Konjunkturaussichten für Deutschland ZEW-Index steigt unerwartet stark
17.09.2013, 12:31 Uhr
Optimistische Konjunkturaussichten und ein Leitindex knapp unter Allzeithoch: Am deutschen Aktienmarkt stehen eigentlich alle Zeichen auf Grün.
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Kurz vor der Bundestagswahl hellen sich Konjunkturaussichten für Deutschland überraschend kräftig auf: Der Optimismus unter deutschen Börsenprofis ist offenbar ungebrochen. Analysten loten mögliche Wirkungen auf den anstehenden Urnengang aus.

Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung.
(Foto: picture alliance / dpa)
Es ist ein starker Impuls für Unternehmer, Volkswirte und Anleger: Der ZEW-Index des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) steigt von 42,0 im Vormonat auf aktuell 49,6 Punkte und damit auf den höchsten Stand seit April 2010. Im Vorfeld befragte Beobachter hatten lediglich mit einem Anstieg auf 46,0 gerechnet.
Das viel beachtete Stimmungsbarometer spiegelt die Konjunkturerwartungen von Finanzmarktexperten für die kommenden sechs Monate wider und basiert auf einer Umfrage unter 260 Großanlegern und Analysten. Die Beurteilung der aktuellen Lage hellte sich noch deutlicher um 12,3 Punkte auf 30,6 Zähler auf.
"Die Finanzmarktexperten sehen die deutsche Konjunktur weiter im Aufwind", teilten die Wirtschaftsforscher zum Ergebnis ihrer Umfrage mit. "Insbesondere die verbesserten Aussichten für die Eurozone sorgen dafür, dass der Konjunkturoptimismus der Experten zunimmt, obwohl die Wirtschaftszahlen für Deutschland zuletzt hinter den Erwartungen zurückblieben", kommentierte ZEW-Präsident Clemens Fuest die Daten.
Die Konjunkturerwartungen für die Eurozone sind den Angaben zufolge im September deutlich gestiegen. Der entsprechende Indikator gewinnt 14,6 Punkte gegenüber dem Vormonat und liegt nun bei 58,6 Punkten. Der Indikator für die aktuelle Konjunkturlage im Euroraum hat sich im September um 14,4 auf minus 59,7 Punkte verbessert.
Optimistischer als die Regierung?
Auch die Lage der heimischen Wirtschaft bewerteten die vom ZEW befragten Finanzmarktprofis besser als im Vormonat. Der entsprechende Indikator für Deutschland steigt überraschend deutlich um 12,3 auf 30,6 Punkte. Hier hatten Experten nur einen Anstieg auf 20,8 Punkte erwartet. Die deutsche Wirtschaft war nach einer Stagnation zu Jahresanfang im Frühjahr mit 0,7 Prozent kräftig gewachsen. Für das zweite Halbjahr rechnet das Bundeswirtschaftsministerium damit, dass sich das Wachstumstempo normalisiert.
An der Börse reagierten Anleger verhalten: Der starke Impuls einer unerwartet optimistischen Konjunktureinschätzung löste im Frankfurter Aktienhandel zunächst keine größeren Bewegungen auf. Der Leitindex Dax notierte am späten Vormittag nach Veröffentlichung des ZEW-Index weitgehend unbewegt bei 8590 Punkten knapp 0,3 Prozent im Minus. Der Kurs des Euro setzte seine zarte Erholungsbewegung fort und notierte am späten Vormittag 0,2 Prozent fester bei 1,3363 Dollar.
Die Sorgenkinder Europas
"Ich glaube nicht, dass die Wähler auf den ZEW- oder Ifo-Index schauen", meinte Unicredit-Analyst Andreas Rees mit Blick auf die zu erwartende Wirkung einflussreicher Konjunkturdaten. "Wichtiger für die Leute ist, was am Arbeitsmarkt passiert. Und da ist es die vergangenen Monate recht gut gelaufen. Wir hatten einen soliden Beschäftigungsaufbau."
Der wichtigste Faktor für steigenden Optimismus bei Ökonomen und bei Unternehmen sei, so Rees weiter, dass die Eurozone konjunkturell in Schwung komme. "Die Aufwärtsbewegung im Währungsraum wird in den nächsten Monaten weitergehen", hob der Volkswirt hervor. "Hier werden wir wohl auch die eine oder andere positive Überraschung erleben. Dafür könnten vor allem Frankreich, Italien und Spanien sorgen."
Rückenwind für Schwarz-Gelb?
"Die Zahlen sind besser ausgefallen als erwartet", fasste dagegen Postbank-Ökonom Thilo Heinrich seine Eindrücke zusammen. "Die Stimmungsaufhellung der Börsianer vor der Bundestagswahl ist deutlich. Generell gilt: Wenn es gut läuft in der Wirtschaft, ist das gut für die regierenden Parteien. Es gibt dann zumeist wenig Grund für die Wähler, etwas zu ändern." Insgesamt blieb Heinrich allerdings skeptisch. Der Währungsraum sei gerade erst aus der tiefen Rezession herausgekommen. "Die Erholung wird aus unserer Sicht ein zäher und langwieriger Prozess werden."
Auch Stefan Schilbe, Analyst bei HSBC Trinkaus, zeigte sich von dem unerwarteten ZEW-Anstieg beeindruckt: "Das waren schon ausgesprochen gute Zahlen. Die Erwartungen sind auf dem höchsten Stand seit April 2010. Das ist ein klares Signal, dass von der Stabilisierung der Eurozone auch die deutsche Wirtschaft profitiert. Zum Stimmungshoch beigetragen hat natürlich auch die gute Entwicklung der Aktienmärkte. Der Dax hat ja erst gestern ein Rekordhoch erreicht. Die harten Daten wie Industrieaufträge und Produktion waren zuletzt zwar nicht so gut ausgefallen. Doch die stabilere Euro-Zone und die Belebung der Weltwirtschaft signalisieren einen Aufschwung."
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts