Union verlangt Eingriff Wissings GDL sorgt mit Wellenstreik-Drohung für Ärger
04.03.2024, 20:42 Uhr Artikel anhören
Im Tarifstreit sei nicht alles erlaubt, sagt Verkehrsminister Wissing.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Lokführergewerkschaft kündigt einen 35-Stunden-Streik an. Danach soll es in Wellen weitergehen, ohne Vorankündigung. Union und Pro Bahn verlangen, dass Verkehrsminister Wissing einschreitet. GDL-Chef Weselsky verbittet sich jegliche Einmischung.
Nach der neuerlichen Streik-Ankündigung der Lokführergewerkschaft GDL im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn hat der CDU-Verkehrsexperte Christopher Ploß Bundesverkehrsminister Volker Wissing zum Handeln aufgefordert. Ploß sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die Dauer-Streiks belasteten Menschen und Wirtschaft massiv. So könne es nicht weitergehen: "Volker Wissing muss seinen Worten endlich Taten folgen lassen und das Thema zur Chefsache machen. Ich erwarte, dass Volker Wissing noch heute beide Parteien an seinen Tisch ins Ministerium holt", forderte Ploß. Auch der CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor für neue Regeln bei Tarifauseinandersetzungen aus, um unverhältnismäßige Streiks zu vermeiden. In der ntv Sendung #beisenherz sagte Amthor: "Wir sehen, dass immer und sofort zum Streik gegriffen wird und dass die Gewerkschaften sehr häufig in Kauf nehmen, auch unverhältnismäßige Streiks auf den Weg zu bringen, in der Erwartung, dann sollen Gerichte die mal stoppen."
CSU-Generalsekretär Martin Huber warf der GDL einen Missbrauch des Streikrechts vor. "Es ist unanständig, unverantwortlich und unverschämt, in diesen Zeiten als Gewerkschaftschef offen davon zu sprechen, dass das Ziel des Streiks Chaos ist und mangelnde Planbarkeit", sagte Huber in München. Deshalb sollten Streiks gerade bei kritischer Infrastruktur mit entsprechendem Vorlauf angekündigt werden müssen, sie müssten zeitlich begrenzt sein, und es müsse vorab ein - wenn auch erfolgloses - Schlichtungsverfahren stattgefunden haben. "So, wie es hier jetzt passiert, ist es offensichtlich ein Missbrauch des Streikrechts, der eher der eigenen Selbstsucht des Gewerkschaftsbosses dient und nicht der Verbesserung der Situation."
Pro Bahn macht beiden Seiten Vorwürfe
Der Fahrgastverband Pro Bahn verlangte ebenfalls ein Einschreiten der Politik und machte beiden Seiten schwere Vorwürfe. "Die Tarifpartner machen gerade die Verkehrswende kaputt", sagte Pro-Bahn-Chef Detlef Neuß der Düsseldorfer "Rheinischen Post". "Was jetzt läuft, ist den Fahrgästen nicht mehr zu vermitteln." Trotz der gesetzlichen Tarifautonomie sei es nun Zeit, dass die Politik aktiv werde. "Der Bund ist Eigentümer der Bahn. Deswegen ist er in der Pflicht zu intervenieren."
Die GDL hatte am Vormittag einen neuen, 35 Stunden andauernden Streik ab Donnerstagfrüh 2 Uhr im Personenverkehr angekündigt. Danach sollen sogenannte Wellenstreiks folgen, die die GDL nicht mehr wie bisher mindestens 48 Stunden vorher ankündigen wird. "Damit ist die Eisenbahn kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr", sagte Weselsky am Vormittag.
Bahn nennt GDL-Forderungen "unerfüllbar"
Die Deutsche Bahn kritisierte die geplanten Wellenstreiks als "blanke Zumutung" für ihre Fahrgäste. Personalchef Martin Seiler sagte, Streiks in dieser Form habe es bei der Bahn noch nicht gegeben. Vorbereitungen seien dann nicht mehr möglich. Die Gewerkschaft beharre "stur und egoistisch" auf ihren Maximalforderungen, erklärte der Bahn-Manager. Diese seien "jedoch unerfüllbar und gefährden massiv das Eisenbahnsystem". Seiler betonte, er sei "zu jeder Zeit gesprächsbereit" - Lösungen in den Tarifverhandlungen müssten aber "machbar, realisierbar sein". Er befürchtet einen massiven Personalmangel bei zu starken Arbeitszeitverkürzungen.
Die GDL fordert die schrittweise Einführung der 35-Stunden-Woche bis 2028 mit Lohnausgleich für Schichtarbeiter und mit Wahlrecht des Arbeitnehmers. Die Bahn bot nach Angaben von Seiler an, die Wochenarbeitszeit ab 2026 um eine Stunde zu senken und eine weitere halbe Stunde im Rahmen eines Wahlmodells - laut GDL aber ohne Lohnausgleich.
Beide Seiten verhandeln seit Anfang Februar hinter verschlossenen Türen und mit Unterstützung von zwei Moderatoren - der ehemalige Innen- und Verteidigungsminister Thomas de Maizière für die Bahn und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (beide CDU) für die GDL. Sie schlugen laut Seiler als Kompromiss eine Absenkung der Wochenarbeitszeit auf 37 Stunden ab 2026 und auf 36 Stunden ab 2028 vor.
"Mehr Schein als Sein"
Die Bahn sei bereit gewesen, auf dieser Grundlage weiter über ein Gesamtpaket zu verhandeln, sagte Seiler. Die GDL habe dies abgelehnt. Am Donnerstag vergangener Woche habe die Gewerkschaft die Verhandlungen für gescheitert erklärt. Sie warf der Bahn am Montag vor, "zu keinem Zeitpunkt" lösungsorientiert gewesen zu sein. "Die vermeintlich enormen Zugeständnisse" seien "mehr Schein als Sein".
Die Tarifverhandlungen hatten Anfang November begonnen. Bis Ende Januar war jedoch kaum verhandelt, dafür aber vier Mal gestreikt worden. Der bislang letzte Arbeitskampf Ende Januar war für sechs Tage angesetzt und wäre damit der bisher längste GDL-Streik bei der Bahn überhaupt gewesen. Der Streik wurde nach fünf Tagen vorzeitig beendet.
Einen weiteren Schlichtungsversuch mit Moderatoren aus der Politik lehnte Weselsky ab. Außerdem äußerte er scharfe Kritik an Verkehrsminister Wissing. Der FDP-Politiker hatte vergangene Woche vor Sicherheitsrisiken durch weitere Streiks gewarnt und zumindest indirekt die GDL und ihr "Beharren auf Maximalpositionen" für die verfahrene Lage verantwortlich gemacht.
Weselsky pocht auf Tarifautonomie
Wissing solle die gesetzliche Tarifautonomie beachten und sich vielmehr um die Bahn-Infrastruktur kümmern, sagte Weselsky. Stattdessen schaue er nur zu, wie diese schlechter werde. Als Eigentümer der Bahn müsse der Verkehrsminister außerdem den Bahnvorstand "disziplinieren", der "Millionen-Boni einsackt" und zugleich den Lokführern sagen, sie müssten "den Gürtel enger schnallen".
Das Verkehrsministerium erklärte dazu, Wissing habe schon kurz nach Amtsantritt eine Strategie vorgelegt, mit der die Bahn wieder auf Kurs gebracht werden solle. "Wir konnten allein in dieser Haushaltsrunde mehr als 30 Milliarden Euro des prognostizierten Mehrbedarfs einwerben und setzen uns auch weiter dafür ein, die für die Schiene notwendigen Gelder bereitzustellen." Zu dem Tarifstreit hatte der FDP-Politiker gesagt, die Tarifautonomie sei ein hohes Gut. Daraus folge aber nicht, dass alles erlaubt sei.
Quelle: ntv.de, mau/AFP