Panorama

Urlaub ohne Gewissensbisse Reiseanbieter waschen sich grün

Wanderungen durch den Regenwald gehören zum Programm von Öko-Reiseanbietern - das haben auch schon William und Kate in Borneo ausprobiert.

Wanderungen durch den Regenwald gehören zum Programm von Öko-Reiseanbietern - das haben auch schon William und Kate in Borneo ausprobiert.

Die Reisebranche entdeckt die wachsenden Gewissensbisse der reisefreudigen Deutschen für sich. Kaum ein Anbieter kommt ohne grüne Angebote aus. Doch darüber, was wirklich nachhaltig ist, gehen die Meinungen auseinander.

Touristen nutzen das Handtuch im Hotel häufiger als einmal, nach einem Langstreckenflug spenden sie auch mal in Klimaschutzprojekte. Wie es den Menschen in Urlaubsorten geht, darüber haben viele zumindest schon mal nachgedacht. Für solche Einstellungen steht der Tourismus der Zukunft - grüner, gerechter, nachhaltiger. Das ist zumindest eine der Botschaften der Reisemesse ITB.

Der grüne Tourismus hat die Nische verlassen, Angebote gibt es in jeder Messehalle: Sei es umweltfreundlicher Wanderurlaub in Vietnam - in enger Kooperation mit dem den Gemeinden vor Ort und garantiert ohne Zusatzkosten. Oder Öko-Zelturlaub unweit der indischen Mahabodi-Tempel - aber natürlich mit fließend Wasser und eigenem Bad.

"Das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun", sagt Kritiker Jörn Mundt. Denn dafür dürften nur so viele Ressourcen verbraucht werden wie gleichzeitig nachwachsen. Der Ravensburger Tourismusprofessor meint: "Die Unternehmen kleben sich ein schönes Etikett an." Hinter den wolkigen Versprechen der Branche stecke wenig, allenfalls ein etwas umweltfreundlicherer Urlaub.

Auch deutsche Urlaubsregionen machen grüne Angebote

Dieser ist immerhin 40 Prozent der Deutschen wichtig - neun Prozentpunkte mehr als im vergangenen Jahr, wie die FUR-Reiseanalyse ergab. Das bedeute aber längst nicht, dass ebenso viele Urlauber entsprechend buchen, schränkt Reinhard Meyer, Präsident des Deutschen Tourismusverbandes, ein. Doch auch die Ferienregionen in Deutschland hätten das Thema entdeckt: "Das reicht von der CO2-armen Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln über den Bauernhof mit Solaranlage bis zu regionalen Bioprodukten zum Frühstück."

Soziale und ökologische Verantwortung sei ein Schlüsselthema für die Branche, meint Messedirektor Martin Buck. "Die Nachfrage in diesem Segment wird in den nächsten Jahren steigen." 77 Prozent der Deutschen bevorzugen umweltfreundliche Unterkünfte, ergab eine Umfrage im Auftrag des größten deutschen Reiseveranstalters Tui.

Experte Mundt hält von der Sicht des Tourismus als Problemlöser wenig. Gegen die globalen Klimaprobleme könnten Touristen aus den Industrieländern wenig ausrichten. "Der Tourismus ist bei dem Thema ein ganz kleiner Randbereich." Er verweist auf die gigantische Umweltverschmutzung etwa durch die Industrie, vor allem in den Schwellenländern.

Wanderungen im Regenwald oder Schlittenhundefahrten

Das hat 140 Reiseveranstalter nicht abgehalten, sich dem schon 15 Jahre alten Verein "forum anders reisen" anzuschließen. Ihr Leitbild für den Urlaub: ökologisch tragbar, wirtschaftlich machbar, ethisch und sozial gerecht. Die Palette reicht von Wanderungen zu Flachlandgorillas im Kameruner Regenwald über Schlittenhundefahrten in Schweden bis zu Rundflügen auf den Spuren der Inka in Peru.

"Bisher gibt es leider keine technische Lösung, um umweltschonend fliegen zu können", heißt es lapidar im Katalog. Doch da liegt eine der Achillesfersen: Reisen ohne ökologischen Fußabdruck ist praktisch unmöglich. So warnen Umweltorganisationen erst zur ITB wieder vor der Zerstörung der deutschen Lieblingsinsel durch Müll und Neubauten auf Mallorca.

Nachhaltigkeit können Touristen einfach nicht erreichen, meint Mundt. "Wer das will, muss zu Hause bleiben und die Heizung abstellen." Doch dafür sei der Tourismus weltweit ein zu großer Wirtschaftsfaktor. "Als Kunde sollen sie sich erholen und sich des Lebens freuen." Der Widerspruch ist kaum aufzulösen, wie der Titel einer ITB-Podiumsdiskussion: "Reisen für alle - sozial, ökologisch, barrierefrei".

Quelle: ntv.de, Burkhard Fraune, dpa

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