Wirtschaft

Reaktion auf die Ukraine-Krise? Russischer Stahlriese plant US-Rückzug

Stahlbleche für die US-Automobilindustrie: Blick in die Werkshallen bei Severstal North America am Standort Dearborn im US-Bundesstaat Michigan.

Stahlbleche für die US-Automobilindustrie: Blick in die Werkshallen bei Severstal North America am Standort Dearborn im US-Bundesstaat Michigan.

(Foto: REUTERS)

Ist es Zufall oder doch ein politisch motivierter Schachzug? Branchengerüchten zufolge will sich der Stahlgigant Severstal des russischen Oligarchen Mordaschow von seinen beiden Werken in Michigan und Mississippi trennen.

Denkt an das Geschäft: Alexej Mordaschow (Archivbild).

Denkt an das Geschäft: Alexej Mordaschow (Archivbild).

(Foto: REUTERS)

Der russische Stahlkocher OAO Severstal will sich offenbar ganz aus den USA zurückziehen. Das Unternehmen habe seine beiden Werke in Michigan und Mississippi zum Verkauf gestellt, war am Wochenende aus Branchenkreisen zu vernehmen.

Severstal fordere mindestens 1,5 Milliarden US-Dollar für die beiden Standorte. Angeblich hätten bereits zwei verschiedene Bieter Interesse angemeldet. Als potenzielle Käufer werden der US-Stahlkonzern US Steel und der brasilianische Wettbewerber Companhia Siderurgica Nacional SA (CSN) gehandelt. Der in Pittsburgh ansässige Konzern US Steel sei vor allem an dem Werk in Dearborn, Michigan, interessiert. Von dort werden Autobauer in Detroit beliefert.

Zu den Beweggründen für den Verkauf lagen zunächst keine Angaben vor. Beobachter spekulierten über rein unternehmerische Entscheidungen im Rahmen einer allgemeinen strategischen Neuausrichtung des russischen Konzerns, wollten aber auch politische Hintergründe nicht ausschließen. Zuletzt hatten sich die diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und den USA angesichts der Krise in der Ukraine deutlich abgekühlt.

Severstal liegt fest in der Hand von Konzernchef und Haupteigentümer Alexej Mordaschow. Der als "Stahloligarch" bekannte Milliardär wurde in Deutschland unter anderem auch als Großinvestor des Reisekonzerns Tui bekannt. Das US-Magazin "Forbes" schätzte das Privatvermögen des 1965 geborenen Geschäftsmannes zuletzt auf umgerechnet rund 10,1 Milliarden Dollar.

Mordaschow zählt zu jenem Kreis der russischen Finanzelite, der sich mit den politischen Rahmenbedingungen unter Moskaus starkem Mann Wladimir Putin offensichtlich sehr gut arrangieren konnte. Beobachter gaben Mordaschow Beinamen wie "Vorzeigeoligarch" oder "Putin-Liebling". Enge Beziehungen zwischen der Severstal-Führung und dem Kreml sind wahrscheinlich.

Von der Mine bis zum Autoblech

Auf Unternehmensseite sieht die Sache sehr viel nüchterner aus. Im Unterschied zu anderen Stahlkonzernen gilt Severstal als nahezu komplett "vertikal integriert" - das heißt, der Stahlkocher betreibt nicht nur Guß- und Walzwerke, sondern kontrolliert über eine Reihe an Tochterunternehmen auch den gesamten Herstellungsprozess vom Abbau der erforderlichen Rohstoffe in Minen bis zur Weiterverarbeitung zum fertigen Vorprodukt für Kunden in der Bau-, Maschinen- und Automobilindustrie.

Severstal hatte die Anlage in Dearborn im Jahr 2003 von Rouge Industries für 285,5 Millionen Dollar übernommen und seither mehr als 1 Milliarde in die Modernisierung investiert. Das Werk war vor einem Jahrhundert von Henry Ford gegründet worden und befindet sich in der Nähe einer der größten Fertigungsanlagen des Autobauers.

Das andere Severstal-Werk liegt in Columbus, Mississippi. Es handelt sich um eine sogenannte "Minimühle", die Stahl aus Metallschrott gewinnt. Sie liegt nach Angaben von Branchenkennern strategisch ungünstig für US Steel. Der Standort ließe sich nur schwer in die Liefer- und Produktionsabläufe integrieren. Für Severstal könnte sich ein Verkauf im Bündel oder getrennt durchaus lohnen.

Werke in der Ukraine

Experten halten das Werk in Columbus allerdings für den wertvolleren Vermögenswert. CSN hat nach Informationen aus Branchenkreisen Interesse an beiden Werken. Die Brasilianer waren jüngst beim Verkauf des ThyssenKrupp-Werks in Alabama nicht zum Zuge gekommen.

Bislang stand die Sparte "Severstal Nordamerika" für rund 25 Prozent des Konzernumsatzes. Der Bereich besaß damit für Severstal - zumindest im Vergleichsjahr 2012 - mehr Gewicht als die Rohstoffsparte mit allen Minentöchtern aus dem Erz- und Kohlebergbau.

Nach Unternehmensangaben sind bei Severstal rund 63.000 Menschen beschäftigt. Der in den russischen Aktienindizes Micex und RTS gelistete Stahlkonzern unterhält neben den heimischen Standorten und den beiden US-Werken noch Niederlassungen in der Ukraine, Lettland, Polen, Italien, Liberia und Brasilien.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ

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