Arbeitsagentur bestreitet Druck Bufdi-Dienst soll geprüft werden
10.02.2012, 12:33 Uhr
Der Bundesfreiwilligendienst boomt. Die Sozialverbände fordern sogar von der Politik, die Anzahl der Stellen aufzustocken.
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Die Sozialverbände Caritas, Deutsches Rotes Kreuz und Co. können sich vor Bewerbern für den Bundesfreiwilligendienst kaum retten. Politiker mahnen, Arbeitslose dürften von Jobcentern nicht zur Teilnahme gezwungen werden. Die Arbeitsagentur bestreitet, dass es einen solchen Druck gibt.
Die Nachfrage nach dem Bundesfreiwilligendienst (BFD) ist so groß, dass nur die Hälfte der Bewerber einen der 35000 vom Bund finanzierten Plätze erhält. Die Träger fordern deshalb eine Aufstockung. Doch die Parteien im Bundestag, die einer Erweiterung des Budgets zustimmen müssten, erteilen diesem Wunsch derzeit eine Absage. Sie wollen die Erfahrungen mit dem neuen Dienst zunächst evaluieren, auch um etwaige Schwächen gezielter beheben zu können.
Es gehe um Qualität und nicht um Quantität, daher müsse man den Erfolg zunächst analysieren, sagt Florian Bernschneider, FDP-Fraktionssprecher für Jugendpolitik. Grünen-Politiker Ulrich Schneider sieht das ähnlich: "Es ist unbestritten, dass der BFD gut angenommen wird. Trotzdem müssen wir erst überprüfen, welche Erfahrungen gemacht werden und inwiefern vielleicht noch Nachbesserungen nötig sind." So müsse man etwa herausfinden, welche Rolle die Arbeitsämter bei der Vermittlung der BFD-Stellen gespielt hätten. "Es ist gut, wenn dort auf das Angebot hingewiesen wird, aber es darf kein Druck ausgeübt werden daran teilzunehmen", mahnt Schneider. Genau hier sieht er eine potenzielle Nische und das Risiko, dass "der Dienst, der eigentlich ein freiwilliger sein soll", gar nicht freiwillig angetreten wird. Näher wollte sich der Grünen-Politiker dazu nicht äußern.
Ilona Mirtsin, Sprecherin der Bundesarbeitsagentur in Nürnberg, widerspricht einer solchen Praxis in den Vermittlungsgesprächen zwischen Jobcenter-Beratern und Arbeitslosen. "Der Freiwilligendienst wird höchstens vorgeschlagen, aber die Arbeitslosen müssen dieses Angebot ganz sicher nicht annehmen." Genaue Zahlen, wie viele Teilnehmer über die Arbeitsagenturen in den BFD vermittelt worden seien, sollen erst im August 2012 vorliegen. Empfänger von Hartz-IV-Leistungen können als so genannte Bufdis noch bis zu 175 Euro hinzuverdienen. Weil sie mehr als 15 Stunden in der Woche arbeiten und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, rutschen sie aus der Arbeitslosenstatistik heraus.
Jeder Zehnte ist älter als 50
Derzeit sind 30.569 Bufdis im Dienst, 34.854 Verträge wurden bereits unterschrieben. 25 Prozent der Teilnehmer sind älter als 27 Jahre, 10 Prozent über 50. Eine genaue Untersuchung über die ersten Erfahrungen mit dem neuen BFD will das zuständige Bundesamt für zivilgesellschaftliche Aufgaben (Bafza) aber erst 2013 vorlegen.

Ulrich Schneider ist Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands.
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Ulrich Schneider, Geschäftsführer vom Paritätischen Wohlfahrtsverband und nicht identisch mit dem Grünen-Abgeordneten, ist erfreut über die Entwicklung des BFG. "Wir hatten erst im Sommer damit gerechnet, dass die 35.000-Marke erreicht wird." Der Dienst habe ein "wahnsinniges Potenzial". So könnten junge Menschen die Zeit zwischen Schule und Abitur nutzen, um sich beruflich zu orientieren. Auch wegen der doppelten Abiturjahrgänge in einigen Bundesländern sei der Bedarf groß. Schneider sagt: "Wir gehen davon aus, dass die Politik diese Notwendigkeit erkennt und die Zahl der Stellen im kommenden Jahr aufstockt." Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat 3700 Bufdis, etwa 20 Prozent über 50 Jahre alt. "Wir achten genau darauf, dass wir es nur mit echten Freiwilligen zu tun haben", so Schneider. "Die Arbeit muss Spaß machen, sonst macht das keinen Sinn."
Laut einer Umfrage unter den größten Trägern besteht jedoch weiterhin ein erheblicher Bedarf an etwa zusätzlichen 10.500 Stellen. "Man darf die Engagementbereitschaft von Menschen jeglichen Alters nicht abwürgen", sagt Martin Schulze, Sprecher der Evangelischen Freiwilligendienste. Dieter Schütz vom Deutschen Roten Kreuz sagt: "Wir könnten fast doppelt so viele Stellen besetzen, wie wir zur Verfügung haben." Das DRK, bei dem alle 2500 Plätze besetzt sind, führt bereits Wartelisten mit Nachrückverfahren.
Bundestag muss zusätzliche Stellen beschließen
Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben verhängte inzwischen einen Einstellungsstopp, der von kommendem Mittwoch an gilt. Im Haushalt 2012 sind 250 Millionen Euro für den BFD eingeplant. "Für einen Ausbau brauchen wir mehr Geld. Innerhalb unseres Haushalts können wir nichts umschichten. Deshalb müsste die Initiative vom Bundestag ausgehen", erklärt Hanno Schäfer, Pressesprecher des Bundesfamilienministeriums. Laut Bafza-Sprecher Peter Schlossmann würden jedoch, auch aufgrund der variablen Laufzeit, immer wieder Plätze frei. So liefen in Kürze die Verträge der ersten Bufdis aus, die im Juli 2011 ihren Dienst begonnen hätten. Auch zum Sommer gebe es wieder viele neue Plätze.
Der BFD war am 1. Juli gestartet und an die Stelle des Zivildienstes getreten, der mit der Aussetzung der Wehrpflicht weggefallen war. Daneben existieren weiterhin das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ). Stellen für Bufdis gibt es in sozialen, kulturellen oder ökologischen Einrichtungen. Bewerben kann sich jeder, egal ob jung oder alt, Mann oder Frau. Eine Altersbeschränkung gibt es nicht. Die Dauer des Dienstes kann zwischen 6 und 24 Monate umfassen. Wie viel die Freiwilligen verdienen, ist Verhandlungssache. Maximal können sie ein Taschengeld von 330 Euro monatlich bekommen. Außerdem übernimmt die Einsatzstelle die kompletten Sozialversicherungsbeiträge.
Quelle: ntv.de, mit dpa