Person der Woche: Christian Lindner Asterix in Merkelanien
03.01.2017, 15:13 Uhr
Zum Dreikönigstreffen herrscht Optimismus bei der FDP. Christian Lindner hat die fast untergegangenen Liberalen zum Comeback geführt. Jetzt will er in den Bundestag zurück und attackiert Angela Merkel, damit frustrierte Unionswähler nicht alle zur AfD überlaufen.

FDP-Chef Christian Lindner, hier im Dezember bei einer Rede im NRW-Landtag, setzt im Wahljahr 2017 auf Merkelfrust.
(Foto: picture alliance / Federico Gamb)
Christian Lindner ist eine Art Asterix der deutschen Politik. Mit seiner kleinen liberalen Dorfgemeinschaft wähnt er sich im Kampf gegen das gefühlte Riesenreich der Bürokraten. Das Superwahljahr 2017 erklärt er so: "Es geht darum, dass unser Land mit den schwarzen, roten und grünen Sozialdemokraten im Bundestag und der autoritären AfD vor der Tür nicht alleine gelassen wird." Lindners Sicht der Dinge: Ganz Deutschland ist von staatsgläubigen Bevormundern und moralischen Besserwissern besetzt. Ganz Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Liberalen bevölkerter Mittelstand hört nicht auf, die Fahne der Freiheit und Vernunft hoch zu halten. Insbesondere am Dreikönigstag. Denn da trifft sich die liberale Gemeinde alljährlich, und - anders als in den Vorjahren - ist die Stimmung diesmal so prächtig wie bei einem Spanferkel-Fest von Obelix.
Vor drei Jahren, als Christian Lindner den Vorsitz der FDP übernahm, war das noch anders. Da hing die FDP wie ein stinkendes Bärenfell über dem Zaun der deutschen Politik. Es roch nach gebrochenen Wahlversprechen, nach einem Lausbubenparty-Kater, nach halbseidenen Steuersenkungen für Hoteliers. Die FDP taumelte ihrem Untergang entgegen und blieb nur in Rotary-Clubs und in Golfplatz-Gelbpolundern noch fühlbar. Doch mit Asterix-Lindner kämpfte sich die FDP zurück, Legion für Legion. Ein Landesparlament nach dem anderen wurde zurück erobert, in Rheinland-Pfalz regiert die Partei sogar wieder mit. Für die diesjährigen Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sehen die Umfragen die Freien Demokraten bei acht bis zehn Prozent. Der Wiedereinzug in den Bundestag scheint greifbar nah.
Lindner hat einen Zaubertrunk für das Superwahljahr - und der heißt Merkelfrust. Wann immer er auf Wahlkampfveranstaltungen auf die Schwächen der Kanzlerin hinweist, erntet er neuerdings laute Zustimmung. "Der Höhepunkt ihrer Kanzlerschaft liegt hinter ihr. Sie zeichnet sich nicht mehr nur durch mangelnden Reformwillen und die Preisgabe marktwirtschaftlicher Prinzipien aus. Sie hat jetzt auch noch ihren Nimbus als verlässliche Krisenmanagerin verloren", analysiert Lindner. Er spürt, wie allenthalben der Ärger über die Migrationspolitik Merkels wächst und also ruft er via "Bild"-Zeitung ins Land: "Die Große Koalition hat so viel Schaden angerichtet wie selten eine Regierung zuvor. Das muss enden."
Neu entdeckte Angriffslust
Für das Dreikönigstreffen kündigt Lindner "eine Mut- und Wutrede" an. Wütend sei er darüber, "dass unser Rechtsstaat in atemberaubender Weise an Autorität verliert". Lindners Beispiel: "Meine Friseurin erzählt mir, dass bei ihr der Zoll in den Laden einfällt. Da werden alle befragt, ob die Arbeitszeit sauber dokumentiert ist. Gleichzeitig werden Banken in Italien mit Milliarden gerettet. Wer mal einen Kilometer zu schnell Auto fährt, bekommt sofort sein Knöllchen zugestellt. Auf der anderen Seite kann ein Terrorist im Visier der Sicherheitsbehörden mit gefälschter Identität Sozialleistungen ergaunern, sich bewaffnen und Menschen umbringen. Da stimmen die Prioritäten nicht!"

Gemeinsam mit Generalsekretärin Nicola Beer und dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden Wolfgang Kubicki möchte Lindner bürgerliche Kernwähler für die FDP gewinnen.
(Foto: imago/CommonLens)
Mit dieser Angriffslust folgt der FDP-Asterix seinem norddeutschen Weggefährten Wolfgang Kubicki - dem verbalen Obelix der Liberalen. Da wird schon mal ein rhetorischer Hinkelstein ins Land geworfen: "Bei einem rot-rot-grünen Bündnis haben wir nur die Wahl, ob wir mit dem Kopf oder mit den Füßen voran in Richtung Moskau beerdigt werden."
Lindner wie Kubicki wähnt jedenfalls in der politischen Schlachtordnung des Jahres 2017 eine Kampfnische zwischen der linksgeneigten CDU und der rechtspopulistischen AfD. Die Sozialdemokratisierung der Union unter Angela Merkel führe dazu, dass viele bürgerliche Kernwähler neue politische Heimaten suchen, sagt Lindner. Tatsächlich sehnen sich Teile des Mittelstand und viele Unternehmer – enttäuscht von Renten-mit-63, Mietpreisbremsen, Frauenquoten, Erbschaftssteuern, Mindestlöhnen, Steuerrekorden, Bürokratie und einer planwirtschaftlich gescheiterten Energiewende – nach einer liberalen Kraft, die Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit sichert.
Protestpartei der Gemäßigten
Anders als die AfD setzt die FDP in ihrer Kritik an der Migrationspolitik nicht auf Ressentiment und Nationalismus sondern auf das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Lindner proklamiert: "Man hat das Gefühl, es herrscht in Deutschland Wilder Westen. Gefährder im Visier der Sicherheitsbehörden werden nicht lückenlos überwacht. Ausreisepflichtige können sich frei bewegen, sogar über Grenzen hinweg. Mit ausgedachten Identitäten können Sozialleistungen erschlichen werden. Wir akzeptieren nicht, dass der Bürokratismus wächst, der Staat in seinen Kernaufgaben aber der Lächerlichkeit preisgegeben ist."
Das Kalkül Lindners mit dieser Positionierung ist klar. Die große Enttäuschung von Unionswählern über Merkels Migrationspolitik soll nicht dazu führen, dass alle zur AfD überlaufen. Die FDP profiliert er als Protestpartei der Gemäßigten, Weltoffenen und Pro-Europäer. Wahlforscher und Politologen hatten vor Jahresfrist noch geunkt, dass nur AfD oder FDP vom Merkelfrust dauerhaft mehr als fünf Prozent der Wählerstimmen für sich erringen können. Doch aus dem Entweder-Oder ist inzwischen ein Sowohl-als-auch geworden. Es deutet sich an, dass für beide Platz sein wird im nächsten Bundestag.
Schlacht um Merkelanien
Lindner will der Bundesregierung auch ihr rosiges Wohlstandsnarrativ nicht durchgehen lassen: "Wir leben in Zeiten einer beispiellosen Umverteilung von Privat zu Staat. Wer Immobilien oder wertvolle Gemälde besitzt, der profitiert von den niedrigen Zinsen. Aber die Millionen in der Mitte haben nichts vom Aufschwung." Lindner findet: "Zur guten wirtschaftlichen Lage trägt Mario Draghi mit seinen Niedrigzinsen mehr bei als Angela Merkel und Sigmar Gabriel zusammen. Wir leben in einer Zeit der Wohlstandshalluzination. Die Regierung erzählt, unser Wohlstand sei sicher. Dabei leben wir auf brüchigem Grund. Niedrigzinsen, schwacher Euro, die arbeitenden Babyboomer - unsere Wirtschaft müsste viel mehr wachsen."
Die Linie seiner Wahlkampfreden hat er damit gefunden. Der FDP-Asterix zieht in die Schlacht um Merkelanien. Am Freitag soll es losgehen, am Samstag wird er dann 38 Jahre alt. Seine Losung für das neue Jahr lautet: "2017 wird das wichtigste Jahr in der Geschichte der FDP." Seines auch.
Quelle: ntv.de