Politik

"Gaddafis Verbrechen gehen weiter" Chefankläger beantragt Haftbefehl

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs beantragt einen internationalen Haftbefehl gegen den libyschen Machthaber Gaddafi. "Gaddafi hat die Verbrechen verübt, um seine Macht zu sichern", sagt Chefankläger Moreno-Ocampo. Libyen kritisiert dagegen das UN-Tribunal als "Baby der Europäischen Union, um afrikanische Führer zu verfolgen".

Gaddafi wird sich kaum freiwillig dem Tribunal stellen.

Gaddafi wird sich kaum freiwillig dem Tribunal stellen.

(Foto: REUTERS)

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag hat internationale Haftbefehle gegen den libyschen Machthaber , seinen Sohn Saif al-Islam sowie Geheimdienstchef Abdullah Senussi beantragt. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, darunter Morde, Folter, die Verfolgung unschuldiger Menschen und Vergewaltigungen.

"Diese Verbrechen gehen weiter, während wir versammelt sind", sagte Chefankläger Luis Moreno-Ocampo in Den Haag. "Gaddafi hat die Verbrechen verübt, um seine Macht zu sichern." Die Verdächtigen sollen vor allem für blutige Überfälle von Sicherheitskräften auf friedliche Demonstranten sowie die Tötung von Zivilisten bei Angriffen seiner Truppen auf regierungsfeindliche Rebellen verantwortlich sein.

500 bis 700 Demonstranten getötet

Der Chefankläger begründete die Haftanträge in einem mehr als 70 Seiten umfassenden Dossier mit von der Staatsanwaltschaft zusammengetragenem Beweismaterial. Die Akte wurde den drei Richtern der für Prüfungskammer des IStGH übergeben. Erst wenn sie entscheiden, dass die Vorwürfe hinreichend belegt sind und einen Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit rechtfertigen, können die Haftbefehle tatsächlich ausgestellt werden.

Die Staatsanwaltschaft wirft Gaddafi und den anderen Verdächtigen persönliche strafrechtliche Verantwortung für die Tötung von mindestens 500 bis 700 Demonstranten vor. Sie legt ihnen zudem den Einsatz schwerer und teils sogar verbotener Waffen - speziell Splitterbomben - gegen Zivilisten sowie gezielte Vergewaltigungen als Mittel zur Einschüchterung der Bevölkerung zur Last.

Der UN-Sicherheitsrat in New York hatte dem Haager "Weltstrafgericht" das Mandat für Ermittlungen im Libyen-Konflikt am 26. Februar einstimmig erteilt. Bereits am 4. Mai berichtete Moreno-Ocampo dem höchsten politischen Entscheidungsgremium der Weltorganisation, er habe ausreichendes Beweismaterial. "Es wird in Libyen keine Straflosigkeit geben", versprach der Chefankläger.

Libyen wehrt sich

Die libysche Führung in Tripolis hatte zuvor bereits angekündigt, einen möglichen Strafbefehl gegen Machthaber Gaddafi zu ignorieren. Das UN-Tribunal mit Sitz in Den Haag sei ein "Baby der Europäischen Union (EU), um afrikanische Führer zu verfolgen", sagte der stellvertretende Außenminister Chalid Kaim in Tripolis, wie libysche Staatsmedien berichteten.

Gaddafis Regime nennt das Tribunal ein "Baby der EU".

Gaddafis Regime nennt das Tribunal ein "Baby der EU".

(Foto: REUTERS)

Außenminister Guido Westerwelle begrüßte den Antrag auf internationalen Haftbefehl gegen Gaddafi. "Ein Mann, der einen Krieg gegen das eigene Volk führt, der muss sich auch verantworten", sagte Westerwelle bei einem Besuch in Marrakesch. "Das ist genau der richtige Weg, der von den Vereinten Nationen jetzt beschritten wird."

Westerwelle verwies auf "eine ganze Anzahl von Beispielen" dafür, dass solche Haftbefehle auch zu einem Prozess vor dem Internationalen Gerichtshof führen könnten. "Darauf haben wir Deutsche auch gedrängt", sagte der ehemalige FDP-Vorsitzende, der sich zu einem dreitägigen Besuch in Marokko aufhält. "Dass es jetzt international seinen rechtsstaatlichen Weg nimmt, das begrüßen wir."

Schiffe mit Sprengstoff gestoppt

Die NATO wehrte unterdessen nach eigenen Angaben einen Angriff von zwei kleinen Schiffen Gaddafis ab. Eines der Boote sei mit Sprengstoff beladen gewesen, teilte die NATO in einer Erklärung in Brüssel mit. Die Schiffe seien in Richtung Misrata unterwegs gewesen. Die Küstenstadt wird seit mehr als zwei Monaten von Gaddafis Truppen belagert. Die NATO habe ihrerseits Kriegsschiffe und Hubschrauber in Richtung der Boote geschickt, woraufhin eines umgekehrt sei und das andere gestoppt habe. Minenspezialisten entdeckten auf einem der Schiffe rund eine Tonne Sprengstoff.

Die NATO erklärte, dies sei ein Beweis dafür, dass Gaddafis Truppen Hilfs- und Handelsschiffe auf dem Weg nach Misrata bedrohen wollten. Die Regierungstruppen versuchten, "Zivilisten zu verletzen oder NATO-Boote anzugreifen". Erst vor einigen Wochen hatten die libyschen Rebellen den Gaddafi-Truppen vorgeworfen, aus Helikoptern Seeminen im Hafen von Misrata gelegt zu haben. Die Regierungstruppen versuchen, die Stadt zu isolieren.

In der libyschen Hauptstadt Tripolis waren erneut drei schwere Explosionen zu hören. Die Explosionen ereigneten sich im Viertel Bab al Asisija, wo sich Gaddafis weitläufige Residenz befindet, berichtete ein Augenzeuge. Die Detonationen waren demnach auch in dem Hotel zu spüren, in dem die ausländischen Journalisten untergebracht sind. Die NATO hatte in den vergangenen Wochen wiederholt Angriffe auf das Gebiet geflogen, in dem sich Gaddafis Residenz befindet.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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