Wirtschaft

75 Jahre "Soziallabor" Wolfsburg Wie Volkswagen eine Stadt gründete

Nach der Grundsteinlegung besichtigt Adolf Hitler (M.) am 26.05.1938 im Volkswagenwerk in der Nähe von Fallersleben einen Volkswagen "Käfer". Rechts neben ihm Ferdinand Porsche.

Nach der Grundsteinlegung besichtigt Adolf Hitler (M.) am 26.05.1938 im Volkswagenwerk in der Nähe von Fallersleben einen Volkswagen "Käfer". Rechts neben ihm Ferdinand Porsche.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wolfsburg ist keine "normale" Stadt: Sie ist nicht gewachsen, hat keine Hunderte Jahre alte Stadtgeschichte, sondern wurde extra für das VW-Werk gegründet. Das Werk des Autobauers gab und gibt in der Stadt den Takt vor. Nun wird die Stadt 75 Jahre alt.

Blick auf Wolfsburg mit der Wolfsburg (unten rechts), der Volkswagen Arena, der Autostadt und dem Volkswagenwerk.

Blick auf Wolfsburg mit der Wolfsburg (unten rechts), der Volkswagen Arena, der Autostadt und dem Volkswagenwerk.

(Foto: picture alliance / dpa)

Eine der jüngsten Großstädte Europas wird am 1. Juli 75 Jahre alt - Wolfsburg. Geht es um die niedersächsische Stadt, geht es fast immer auch um Volkswagen. Denn VW war der einzige Grund für die Stadtneugründung. Für die Arbeiter der geplanten Autofabrik mussten Wohnungen gebaut werden. Bis heute sind Stadt und VW mehr als bloß Nachbarn, eher vielleicht enge Verwandte.

Bereits 1937 hatten die Nationalsozialisten in Berlin das Volkswagenwerk gegründet, im Mai 1938 legte  Adolf Hitler dann den Grundstein für das Werk auf der grünen Wiese im heutigen Wolfsburg. Der Volkswagen - also der spätere Käfer - sollte dort in großer Stückzahl gefertigt werden. Unter dem sperrigen Namen "Stadt des Kraft-durch-Freude-Wagens bei Fallersleben" oder kurz "KDF-Stadt" folgte die Stadtgründung.

VW Vorzüge
VW Vorzüge 98,60

Viel mehr als 2200 Wohnungen in eher an Kasernen erinnernden Steinhäusern, etliche Baracken und einige kleine Dörfer waren es aber nicht, die dann 1945 den Namen Wolfsburg erhielten - benannt nach dem alten Schloss an der Aller.

"Erst die Entscheidung der britischen Militärregierung, die Käfer-Fertigung im Dezember 1945 anlaufen zu lassen, gab Unternehmen und Stadt neue Perspektiven", erläutert VW-Unternehmenshistoriker Manfred Grieger. In den 50er Jahren schaffte es der VW-Käfer zum Symbol des deutschen Wirtschaftswunders. Mit der Fabrik wuchs auch die Stadt. Mitte der 50er Jahre lebten bereits 54.000 Menschen dort.

Noch 1955, als der Millionste VW vom Band lief, hatte die Stadt weder Rathaus noch Bahnhof. "Arbeit und Einkommen gab die Fabrik nördlich des Mittellandkanals. Die Unterbringung der Belegschaft bildete aber lange Jahre ein zentrales Problem der Stadtentwicklung", erinnert Grieger. Heute stehen die Mietskasernen der Nazizeit und die typischen Flachdachbauten der Nachkriegszeit neben extravaganten Gebäuden von so berühmten Architekten wie Alvar Aalto oder Zaha Hadid.

Bis heute ist die Stadt für Soziologen, Politologen und Architekten auch Vorbild für deutschlandweite Trends. Ob es um Freizeit, Wohnen, Arbeit oder Stadtentwicklungen geht - Wolfsburg gilt als "Soziallabor": Die Vier-Tage-Woche in den 90er Jahren, eine in den vergangenen Jahren zurückgebaute Trabantenstadt oder der Strukturwandel von der Industriestadt zum touristischen Ziel sind einige Beispiele.

Die Autotürme von in der Autostadt von VW in Wolfsburg.

Die Autotürme von in der Autostadt von VW in Wolfsburg.

(Foto: picture alliance / dpa)

Derzeit gibt es rund 120.000 Wolfsburger. "Kaum eine Familie stammt tatsächlich von hier", sagt Michael Strauß vom städtischen Institut für Zeitgeschichte. Zunächst waren es Zwangsarbeiter und Flüchtlinge, die sich niederließen. Weil VW Arbeit und gute Löhne bot, kamen dann aus ganz Deutschland Menschen und ab 1962 Gastarbeiter aus Italien. "Die Stadt hat so viele Arbeitsplätze wie Einwohner", sagt der Historiker. 74.000 pendeln täglich in die Stadt.

Um Arbeitskräften Wolfsburg schmackhaft zu machen, hatte VW der Stadt schon 1951 das "VW-Bad" geschenkt, sich am Bau der Stadthalle und des Theaters beteiligt und selbst Kirchenbauten gefördert. Daraus entwickelte sich eine spezifische Stadtkultur: Ohne VW wäre der VfL kaum in der Fußball-Bundesliga. Und die VW-Autostadt holt jährlich internationale Künstler in die Stadt, um einige jüngere Beispiele zu nennen.

"VW war und ist ein Garant dafür, dass es Wolfsburg und der Region gut geht", sagt Oberbürgermeister Klaus Mohrs. Doch auch der Autoriese braucht Wolfsburg: "Beim Kampf um die besten Arbeitskräfte ist VW auf einen attraktiven Wohnort angewiesen", weiß der SPD-Politiker. Mit einem Sprung soll Wolfsburg nun drittgrößte Stadt Niedersachsens werden: Die kreisfreie Stadt möchte mit dem angrenzenden Landkreis Helmstedt fusionieren. VW hätte sicher nichts dagegen - längst ist die Stadt zu klein, viele der 50.000 in Wolfsburg arbeitenden VW-Beschäftigten leben im Kreis Helmstedt.

Quelle: ntv.de, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen