Missbrauchsprozess in BerlinFall Lisa hat juristisches Nachspiel

Im Januar 2016 behauptet die 13-jährige Lisa, sie sei verschleppt und vergewaltigt worden. Das stimmt nicht, die Polizei findet aber heraus, dass die Russlanddeutsche lange vor ihrem Verschwinden Sex mit einem Mann hatte. Der muss sich nun verantworten.
Die Geschichte klang unglaublich: Ein russlanddeutsches Mädchen aus Berlin-Marzahn verschwindet von zuhause und taucht erst 30 Stunden später wieder auf. Der Polizei erklärt die Schülerin, sie sei von drei südländisch aussehenden Männern verschleppt und vergewaltigt worden.
Der "Fall Lisa" wird zum Politikum. Hunderte Russlanddeutsche demonstrieren in Berlin. Der russische Außenminister Sergej Lawrow mischt sich Anfang 2016 ein und wirft deutschen Behörden vor, den Fall verheimlicht zu haben. Im Internet werden Verschwörungstheorien und fremdenfeindliche Hetze gegen Flüchtlinge verbreitet. In Berlin kommt es sogar am Kanzleramt zu Protesten. Der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wirft Moskau vor, den Fall für politische Propaganda zu nutzen.
Doch dann gibt es eine überraschende Wende. Denn die Vergewaltigung war erfunden. Die Ermittler hatten herausgefunden, dass sich das Mädchen wegen Problemen in der Schule nicht nach Hause getraut und Unterschlupf bei einem Bekannten gesucht hatte. Das belegten Handydaten. Gegen diesen Mann gab es aber keine Ermittlungen.
Nun muss sich jedoch ein 24-Jähriger vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs sowie der Herstellung kinderpornografischer Schriften verantworten. Er soll vor dem Verschwinden des Mädchens einvernehmliche sexuelle Kontakte zu der damals 13-Jährigen in seiner Wohnung gehabt haben - aber unabhängig vom ursprünglichen Fall.
Der jetzt Angeklagte geriet im Zuge der Ermittlungen zu der vermeintlichen Vergewaltigung in den Fokus. Weil die Schülerin jünger als 14 Jahre alt war und er das auch wusste, ist auch der freiwillige Sex strafbar. Der 24-Jährige soll einen sexuellen Kontakt zugegeben haben. Vorgesehen ist nur ein Verhandlungstag.