Erst Ausbau, dann Siedlungsstopp Netanjahu brüskiert USA
04.09.2009, 18:49 UhrIsraels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will nach Angaben eines Vertrauten den Ausbau mehrerer hundert Wohnungen jüdischer Siedler im Westjordanland vorantreiben. Erst nach der Erteilung Hunderter Baugenehmigungen werde Netanjahu ein mehrmonatiges Siedlungs-Moratorium in Betracht ziehen, sagte ein israelischer Regierungsmitarbeiter, der anonym bleiben wollte.
Nach israelischen Medienberichten sollen die Bauaktivitäten nicht länger als neun Monate unterbrochen werden. Begonnene Projekte sollen aber dabei fertiggestellt werden, und öffentliche Bauvorhaben sowie Ost-Jerusalem wolle Netanjahu von dem Stopp ausnehmen. Im Westjordanland leben derzeit etwa 300.000 israelische Siedler, in Ost-Jerusalem sind es um die 200.000.
"Völlige Missachtung" der US-Bemühungen
Die USA und die Palästinenser kritisierten die Entscheidung postwendend. Für US-Präsident Barack Obama sagte dessen Sprecher Robert Gibbs: "Wir bedauern die Berichte über Israels Pläne, einem zusätzlichen Siedlungsbau zuzustimmen." Das vertrage sich nicht mit Israels Bekenntnis zur "Roadmap" für die Beilegung des israelisch-palästinensischen Konflikts. Washingtons Bemühungen, ein für Verhandlungen geeignetes Klima zu schaffen, würden durch derartige Berichte erschwert. Wie Obama bereits gesagt habe, erkenne die US-Regierung eine fortwährende Ausdehnung der Siedlungen nicht als rechtmäßig an und verlange deren Beendigung. Ähnlich äußerte sich die US-Außenministerin Hillary Clinton.
"Wir wollen, dass der Siedlungsbau gestoppt wird", sagte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nach einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in Paris. Ob er mit Netanjahu zusammentreffen könne, hänge von dessen Schritten im Zusammenhang mit der Siedlungsfrage ab. Das einzige, was durch solche Ankündigungen eingestellt werde, seien die Friedensverhandlungen, sagte der palästinensische Chefunterhändler Sajeb Erakat. Die israelischen Ankündigungen seien eine "völlige Missachtung" der Bemühungen des US-Sondergesandten George Mitchell.
Widerstand gegen Siedlungsstopp
Derzeit sind in den israelischen Siedlungen im Westjordanland rund 2500 Häuser oder Wohnungen im Bau. Der internationale Friedensplan von 2003, die sogenannte Road Map, fordert von Israel einen vollständigen Siedlungsstopp. Von den Palästinensern verlangt er im Gegenzug ein Ende der Anschläge auf Israelis.
Mitglieder von Netanjahus Likud-Partei bekräftigten indes ihre Forderung, den amerikanischen und palästinensischen Forderungen nicht nachzugeben. Danny Danon vom rechten Flügel des Likud sagte dem israelischen Rundfunk, die Partei werde nicht einfach Netanjahus Entscheidungen durchwinken. Gegen jede Ankündigung eines Siedlungsstopps werde sie Widerstand leisten.
Solana hofft auf neue Dynamik
Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana forderte Israel auf, "alle Siedlungsaktivitäten" in den Palästinensergebieten einzustellen. Die Position der Europäischen Union sei "wohlbekannt", sagte Solana am Rande eines EU-Außenministertreffens in Stockholm. Der Siedlungsbau müsse vollständig aufhören. Solana sagte weiter, er hoffe auf eine neue Dynamik im Friedensprozess am Rande der UN-Vollversammlung Ende des Monats. Die Zweistaatenlösung sei nach wie vor die einzige Möglichkeit, den Konflikt zu lösen.
Der italienische Außenminister Franco Frattini sagte, die EU-Außenminister hätten die israelischen Pläne kritisiert. Frattini und der französische Außenminister Bernard Kouchner nannten den Siedlungsstopp die entscheidende Voraussetzung für die Wiederbelebung des Friedensprozesses in Nahost. Ähnlich äußerte sich EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner.
Quelle: ntv.de, rts/AFP