Wirtschaft

"Leitzinsen nicht zu spät anheben" BIZ-Chef befürchtet neue Brandherde

Caruana ist seit 2009 BIZ-Generaldirektor.

Caruana ist seit 2009 BIZ-Generaldirektor.

(Foto: REUTERS)

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat vor zehn Jahren vor dem großen Crash gewarnt. Die Finanzmarktregulierung ist seitdem besser geworden. Aber Bankchef Caruana sieht durch die lange Niedrigzinsphase neue Probleme.

Jaime Caruana, Generaldirektor der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" noch einmal eindringlich davor gewarnt, trotz Wirtschaftsflaute mit der Normalisierung der Geldpolitik zu lange zu warten. Die Risiken einer zu langen Niedrigzinsphase werden nach seiner Ansicht nicht genug diskutiert. "Nach sieben Jahren mit sehr niedrigen Zinsen kann man sich schon fragen, ob das nicht Strukturprobleme sind, die mit niedrigen Zinsen nicht angegangen werden können." Je mehr Zeit vergehe, desto weniger wirksam sei die Geldpolitik, fügt der Chef der Welt-Zentralbank hinzu.

Die Folge sind laut Caruana Verzerrungen der Realwirtschaft und neue potenzielle Risiken für die Finanzstabilität. Dringend notwendige Strukturreformen würden durch billiges Geld verschleppt. Eine lange Zeit lockerer Geldpolitik mindere den Reformdruck.

Erste Nebeneffekte der langen Niedrigzinsphase sind dem Bankenchef zufolge bereits zu erkennen: So hat die Verschuldung der Bankensysteme zwar abgenommen, der Schuldenberg der G-20-Länder ist aber gestiegen. "Der Anreiz zum Schuldenabbau wird geringer", mahnt er. Ein weiteres Indiz dafür, dass der richtige Zeitpunkt für eine Zinsanhebung möglicherweise verpasst wurde, könnten auch die signifikanten Preisanstiege bei vielen Vermögenswerten sein.

Von einer Blase will der BIZ-Chef deshalb aber noch nicht sprechen. "Aber wir sollten das aufmerksam beobachten." Zentralbanken seien nicht nur dazu da, "Scherben einer Krise" wegzuräumen, sondern sich "schon im Vorfeld gegen das Entstehen einer Krise" aufzulehnen, so Caruana. Das sei eine Lektion, die man aus der Finanzkrise gezogen habe.

Bankenregulierung auf gutem Weg

Zufrieden äußert er sich im Interview dagegen mit den Lehren, die die Finanzwächter für die Bankenregulierung gezogen haben. Die Bankenrettung der gescheiterten Banco Espíritu Santo in Portugal habe Fortschritte gezeigt. Die Aktionäre und die nachrangigen Gläubiger hätten Federn lassen müssen. Früher war es so, dass sofort das Geld der Steuerzahler nötig war, sagt Caruano.

Das vollständige "Bail-in"-Verfahren sei erst 2016 einsatzbereit. Dann würden auch die vorrangigen Gläubiger nicht mehr von einem Schuldenschnitt verschont bleiben. Aus seiner Sicht haben die Regulierer hier ihre Hausaufgaben gemacht. "Immerhin konnte Espíritu Santo von den Behörden sehr schnell abgewickelt werden, indem die vorbereiteten Werkzeuge verwendet wurden", lobt der Banker.

Die Regulierung allein könne das Scheitern von Banken aber nicht verhindern, wie er anmerkt. Sie könne nur das Risiko mindern und dafür sorgen, dass die Bank schnell abgewickelt wird. Die Aufgabe der Bankenaufsicht sei es vor allem dafür zu sorgen, dass selbst im Falle eines Zusammenbruchs, "kein systemisches Risiko entsteht". Außerdem soll sie verhindern, dass der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird.

Auch der Banken- und Stresstest der Europäischen Zentralbank (EZB), dessen Ergebnisse erst im Oktober vorgelegt werden, habe schon Früchte getragen, stellt Caruana fest. "Die Banken haben sich mehr Kapital beschafft. Das ist schon vorab ein positives Ergebnis." Eine deflationäre Entwicklung muss nach seinen Worten derzeit nicht befürchtet werden. Auch hier habe die EZB die "langfristigen Erwartungen richtig verankert". Es sei auch nicht zu erkennen, dass die Verbraucher ihren Konsum hinauszögern, weil sie erwarten, dass die Preise runtergingen.

Die BIZ wurde vor annähernd 85 Jahren gegründet, um sich um die Abwicklung deutscher Reparationszahlungen zu kümmern. Heute gilt sie als "Zentralbank der Zentralbanken". Caruana hat langjährige Erfahrungen in der Finanzbranche, von 2000 bis 2006 war er spanischer Notenbankchef. Seit 2009 ist er BIZ-Generaldirektor. Schon seit Monaten weist Caruana darauf hin, dass die Zentralbanken vor allem Zeit gekauft haben. Daraus sollte die Politik nicht den Schluss ziehen, dass sie sich zurücklehnen kann.

Quelle: ntv.de

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