Wirtschaft

Der nächste Patient Spanien macht Sorgen

Kaum ist Griechenland notversorgt, gilt die Sorge Spanien. Der IWF mahnt zur Haushaltsdisziplin und die Zentralbank muss eine Sparkasse retten. Steht hier der nächste Kollaps bevor?

Sorgenvolle Mienen in Madrid: Der Ibex rutschte zeitweise unter 9.000 Punkte.

Sorgenvolle Mienen in Madrid: Der Ibex rutschte zeitweise unter 9.000 Punkte.

(Foto: dpa)

Die Diagnose des Internationalen Währungsfonds für Spanien fällt verheerend aus: Ein dysfunktionaler Arbeitsmarkt, eine geplatzte Immobilienblase, ein großes Haushaltsdefizit, hohe Verschuldung der Privatwirtschaft, ein blutarmes Produktivitätswachstum, geringe Wettbewerbsfähigkeit und ein schwächelnder Bankensektor.

Der IWF mahnt dringend an, den verordneten Diätplan einzuhalten: Es sei von "entscheidender Bedeutung", dass Spanien seine Zielsetzungen bei der Verringerung des Haushaltsdefizits einhalte, erklärte der IWF nach seinen jährlichen Beratungen mit der spanischen Regierung. Vor allem auf dem Arbeitsmarkt und im Bankensektor seien Reformen nötig. "Der Arbeitsmarkt funktioniert nicht", hieß es mit Hinweis auf die hohe Arbeitslosenquote von über 20 Prozent und die zersplitterte Bankenlandschaft.

Reformwille alleine reicht nicht

An gutem Willen von Seiten der spanischen Regierung fehlt es nicht. Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero will trotz heftiger Kritik der Gewerkschaften am scharfen Sparkurs festhalten. "Ich weiß, dass es Widerspruch bei denen gibt, die die Meinung der Regierung nicht teilen, aber wir werden es nicht ändern", bekräftigte Zapatero am Wochenende. Der spanische Haushalt soll binnen drei Jahren um 65 Mrd. Euro entlastet werden. Geplant sind Lohnkürzungen bei Staatsbediensteten von durchschnittlich fünf Prozent sowie die Senkung von Sozialausgaben um 1,5 Prozent. Außerdem werde darüber nachgedacht, reichere Bürger um höhere Beiträge zur Reduzierung des Staatsdefizits zu bitten, kündigte Zapatero an.

Die Reform des Arbeitsmarktes steht noch aus, hier will man in den nächsten Tagen einen Plan festklopfen. Doch könnten die Gewerkschaften der Regierung einen Strich durch die Rechnung machen. Sie drohen bereits mit einem Generalstreik, sollten die Gewerkschaftsinteressen bei der Arbeitsmarktreform nicht genügend berücksichtigt werden. Besonders die Kürzung der Beamtenbezüge sorgt für Unmut.

Tumulte im Sparkassensektor

Der Sparkassensektor zieht die Aufmerksamkeit auf sich.

Der Sparkassensektor zieht die Aufmerksamkeit auf sich.

(Foto: REUTERS)

Als wäre dies alles noch nicht genug, musste die spanische Zentralbank an Pfingsten die Sparkasse CajaSur durch eine Übernahme retten. Nachdem der geplante Zusammenschluss mit dem Rivalen Unicaja gescheitert sei, sei das Überleben des Instituts gefährdet gewesen, hieß es zur Begründung. Nun erhält CajaSur Zugang zu dem milliardenschweren staatlichen Rekapitalisierungsfonds für die Bankenbranche. Der 99 Mrd. Euro schwere Fonds war im Juni 2009 aufgelegt worden. Kreisen zufolge sollen für CajaSur mindestens 500 Mio. Euro bereitgestellt werden. Außerdem soll das Geldhaus aus Cordoba mit frischer Liquidität versorgt werden.

Zuvor war das Pfingstwunder für das einzige von der katholischen Kirche kontrollierte spanische Geldhaus ausgeblieben. Der Vorstand um Bankpräsidenten Santiago Gomez Sierra, selbst ein Geistlicher, hatte der Unicaja einen Korb gegeben – eine Entscheidung, die für Empörung sorgte, die Wirtschaftszeitung "Expansion" sprach von "Selbstmord", Finanzexperten vermuten einen Zusammenhang mit der Tatsache, das Unicaja unter dem Einfluss der sozialistischen Regionalregierung von Andalusien steht.

Die geplatzte Fusion kommt denkbar ungünstig, denn die Sparkassen galten bereits zuvor als Schwachstelle des spanischen Bankensystems. Seit Jahren verlangen Experten, dass die mehr als 50 Geldinstitute auf die Hälfte reduziert werden. Kurz nach der Rettung von CajaSur gaben immerhin vier regionale Institute an, bestimmte Geschäftsbereiche zusammenlegen zu wollen. Die Caja de Ahorros del Mediterraneo, Cajastur, Caja de Extremadura und Caja Cantabrio wollen gegenseitig ihre Liquidität stärken. Gemeinsam kommt das Quartett nun auf Vermögenswerte von mehr als 135 Mrd. Euro und bildet damit die fünftgrößte Bankengruppe Spaniens.  

Europa sorgt sich

Auf dem europäischen Börsenparkett sorgten die Nachrichten aus Spanien für große Besorgnis. Der Euro tauchte in Richtung seines Vierjahrestiefs ab, der Ibex büßte mehr als vier Prozent ein. Der aus der Rettung CajaSurs entstandene Flurschaden in Form eines Vertrauensverlusts sei "immens", hieß es beim Bankhaus Metzler. Eine Bankenkrise in Spanien würde sich nicht auf das Land beschränken. "Die europäischen Finanzsysteme sind derart vernetzt, dass ein nationalstaatliches Problem immer auch den gesamten Euroraum betrifft", hieß es bei Assenagon Asset Management. Auch für deutsche Banken könne das brenzlig werden, immerhin hätten sie mit 165 Mrd. Euro in spanischen Investments auch erhebliche Beiträge im Feuer.

Befürchtet wird auch eine Rückkoppelung der Bankenkrise auf die Konjunktur – die ohnehin erstmal die staatlichen Sparprogramme verkraften muss. Zudem hält sich weiter die Sorge, ob das Euro-Rettungspaket ausreichen wird. "Gerade die Unsicherheit ist Gift", heißt es auf dem Parkett. Dementsprechend fällt auch die Prognose der IWF-Experten äußerst verhalten aus: Die Wirtschaftserholung im Lande dürfte sich "schwach und anfällig" gestalten. Da bleibt Europa nur zu hoffen, dass es wirklich irgendeine Erholung geben wird.

Quelle: ntv.de, sla/rts/DJ/dpa

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