Ende des fixen Inflationsziels Kommt morgen die geldpolitische Wende?
26.08.2020, 16:54 Uhr
Das Jackson-Hole-Symposion wird zum ersten Mal nicht in dem Wintersportort in Wyoming stattfinden, sondern online.
(Foto: AP)
Seit Jahrzehnten richtet die Fed, wie andere Notenbanken auch, ihre Geldpolitik an einem festen Inflationsziel aus. Doch das verfehlt sie seit Jahren. Morgen, wenn Fed-Chef Powell das jährliche Notenbankertreffen eröffnet, erwarten viele, dass er einen historischen Strategiewechsel verkündet.
Fed-Chairman Jerome Powell wird am Donnerstag das diesjährige geldpolitische Symposium der Kansas City Fed eröffnen - besser bekannt als "Jackson Hole", denn normalerweise treffen sich die Notenbanker aus aller Welt in diesem Wintersportresort in Wyoming. Viele Beobachter erwarten, dass Powell bei dieser Gelegenheit einen "historischen" Schwenk hinsichtlich der Art und Weise signalisieren wird, in der die Fed über die Verfolgung von Inflationszielen denkt.
Die US-Notenbank prüft ihre Strategie, Werkzeuge und Kommunikation nun schon seit fast zwei Jahren. Und hin und wieder haben Fed-Offizielle Andeutungen über die mögliche Richtung einer zukünftigen Strategie gemacht. Auf dieser Grundlage prognostizieren viele Ökonomen, dass sich die Fed auf die Praxis der Preisniveausteuerung (Average Inflation Targeting - AIT) verlegen wird. Deren wichtigstes Merkmal ist, dass eine Notenbank Inflationsraten von über 2 Prozent zulassen würde, wenn die Inflation zuvor darunter gelegen hat.
Fed verfehlt Inflationsziel seit über einem Jahrzehnt nach unten
Die Fed verfehlt ihr Inflationsziel seit 2008 systematisch nach unten, was für sich genommen dafür spricht, dass ihre Geldpolitik nicht locker genug war. Allerdings konnte die Fed nicht zu jedem Zeitpunkt in dieser Periode ihren Leitzins weiter senken, weil sie negative Zinsen ablehnt. Und wiederholte Aussagen von Chairman Powell und anderen Fed-Offiziellen sprechen dafür, dass es dabei auch künftig bleiben wird.
Zum anderen hob die Fed ihre Zinsen zwischen 2016 und 2019 neunmal an, weil sie aufgrund der Arbeitsmarktentwicklung mit steigenden Inflationsraten rechnen musste. So wollte es ihre Strategie einer vorausschauenden Geldpolitik, die - anders als bei einem Preisniveauziel - zurückliegende Abweichungen nicht kompensieren konnte. Aber mit ihren Prognosen lag die Fed daneben, weil der von der Phillips-Kurve beschriebene Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation offenbar lockerer ist als früher.
Das Konzept der Preisniveausteuerung hätte nun den Vorteil, dass die Fed ihre Geldpolitik nicht mehr an ihren eigenen Prognosen, sondern an der tatsächlich gemessenen Inflation ausrichten könnte. Denn wie hoch die Inflation durchschnittlich war, weiß man erst hinterher. Ein Blick auf die vergangenen Jahre mit einer durchschnittlichen Inflation von 1,5 Prozent zeigt, was im Falle des skizzierten Strategiewechsels bevorstünde: Eine für lange Zeit sehr lockere Geldpolitik.
Commerzbank: Fed ändert im September ihre Forward Guidance
"Die gesamte Strategiedebatte läuft offenkundig darauf hinaus, die Leitzinsen auf absehbare Zeit bei null zu halten", schrieb Commerzbank-Volkswirt Bernd Weidensteiner in einem Kommentar. Sobald der Rahmen durch neue langfristige Ziele abgesteckt ist, werden sich laut Weidensteiner Änderungen in der Forward Guidance ergeben. "Im Ergebnis wird die Fed versprechen, die Zinsen so lange nicht zu erhöhen, wie das neue durchschnittliche Inflationsziel nicht erreicht ist", prognostiziert er. Er erwartet, dass die Fed ihr Statement bereits im September entsprechend anpassen wird.
Auch die Société Générale erwartet, dass die Fed eine "Durchschnittsinflation" in ihren geldpolitischen Handlungsrahmen integrieren wird, und dass die Forward Guidance unveränderte Zinsen bis zum Erreichen dieses Ziels in Aussicht stellen wird. Allerdings prognostiziert die Bank auch, dass die Fed ihre Politik weiterhin an einem "erwarteten Inflationspfad" ausrichten wird.
Zudem glauben nicht alle Beobachter, dass die Fed überhaupt einen formalen Strategiewechsel hin zu AIT vollziehen wird. So geht etwa die Bank of America davon aus, dass Powell lediglich signalisieren wird, dass die Fed über einen gewissen Zeitraum höhere Inflationsraten tolerieren würde. Diesen Ansatz hat sie in der Vergangenheit allerdings auch schon versuchsweise verfolgt - und zwar ohne Erfolg. Ein formaler Strategiewechsel wäre ein deutlich stärkeres Signal.
Ohne Inflationsanstieg nützt höhere Inflationstoleranz nichts
Damit diese oder eine weichere Strategie aufgehen, muss die Inflation allerdings erst einmal anziehen. Erst wenn sie das tut, wird es spannend. Denn dann muss die Fed beweisen, dass sie das Erbe des Inflationsbekämpfers Paul Volcker leugnen und höhere Inflationsraten über längere Zeit aushalten kann. Nur so ließen sich die Inflationserwartungen wieder in Richtung 2 Prozent heben. Volcker selbst hat diese Methode in den 1980er Jahren - mit dem entgegengesetzten Ziel - erfolgreich angewandt.
Allerdings konnte Volcker die Zinsen dazu im Prinzip grenzenlos erhöhen (und tatsächlich stürzte er die USA in eine Doppelrezession). Powell dagegen lehnt negative Zinsen ab. Beobachter erwarten, dass der Fed-Chairman in seiner Rede am Donnerstag auch einer Zinskurvenkontrolle eine Absage erteilen wird. Bleiben der Fed also noch Forward Guidance und Wertpapierkäufe. Bereits jetzt gibt es Spekulationen darüber, dass die Fed in einer neuen akuten Krisensituation Aktien kaufen könnte. Dazu müssten aber - anders als im Euroraum - die Gesetze geändert werden.
Quelle: ntv.de, Von Hans Bentzien, DJ