Handschlag statt Küsschen Hollande auf Blitz-Besuch in Berlin
15.05.2012, 20:01 Uhr
Beim Empfang mit militärischen Ehren vor dem Kanzleramt in Berlin.
(Foto: dpa)
In all den Jahren ihrer politischen Karriere sahen sich Kanzlerin Merkel und Frankreich neuer Präsident Hollande noch nie. Jetzt sollen sie laut Vertrag sogar Freunde werden. Vielleicht bricht das Wetter das Eis zwischen beiden, denn Hollande wird vergessen müssen, dass er für Merkel nicht erste Wahl war. Die Begrüßung ist dann auch etwas unterkühlt.
Der erste Amtstag des neuen französischen Präsidenten François Hollande war eher von schlechtem Wetter als großen politischen Ereignissen gekennzeichnet. Morgens, gleich nach der Amtseinführung, bei der Fahrt über die Champs-Elysées mit offenem Verdeck, prasselte Frankreichs neuem Präsidenten der Regen ins Gesicht. Und dann, beim ersten Flug mit der Präsidentenmaschine nach Berlin, schlug sogar der Blitz ein. Hollande musste kehrt machen und in ein Ersatzflugzeug umsteigen. Bundeskanzlerin Angela Merkel saß derweil im Kanzleramt und wartete auf den Sozialisten.
Nach Angaben aus Regierungskreisen in Berlin landete Hollandes Maschine gegen 19.15 Uhr und damit knapp eine Stunde später als geplant. Hollande war ohnehin schon mit rund 40-minutiger Verspätung gegenüber dem ursprünglichen Zeitplan gegen 17.15 Uhr abgeflogen. Entsprechend verzögerten sich auch die Gespräche im Kanzleramt. Mit Merkel wollte er über den Spar- und Wachstumskurs in Europa sprechen.
Gleich bei der Begrüßung in Berlin wurden erste Unterschiede deutlich. Bei der ersten Begegnung vor dem Kanzleramt beließ es Merkel bei einem klassischen Händedruck. Vorgänger Nicolas Sarkozy hatte stets Wangen-Küsschen bekommen, wie sie in Frankreich üblich sind. Anschließend schritten Merkel und Hollande eine Ehrenformation der Bundeswehr ab.
Am Vormittag hatte der 57-jährige Hollande im Elysée-Palast den Deutschland-Kenner und langjährigen Chef der Sozialisten im Parlament, Jean-Marc Ayrault zum neuen Premierminister ernannt.
Ein Sozialist im Elysée-Palast

Vor dem Palast hatten sich Hunderte junge Sarkozy-Fans versammelt und riefen: "Merci Nicolas."
(Foto: dpa)
Bei der Zeremonie zum Amtsantritt im Präsidentenpalast übergab zunächst der bisherige konservative Präsident Nicolas Sarkozy den Code für die französischen Atomwaffen an seinen Nachfolger. Die Frauen der beiden Politiker, Carla Bruni-Sarkozy sowie die neue "First Lady" Valérie Trierweiler, führten parallel dazu ein eigenes, längeres Gespräch. Danach verabschiedeten sich die Sarkozys aus dem Elysée-Palast.
Hollande rief die Franzosen nach der Amtsübernahme in einer kurzen Ansprache zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung auf. Er verwies auf "die Last der Zwänge" für Frankreich, von der Verschuldung über ein schwaches Wachstum und eine hohe Arbeitslosigkeit bis hin zur Krise im Euro-Raum. All dies sei aber kein unabwendbares "Verhängnis", so lange alle zusammen an einer Lösung arbeiteten und die Richtung klar festgelegt sei. In Europa müsse es neben dem "notwendigen Schuldenabbau" auch eine "Ankurbelung der Wirtschaft" geben.
Hollande holt sich Ayrault
Der 62-Jährige Sozialist und Deutschland-Kenner Ayrault war von Hollande zum neuen Regierungschef ernannt worden. Das teilte der frisch ernannte Generalsekretär im Präsidialamt, Pierre-René Lemas, in Paris mit. Ayrault gilt als Vertrauter des neuen Präsidenten. Er studierte ein Semester in Würzburg und spricht fließend Deutsch.
Der langjährige Fraktionschef der Sozialisten in der Nationalversammlung gilt zudem als pragmatischer Vertreter einer eher sozialdemokratischen Politik. Der Bürgermeister der westfranzösischen Stadt Nantes, der auf den konservativen Politiker François Fillon folgt, hatte noch kein Regierungsamt. Die Zusammensetzung der neuen Regierung soll am Mittwoch bekanntgegeben werden.
Hollande will ein schlichter Präsident sein
François Hollande, der den Franzosen versprochen hat, auch als Präsident "normal" bleiben zu wollen, hob in seiner Ansprache im Elysée-Palast hervor, dass er sein Amt mit "Würde" und "Schlichtheit" ausüben wolle. Bei allen Entscheidungen soll die Frage gestellt werden, ob dies "gerecht" sei. Er nannte unter anderem Arbeitsplätze statt "kurzfristiger Profite" als Ziel. Frankreich brauche "Beruhigung", "Versöhnung" und "Zusammenhalt".
Der neue Präsident fuhr nach seiner Amtseinführung nicht mit einer großen Limousine, sondern mit einem kleineren Hybridauto über den Prachtboulevard Champs-Elysées. Im strömenden Regen ließ er dennoch das Verdeck öffnen, um den Franzosen an der Strecke zuwinken zu können. Völlig durchnässt kam der neue Präsident am Arc de Triomphe an, um am Grabmal des unbekannten Soldaten einen Kranz niederzulegen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP