Wirtschaft

Obama will von nichts gewusst haben Opelaner greifen GM an

US-Präsident Barack Obama hat offenbar nichts von der Entscheidung des GM-Verwaltungsrates gewusst, Opel nicht zu verkaufen. In einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel versicherte er, in die Entscheidung des Verwaltungsrats von GM nicht eingebunden gewesen zu sein. Im Ringen um die Zukunft von Opel wollen sich Merkel und Obama nun eng abstimmen. Vermutungen, wonach Obama Merkel bei ihrem Gespräch in Washington am Dienstag absichtlich in Unkenntnis über die GM-Entscheidung gelassen haben soll, wies die Kanzlerin zurück. "Das Gespräch mit US-Präsident Obama hat mir gezeigt, dass auch er von der Wende bei General Motors nichts gewusst hat", sagte sie der "Bild".

Dicke Luft bei den Opel-Mitarbeitern.

Dicke Luft bei den Opel-Mitarbeitern.

(Foto: Reuters)

Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin hat unterdessen die USA für ihren Umgang mit europäischen Partnern kritisiert. Die Absage verletze die russischen Interessen nicht, sagte Putin. Sie zeige jedoch, dass die Amerikaner ihre ganz eigene Kultur in solchen Dingen hätten. "Dieser höhnische Umgang betrifft allerdings vor allem die Europäer, nicht uns", fügte er hinzu. Russland werde seine Lehren aus dem Vorgang ziehen. "GM hat niemanden vorgewarnt, mit niemandem gesprochen (...) trotz aller getroffener Vereinbarungen und unterschriebener Dokumente", sagte Putin. "Nun, ich denke, das war ein gutes Lehrstück."

Die Zukunft von Opel steht nun im Mittelpunkt eines Treffens von Vertretern der Bundesregierung und der Opel-Länder. Die Politiker werden sich in der Vertretung des Landes Hessen treffen, erklärte die Staatskanzlei in Wiesbaden. An dem Treffen nehmen Hessens Ministerpräsident Roland Koch, NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, der Rheinland-Pfälzische Landesvater Kurt Beck sowie die Thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht teil. Für den Bund sitzen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla mit am Tisch.

Opelaner auf der Straße

Tausende Mitarbeiter haben sich derweil an ihren Standorten kämpferisch gezeigt. In Rüsselsheim, Eisenach, Bochum und Kaiserslautern demonstrierten sie gegen die Entscheidung der US-Mutter General Motors. Die Regierungen der betroffenen Bundesländer kündigten an, sich für ihre Opel-Standorte einzusetzen. Roland Koch erklärte auf einer Kundgebung vor rund 10.000 Beschäftigten am Opel-Stammsitz Rüsselsheim, nach dem Rückzieher von GM weiter für den deutschen Autobauer kämpfen zu wollen. "Wir als Staat werden uns nicht mit verschränkten Armen daneben stellen", sagte Koch. Der hessische Ministerpräsident warnte GM, "die deutschen Arbeitnehmer als Geiseln zu nehmen". Der US-Konzern schließt eine Insolvenz bei Opel nicht aus.

Opel-Betriebsratschef Klaus Franz sagte bei der Kundgebung, GM habe sich mit seiner Entscheidung "in die tiefste Vertrauenskrise gegenüber Mitarbeitern, der Öffentlichkeit und der Politik" manövriert. Er habe GM-Chef Fritz Henderson zu einem Gespräch eingeladen um herauszufinden, ob es "überhaupt eine Möglichkeit der Zusammenarbeit geben kann". Eine Bedingung sei die auch für beim Magna-Deal geplante Umwandlung Opels in eine Aktiengesellschaft. Dies würde der Belegschaft mehr Mitspracherechte bringen.

Auch in Bochum versammelten sich nach Angaben der IG Metall rund 3000 Opel-Beschäftigte zu einer Protestkundgebung, um ihrem Unmut und ihrer Wut über das Vorgehen des GM-Managements Luft zu machen. "Von General Motors aus den USA kommt bisher nur Abbruch, Niedergang und Zerschlagung. Uns geht es um Perspektive, sichere Jobs und gute Autos", erklärte Oliver Burkhard, IG Metall-Bezirksleiter in NRW. Die IG Metall NRW fordert die GM-Zentrale auf, "ihre Insolvenzdrohungen sowie ihre Untätigkeit" zu beenden, mit denen die Risiken für Arbeitsplätze und Standorte täglich größer würden.

Im thüringischen Eisenach kamen nach Gewerkschaftsangaben rund 600 Mitarbeiter der Frühschicht zusammen. Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) forderte GM auf, schnellstens Klarheit über die weitere Zukunft des Unternehmens zu schaffen. In Kaiserslautern beteiligten sich laut Gewerkschaft rund 3500 Menschen an einer Kundgebung, 3000 davon waren Opelaner.

Warnung vor leichtfertigen Hilfen

DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann hat Bund und Länder vor einer leichtfertigen Vergabe von Staatshilfen an den angeschlagenen Autobauer Opel gewarnt. "Der Staat vermag Unternehmen nicht dauerhaft künstlich am Leben halten", sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. "Vielmehr sind es die Kunden, die über den Erfolg von Produkten entscheiden." Das Kredit- und Bürgschaftsprogramm der Bundesregierung sehe klare Kriterien für eine staatliche Unterstützung vor. "Diese Spielregeln müssen auch bei GM angewandt werden", sagte Driftmann. "Es darf nicht zu einer Bevorzugung gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen kommen."

Der DIHK-Chef sieht für Opel gute Überlebenschancen. "Ich glaube, dass Opel auch unter dem Dach von GM überleben kann, denn der Konzern setzt augenscheinlich auf die modernen Technologien der Marke." Allerdings werde das Unternehmen vermutlich nur in einem kleineren Umfang mit deutlich weniger Mitarbeitern weitermachen.

Briten fordern "fairen" Stellenabbau

Großbritannien fordert bei einem Stellenabbau bei Opel eine "faire" Verteilung der Streichungen auf die Standort-Länder. Zudem müsse es eine gerechte Teilung der finanziellen Belastung bei möglichen Staatshilfen geben, sagte Wirtschaftsminister Peter Mandelson. Neue Verhandlungen über Staatshilfen würden zu einem "bedeutend kostengünstigeren" Geschäft für die europäischen Steuerzahler führen als die früheren Pläne.

Nach der Entscheidung für den Verbleib von Opel beim Mutterkonzern General Motors hatte der US-Konzern angekündigt, rund 10.000 Stellen in Europa streichen zu wollen. In Großbritannien hat die Opel-Schwestermarke Vauxhall zwei Standorte mit rund 4700 Mitarbeitern. Für den vormals geplanten Verkauf von Opel an den Zulieferer Magna hatte Deutschland 4,5 Mrd. Euro Staatshilfe zugesagt, an denen sich andere Länder mit Opel-Standort beteiligen sollten.

Verheugen verteidigt EU-Eingreifen

EU-Industriekommissar Günter Verheugen warnte die europäischen Länder mit Standorten des Autobauers vor einem Bieterwettbewerb. "Wenn jeder für sich mit Detroit verhandelt, werden sich die Amerikaner die besten Angebote aussuchen können", sagte Verheugen der Zeitung "Hamburger Abendblatt". "Ob das die wirtschaftlich tragfähigsten wären, stünde in den Sternen." GM forderte er auf, nun seiner Verantwortung gerecht zu werden und Opel den notwendigen finanziellen und technischen Freiraum zu lassen.

Zugleich verteidigte Verheugen die Haltung der vorigen Bundesregierung, die sich für einen Opel-Verkauf an ein Konsortium mit dem österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna und der russischen Sberbank stark gemacht hatte. Ohne den deutschen Überbrückungskredit über 1,5 Mrd. Euro wären die europäischen GM-Standorte im Frühjahr in Insolvenz gegangen. Er räumte allerdings ein, dass die jetzige Situation ohne das Eingreifen der EU-Wettbewerbsbehörde nicht entstanden wäre. Doch sei dieses nicht von ungefähr gekommen. "Die meisten EU-Länder mit GM-Standorten haben der deutschen Festlegung auf Magna sehr skeptisch gegenübergestanden und ökonomischen Nationalismus beklagt", sagte der EU-Kommissar.

EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hatte deswegen in die Verhandlungen über die Opel-Sanierung eingegriffen und GM damit die Möglichkeit verschafft, den Verkauf abzusagen.

Quelle: ntv.de, nne/dpa/AFP/rts

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