Griechenland-Rettung Sarkozy eilt Merkel zur Hilfe
20.07.2011, 11:26 Uhr
Tellergericht: Kein Menü, sondern Ente mit Kartopffelpüree sowie eine Gemüse- und Käseplatte stehen auf dem Speiseplan für das Abendessen von Sarkozy und Merkel.
(Foto: dpa)
Paris und Berlin bereiten am Abend gemeinsam den Eurogipfel vor. Frankreichs Präsident Sarkozy reist dazu überraschend zu einem gemeinsamen Abendessen mit Kanzlerin Merkel an. Merkel dämpft jedoch im Vorfeld Hoffnungen auf allzu umfassende Entscheidungen beim Sondergipfel – ganz zum Unmut in ihrer Partei.
Bundeskanzlerin Angela Merkel will mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy gemeinsam in Berlin den Euro-Sondergipfel vorbereiten. Sarkozy wird nach Angaben des Élysée am Mittwochnachmittag nach Berlin reisen und gemeinsam mit Merkel zu Abend essen. Am folgenden Tag wollen beide gemeinsam von Berlin aus zum Gipfel nach Brüssel weiterreisen. Das Treffen wurde auch aus deutschen Regierungskreisen bestätigt.
Unmittelbar vor dem Treffen berichtet ein französisches Enthüllungsblatt über deutschlandkritische Äußerungen Sarkozys. Laut "Le Canard Enchaîné" sagte Sarkozy zur deutschen Haltung in der Schuldenkrise: "Die Griechen tun, was sie können, und sie haben schon eine Menge erreicht. Die einzigen, die es an Solidarität fehlen lassen, sind die Deutschen." Laut dem Bericht äußerte sich Sarkozy kurz vor einer Kabinettssitzung in der vergangenen Woche im kleinen Kreis. "Der deutsche Egoismus ist kriminell, er verlängert die Krise", habe er hinzugefügt. Im Ministerrat habe er den angeblichen deutschen "Egoismus" allerdings nicht erwähnt.
Das Treffen Merkels mit Sarkozy ist nicht das einzige bilaterale Gespräch im Vorfeld des Gipfels. Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou kommt am Mittwochnachmittag mit dem EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zusammen. In dem Gespräch will er nach Angaben aus Regierungskreisen darauf drängen, dass der EU-Sondergipfel ein zweites Hilfspaket für Griechenland definitiv beschließt. "Der Ministerpräsident wird klar machen, dass Griechenland nicht länger warten kann und dass ein überzeugendes Ergebnis zur Bewältigung der Schuldenkrise erreicht werden muss", sagte ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter. Nach dem Treffen mit Barroso will Papandreou mit EU-Kommissionspräsident Herman Van Rompuy ein Telefongespräch führen.
Ärger nach Dämpfer
Von dem Krisengipfel werden Beschlüsse zu einem zweiten Hilfspaket für das pleitebedrohte Athen erhofft, aber auch eindeutige Signale zur Lösung der eskalierenden Euro-Schuldenkrise. Merkel hatte zuvor betont, dass das Problem kaum durch einen "spektakulären Schritt" zu lösen sei. Es bedürfe vielmehr eines "kontrollierten und beherrschbaren Prozesses", sagte Merkel bei der Pressekonferenz mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew in Hannover. Vom Euro-Gipfel der Staats- und Regierungschefs sei kein "abschließender großer Schritt" zu erwarten.
Der Beginn des Gipfels wird sich Kreisen zufolge verzögern. Vertreter der Eurozone sprachen von weiteren, abschließenden Gesprächen mit dem Privatsektor über eine Beteiligung an einem zweiten Rettungspaket. Deshalb sei ein vorbereitendes Treffen der Staatssekretäre von Mittwochabend auf Donnerstagabend verschoben worden.
Private und öffentliche Banken haben sich nach Bekanntwerden entsprechender Überlegungen klar gegen eine Sondersteuer auf Bankgewinne zur Finanzierung der Griechenlandhilfe ausgesprochen. Das würde auch die Banken treffen, die gar keine griechischen Anleihen in ihren Büchern hielten, sagten mehrere Personen aus dem Umfeld des Weltbankenverbands IIF. "Klagen gegen eine solche Steuer wären programmiert", betonte eine von ihnen. Ähnlich kritisch äußerten sich bereits deutsche Bankenvertreter.
"Wir brauchen ein tragfähiges Gesamtkonzept, das das Vertrauen an den Märkten wieder herstellt und dauerhaft erhält", sagte der Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes, Heinrich Haasis. Die Einführung einer neuen Abgabe für Banken würde nach seinen Worten das Gegenteil bewirken: "Die Banken in der Eurozone werden weiter geschwächt und können nicht länger als Auffanglinie gegen eine mögliche Ausweitung der Krise wirken." Weil es am deutschen Finanzplatz bereits eine Bankenabgabe gebe, seien deutsche Institute zudem gleich doppelt benachteiligt.
Ärger aus den eigenen Reihen
In den eigenen Reihen wächst nach den Beschwichtigungen der Kanzlerin derweil offenbar der Druck auf Merkel für einen großen Wurf. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sagte dem Handelsblatt, es sei "ein Zeitpunkt erreicht", zu dem auch andere Mitgliedsstaaten neben Griechenland "ein klares Signal" erwarteten. Er forderte von der Kanzlerin, sich für einen Schuldenschnitt auszusprechen, um Griechenland damit aus der Krise zu helfen. "Ich halte es für richtig, dass sich die privaten Gläubiger beteiligen", sagte Bouffier.
Als richtige Richtung dafür nannte er den Vorschlag von Commerzbank-Chef Martin Blessing, wonach Banken auf ein Drittel ihrer Forderungen verzichten und den Rest in neue, lang laufende Anleihen umtauschen sollen, die die EU absichert und niedrig verzinst. Auch die FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach sich dem Blatt zufolge für eine geordnete Umschuldung Griechenlands aus.
Mehrere Mitglieder des CDU-Präsidiums forderten die Kanzlerin einem Bericht des "Tagesspiegel" zufolge dazu auf, ihre abwartend kritische hHaltung aufzugeben und den Weg für eine Transferunion freizumachen. Diese koste viel Geld, wäre in der Summe aber viel billiger als ein Scheitern der gemeinsamen Währung. Mitglieder kritisierten demnach, dass Merkel sich zu taktisch im Hinblick auf vermeintliche Wählererwartungen verhalte. Ohne ein eindeutiges Signal der europäischen Geschlossenheit würden die Märkte keine Ruhe geben. "Wir müssen diesen Knoten durchschlagen", zitierte das Blatt ein CDU-Präsidiumsmitglied.
Quelle: ntv.de, nne/DJ/dpa/rts