Wirtschaft

"Es gab diese perverse Angst" Draghi wettert gegen Deutschland

"Immer dieser Italiener": Mario Draghi ärgert sich über die Kritik aus Deutschland.

"Immer dieser Italiener": Mario Draghi ärgert sich über die Kritik aus Deutschland.

(Foto: REUTERS)

EZB-Präsident Draghi findet ungewohnt scharfe Worte für deutsche Kritik am Kurs der Notenbank in der Euro-Krise. Immer wieder habe es geheißen, "dieser Italiener zerstört Deutschland", sagt er im Interview. In Wirklichkeit habe sich die Lage jedoch entspannt.

Für EZB-Präsident Mario Draghi ist die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Währungsunion weitgehend gebannt. Die Krise sei noch nicht überwunden, aber es gebe viele ermutigende Zeichen, sagte Draghi dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Mit Blick auf die Kritik an seiner umstrittenen Geldpolitik sprach er von einer "perversen Angst" in Teilen der deutschen Öffentlichkeit.

Insgesamt zeichnete Draghi ein positives Bild der Lage in der Euro-Zone. Die Wirtschaft erhole sich in vielen Ländern, die Ungleichgewichte im europäischen Handel würden abnehmen und die Haushaltsdefizite sinken, sagte der Präsident der Europäischen Zentralbank. "Das ist mehr, als vor einem Jahr zu erwarten war."

Gleichzeitig mahnte der Notenbanker weitere Reformen in Griechenland und Frankreich an. Zum Vorschlag der Bundesregierung, Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger, in das EZB-Direktorium zu entsenden, äußerte er sich positiv.

"Dieser Italiener zerstört Deutschland"

Draghi führte die verbesserte Lage auch auf seinen umstrittenen Kurs zurück, die Banken mit zusätzlicher Liquidität auszustatten, der vor allem in Deutschland auf Widerstand gestoßen war. "Jedes Mal hieß es, um Gottes willen, dieser Italiener zerstört Deutschland. Es gab diese perverse Angst, dass sich die Dinge zum Schlechten entwickeln", monierte der italienische Notenbanker. Passiert sei aber das Gegenteil. "Die Inflation ist niedrig, und die Unsicherheit hat sich verringert."

Den Vorwurf zurück, die Niedrigzins-Politik gehe zu Lasten der Sparer, wie Draghi zurück. Dass die Rendite entsprechender Anlagen teilweise nicht einmal die Inflation ausgleiche, sei nicht die Schuld der EZB. "Insbesondere in den vergangenen Jahren konnten wir die langfristigen Zinsen gar nicht kontrollieren, weil die Investoren wegen der Euro-Krise hochgradig verunsichert waren", verteidigte er sich. Stattdessen würden die langfristigen Kapitalrenditen auf den globalen Finanzmärkten bestimmt.

Keine weitere Zinssenkung in Aussicht

Die Leitzinsen weiter zu senken, hält Draghi derzeit für nicht erforderlich. "Im Moment sehen wir keinen unmittelbaren Handlungsbedarf." Derzeit könne von einer Deflation keine Rede sein. "Wir haben keine japanischen Verhältnisse", sagte er. Zur Entscheidung der US-Notenbank Fed, ihre Anleihekäufe einzuschränken, sagte Draghi: "Die bisherigen Marktreaktionen haben gezeigt, dass die Ankündigung der Fed keine großen Effekte hatte. Die Widerstandsfähigkeit der Märkte ist größer als vor einem Jahr."

Draghi mahnte zugleich Reformen in Frankreich und Griechenland an. In Griechenland habe sich manches zum besseren entwickelt, aber es seien weitere Maßnahmen nötig. "Das Land muss mehr tun, daran gibt es keinen Zweifel." Frankreich stehe vor denselben Problemen wie andere Länder, die ihren Haushalt in Ordnung bringen und Strukturreformen angehen müssten. "Der erfolgversprechendere Weg ist, die laufenden Staatsausgaben zurückzufahren und Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt einzuleiten." Mit Blick auf das zögerliche Reformtempo in der zweitgrößten Euro-Volkswirtschaft sagte Draghi, er werde seine Botschaften umso häufiger wiederholen, je weniger sich in einem Land verändert. "Das funktioniert."

Lob für Lautenschläger

Der Notenbankchef beteuerte, er glaube an die Erklärung des bisherigen EZB-Direktoriumsmitglieds Jörg Asmussen, wonach sein Wechsel als Staatssekretär in das Arbeitsministerium ausschließlich familiäre Gründe habe. Zum Vorschlag der Bundesregierung, Bundesbank-Vize Lautenschläger als Nachfolgerin vorzuschlagen, äußerte er sich positiv. "Ich kenne Frau Lautenschläger seit Jahren und schätze ihre Arbeit als Aufseherin." Er würde es sehr begrüßen, wenn der frei werdende Direktoriumsplatz mit einer Frau besetzt würde.

Quelle: ntv.de, ddi/AFP/dpa

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