Matschies Führungsanspruch Die SPD, das zickige Kind
02.09.2009, 10:52 UhrErinnern Sie sich noch an Gerhard Schröders realsatirischen Auftritt nach der Bundestagswahl 2005? In der Elefantenrunde polterte der Noch-Kanzler kräftig los, verteilte stramme Medien-Schelte, hielt "meine SPD" für den Wahlsieger und reklamierte trotz des zweiten Platzes die Regierungsbildung für sich. Das Studio muss testosterongeschwängert gewesen sein, so viel steht fest.

Dicker Daumen, aber nicht gewonnen: Matschie.
(Foto: AP)
Was Schröder kann, kann ich schon lange, muss sich Christoph Matschie nach der Wahl in Thüringen gedacht haben. Der Landeschef der SPD würde gern Ministerpräsident werden, auch in einer Koalition mit den Linken. Jedoch fehlen ihm satte neun Prozent auf das andere Rot, um einen echten Anspruch darauf zu haben. Denn traditionell stellt die stärkste Fraktion einer Koalition den Regierungschef. Und das ist auch richtig so. Der Schwanz wedelt schließlich nicht mit dem Hund, um mal einen berühmten Basta-Kanzler zu zitieren. Und sogar Guido Westerwelle weiß, dass er niemals Kanzler wird, solange er in der FDP ist. Man kann es drehen und wenden, wie man will: In einer rot-roten Koalition in Erfurt sollte die Linke den Ministerpräsidenten stellen. Das käme in dem Fall dem Wählerwillen am nächsten.
Peinliche Posse
Die SPD kennt die Gepflogenheiten des Parlamentarismus natürlich – aber sie hat Probleme, ihren Status, ihre Vergangenheit loszulassen. Und das vor allem natürlich gegenüber einer von Kanzler Schröder dank der Agenda 2010 im politischen Zirkus erst so richtig stark gemachten Linken. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Es kann nicht sein, dass die SPD ein Junior-Partner der Linken ist. Schließlich ist die SPD doch eine alte Tante. Und so mischt sich sogar Kandidat Steinmeier in die peinliche Posse ein und sagt, Matschies Anspruch sei "vielleicht ungewöhnlich", aber dennoch glaubwürdig. Glaubwürdig aber wäre, mit den Fakten zu arbeiten, die der Wähler vorgegeben hat. Und glaubwürdig wäre, nicht weiter herumzuzicken wie ein bockiges Kind, dem die Geschenke nicht gefallen.

Auslaufmodell Althaus: Wie lange kann er sich noch halten?
(Foto: dpa)
Christoph Matschie selbst war es, der sich in die Zwickmühle gebracht hat. Ministerpräsident Althaus ohne die Hilfe der Linken abzulösen – wie sollte das gehen? Der Wortbruch war programmiert. Nun muss ihm ausgerechnet die CDU aus der Patsche helfen. Althaus, der 11,8 Prozent und durch die boulevardesken Spielereien mit seinem Ski-Unfall jede Menge Vertrauen verloren hat, ist wohl nicht zu halten. Wenn sich die Reform-Kräfte in der Thüringer CDU jetzt durchsetzen, was nicht schwer sein sollte angesichts des Wahlergebnisses, wird das Land schwarz-rot und Matschie kommt mit einem blauen Auge davon. Die Sozialdemokraten müssen aber den letzten Rest Hoffnung, dass die Linke ein temporäres Ost-Phänomen ist, endlich begraben.
Quelle: ntv.de