzt und weitgehend ausgewogen. Im Februar sind die Verbraucherpreise nur mit einer Jahresrate von 0,8 Prozent gestiegen.
Zugleich darf die EZB aber mit einem etwas stärkeren Wirtschaftswachstum als bisher rechnen. Der EZB-Stab hob seine Prognose für den Anstieg des Bruttoinlandsprodukts 2014 von 1,1 auf 1,2 Prozent an. Für 2015 und 2016 werden 1,5 und 1,8 Prozent Wirtschaftswachstum erwartet.
Die Risiken für die Wachstumsprognose sieht die EZB allerdings weiterhin ausschließlich auf der Abwärtsseite. "Unser Basisszenario ist im Großen und Ganzen bestätigt worden, und auch die jüngsten Nachrichten waren im Großen und Ganzen positiv", sagte Draghi unter Verweis auf aktuelle Konjunkturdaten.
Dass der Inflationsausblick trotz ordentlicher Wachstumsaussichten so schwach ist, erklärte der EZB-Präsident dem hohen Ausmaß ungenutzter gesamtwirtschaftlicher Kapazitäten. "Die Output-Lücke wird sich nur sehr langsam schließen", prognostizierte er.
DIW-Präsident enttäuscht
"Deflation ist für die EZB derzeit kein Thema. Für die kommenden Monate erwarten wir, dass die EZB ihre Politik der ruhigen Hand fortsetzt", sagte Thomas Meissner von der DZ Bank. Zustimmung findet er bei Tim Gemkow vom DIHK: "Zurecht verzichtet die EZB heute auf eine erneute Zinssenkung. Die derzeit ungewöhnlich niedrige Inflation wird mittelfristig wieder steigen - das bestätigen auch die heutigen Prognosen der EZB."
DIW-Präsident Marcel Fratzscher sagte indes: "Die Entscheidung ist enttäuschend. Ich hätte ein deutliches Signal der EZB erwartet. Denn das Deflationsrisiko in der Eurozone ist hoch. Und die Finanzierungsbedingungen sind weiterhin schlecht für zu viele Unternehmen in den Krisenländern." Die Entscheidung spiegele die noch zu vage Hoffnung der EZB wider, dass die wirtschaftliche Erholung der Eurozone nun an Fahrt gewinnen wird.
Quelle: ntv.de, bad/dpa/DJ/rts