Bayerns Innenminister unter Druck FDP will Staatstrojaner abschaffen
12.10.2011, 21:18 Uhr
Fraktionsmitglieder der Grünen im bayerischen Landtag demonstrieren gegen Innenministers Hermann.
(Foto: dpa)
Die Opposition im bayerischen Landtag wirft Innenminister Herrmann im Zusammenhang mit dem Einsatz von sogenannten Staatstrojanern Falschaussagen vor und fordert dessen Rücktritt. Herrmann weist das zurück. Die FDP-Bundestagsfraktion hinterfragt gleich ganz den staatlichen Einsatz von Spähsoftware.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gerät wegen des umstrittenen Einsatzes von Spähsoftware unter Druck. Die Grünen warfen CSU-Politiker Herrmann im Münchner Landtag Falschaussagen vor und legten ihm den Rücktritt nahe. So sei die Erklärung des Ministers, dass mit den Trojanern nicht die komplette Festplatte der betroffenen Rechner ausgeforscht werden konnte, laut Chaos Computer Club falsch. "Wenn das so ist - das wird die Aufklärung bringen - dann müssen Sie Ihren Hut nehmen", sagte Grünen-Innenexpertin Susanna Tausendfreund.
Die FDP stellt den Einsatz staatlicher Programme zum Ausspähen von Computern grundsätzlich in Frage. Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, sagte in Berlin, es stelle sich die Frage, ob die Verwendung von Staatstrojanern nach dem aktuellen Stand der Technik überhaupt zulässig sei. Wenn sich bestätige, dass die Software mehr könne als verfassungsrechtlich erlaubt sei, sei der Einsatz "ohne Wenn und Aber" rechtswidrig gewesen. "Ein weiterer Einsatz dieser Software ist damit in Zukunft undenkbar", sagte sie.
Streit in der Regierung
Dagegen hatten Vertreter von Bundessicherheitsbehörden erklärt, sie wollten an Trojanern für die Überwachung von Computern festhalten. Der Bund verwende Software, die genau auf ihren zuvor definierten Zweck ausgerichtet und somit rechtens sei. Das Bundesfinanzministerium erklärte dies auch für den Zoll. Allerdings räumte die Bundesregierung den Einsatz von Spionagesoftware bei den Zollbehörden in 16 Fällen ein. Der Zoll habe dabei "in einem engen rechtlichen Rahmen und nur zur Überwachung von verschlüsselten Telefonaten einen Trojaner verwendet", sagte der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Kotthaus.
Im Jahr 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem grundlegenden Urteil ein Grundrecht auf Schutz des persönlichen Computers geschaffen und hohe Hürden für Online-Durchsuchungen - also die Durchsuchung der Festplatte - gesetzt.
Der Einsatz von umstrittener Spionagesoftware durch staatliche Ermittlungsbehörden sorgte auch für heftigen Streit innerhalb der Bundesregierung sowie der schwarz-gelben Koalition. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger fordert vom Innenressort Vorschläge zur Änderung des Bundeskriminalamt-Gesetzes, um die Privatsphäre und den Grundrechtsbereich besser zu schützen. Leutheusser-Schnarrenberger lobte zugleich die Ankündigung des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann, auf den Einsatz der Software zunächst zu verzichten. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich warf Leutheusser-Schnarrenberger dagegen vor, Ermittler unter "Generalverdacht" zu stellen. Der CSU-Politiker rief die Bundesländer trotzdem auf, die umstrittene Software nicht mehr zu verwenden.
Nach den Worten des Abteilungsleiters im Bundeskanzleramt, Günter Heiß, sind die Ermittler gehalten, die Spionage-Software in ihren Fähigkeiten auf jenes Maß zu reduzieren, das die Gerichte vorgegeben haben. "Jene Behörden, die die Programme nutzen, müssen die Software für jeden einzelnen Zugriff zuschneiden, dass es im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zulässig ist", sagte Heiß den "Stuttgarter Nachrichten".
Herrmann: "Maßlose Unterstellungen"
Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem, der 2008 am Karlsruher Urteil zur Online-Durchsuchung mitgewirkt hatte, sagte der "Augsburger Allgemeinen": "Wenn der Staat eine Software einsetzt, die eine Ausspähung des Computers oder gar den Missbrauch durch Dritte ermöglicht, ist der Einsatz verfassungswidrig."
Der Chaos Computer Club (CCC) hatte die Version eines Trojaners zum Abhören von verschlüsselten Telefonaten über das Internet angeprangert. Nach den Erkenntnissen des Clubs kann die Software mehr als sie darf - bis hin zur äußerst sensiblen Online-Durchsuchung - und hinterlässt auf dem Computer des Betroffenen gravierende Sicherheitslücken, die Dritte ausnutzen könnten.
Die kritisierte Software wurde auch in Bayern eingesetzt. Herrmann und Justizministerin Beate Merk (CSU) wiesen die Vorwürfe der Opposition gleichwohl zurück, Herrmann sprach von "maßlosen Unterstellungen". Der Chaos Computer Club (CCC) habe gar nicht behauptet, dass die Installation des bayerischen Trojaners eine Ausforschung der gesamten Festplatte möglich gemacht habe.
Einsatz auch in Bremen bestätigt
Zusätzlich zu den fünf Fällen von Online-Überwachung durch das LKA habe der Verfassungsschutz dreimal Trojaner eingesetzt, um Islamisten zu überwachen. Alle drei Fälle seien der Kontrollkommission des Landtags vorgelegt und genehmigt worden. Auch in Bremen hatte die Polizei 2007 in einem Fall ein Programm zum Ausspähen von Computern eingesetzt, wie ein Polizeisprecher bestätigte. Das Programm sei bei Ermittlungen in einem Strafverfahren wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung genutzt worden.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer von de CSU sicherte Aufklärung zu: "Wir gehen da ran mit voller Offenheit und Transparenz." Der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri kritisierte, dass klare Regeln zur Online-Überwachung sowohl im Strafrecht des Bundes als auch im bayerischen Polizeiaufgabengesetz fehlen. Herrmann forderte eine schnelle rechtliche Klärung durch den Bund.
Die Grünen kritisierten die Informationspraxis der Bundesregierung im Zuge des Trojaner-Einsatzes und forderten eine umfassende Aufklärung. Bisher habe sie versucht, den Eindruck zu erwecken, sie habe rein gar nichts mit den Vorgängen zu tun, sagte der Netzpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz.
Angesichts der Unsicherheit über die Rechtmäßigkeit der Späh-Software fordern Ermittler einen klaren Rechtsrahmen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, sagte der "Passauer Neuen Presse": "Es muss endlich für den Bereich der Onlineüberwachung klare verbindliche Regelungen geben. Die Bundesjustizministerin muss die gesetzlichen Lücken schließen."
Quelle: ntv.de, dpa