Kein freies WLAN-Surfen Warum es kaum Hotspots in Deutschland gibt
17.03.2015, 18:19 Uhr
Auch ein neues Gesetz wird kaum dafür sorgen, dass es in Deutschland bald mehr WLAN-Hotspots gibt.
(Foto: picture alliance / dpa)
In Sachen öffentliches WLAN ist Deutschland seit Jahren ein Entwicklungsland. Denn die Hotspot-Betreiber stehen mit einem Bein im Gefängnis. Die Politik verschläft das Thema bis heute.
Wer in den New Yorker Central Park geht, kann nicht nur joggen, picknicken oder den Zoo bestaunen. Mitten auf der grünen Wiese kann jeder Besucher seine Mails checken, Nachrichten lesen oder auf Facebook surfen. An drei Stellen im ältesten Park der USA gibt es inzwischen öffentliches WLAN - rund um die Uhr, kostenlos und unbegrenzt. AT&T, eine der großen US-Telefonfirmen, betreibt die Hotspots.
Im Mauerpark oder im Volkspark Friedrichshain in Berlin herrscht dagegen Funkstille. Bis heute gibt es in der Hauptstadt, im Mekka der deutschen Startup-Szene, keinen einzigen städtisch geförderten WLAN-Zugang. Gerade mal 100 öffentliche Hotspots funken in Berlin und Potsdam. Die Stadtverwaltung hat damit nichts zu tun: In einem Pilotprojekt hat die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) die Funkantennen zusammen mit Kabel Deutschland aufgestellt. Immerhin 30 Minuten lang können Nutzer hier kostenlos und ohne Anmeldung surfen. Danach werden saftige Gebühren fällig. Hinzu kommen etwa 200 Hotspots der Freifunker, einer Community von Internetaktivisten, die ihre WLAN-Zugänge mit anderen öffentlich teilen.
In den meisten anderen deutschen Städten sieht es noch düsterer aus. Laut einer Studie des Industrieverbands eco kommen in Deutschland nicht mal zwei Hotspots auf 10.000 Einwohner. Nur noch in Japan, Russland und China ist die Abdeckung schlechter. Ganz Deutschland ist in Sachen WLAN ein Entwicklungsland. "Deutschland fährt bei der Verbreitung von WLAN-Hotspots im internationalen Vergleich derzeit noch mit angezogener Handbremse", sagt selbst Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Denn anders als in den USA haben deutsche Politiker das Thema öffentliches Internet beharrlich ignoriert. Und die unsichere Rechtslage schreckt Anbieter ab.
Armutszeugnis für Berlin
Einige Hoffnungssignale gibt es immerhin: Im nordrhein-westfälischen Arnsberg hat das Rathaus zusammen mit dem Freifunkverein Rheinland ein Hotspot-Netz rund um die zentrale Einkaufsstraße errichtet. Und in Hamburg will Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) in Kooperation mit dem Netzbetreiber Willy.tel ab spätestens 2016 die gesamte Innenstadt flächendeckend mit WLAN versorgen.
Anderswo klappt der Ausbau deutlich schneller. In San Francisco hat die Stadtverwaltung auf der Flaniermeile Market Street und in ausgesuchten öffentlichen Parks längst freies WLAN eingerichtet. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg hat schon 2011 zusammen mit AT&T eine Initiative angeschoben, um Wifi-Hotspots in 20 New Yorker Parks zu bringen.
Was in Helsinki, Paris, Stockholm oder Tallinn längst Alltag ist, scheint in Berlin schier unmöglich: Dreimal ist in der Hauptstadt bereits der Versuch gescheitert, ein frei zugängliches WLAN-Netz aufzubauen. Der erste Anlauf floppte bereits 2008. Seit Ende vergangenen Jahres läuft nun eine neue Ausschreibung. Mit der Funkstille vergrault die Touristenmetropole Berlin massenweise Besucher. Denn vor allem die sind auf freies WLAN angewiesen, weil sie keine deutschen Handyverträge haben und teure Roaming-Gebühren zahlen müssen.
Funkstille in Deutschland
Auch die Bundesregierung hat inzwischen zwar einen Gesetzesentwurf vorgelegt, um Hotspots zu fördern. Doch der verschlimmert die Lage womöglich sogar. Das Problem ist die unsichere Rechtslage: Das Bundesverfassungsgericht hat 2010 entschieden, dass WLAN-Anbieter für illegale Downloads und andere Rechtsverstöße in ihrem Netz haften. Diese sogenannte "Störerhaftung" schreckt viele Netzbetreiber ab.
Der Gesetzentwurf sieht daher "angemessene Sicherungsmaßnahmen" vor. Hotspot-Betreiber müssen ihren Router verschlüsseln und sich von Nutzern bei der Anmeldung bestätigen lassen, dass sie nichts Verbotenes tun. "Wir sehen mit dem Entwurf den freien Zugang zum öffentlichen WLAN gefährdet", sagt Steffen Meyer-Tippach vom MABB. "Die geforderten Sicherheitsauflagen sind nur mit großen Anstrengungen zu erfüllen." Die Freifunker fürchten wegen der neuen Hürden gar ein "WLAN-Sterben".
US-Gerichte sehen das Haftungsthema entspannter: "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein Netzbetreiber für Rechtsverletzungen seiner Nutzer haften muss, es sei denn, er hat darüber Kenntnis, unterstützt und kontrolliert solche Aktivitäten oder profitiert finanziell davon", schreibt die Electronic Frontier Foundation (EFF), die sich für Privatsphäre im Internet und freien Online-Zugang einsetzt.
In New York werden deshalb nun bald sogar alte Telefonzellen zu WLAN-Hotspots umgebaut. Die alten Kabinen werden mit modernen Funksäulen ersetzt, die den Bewohnern der Stadt nicht nur kostenloses Internet, sondern auch Gratis-Anrufe in den USA, ein Touchscreen-Display mit Verkehrsinfos und eine Handy-Ladestation bieten sollen. Das Projekt LinkNYC soll den Steuerzahler nichts kosten, weil es sich mit Werbung finanziert, die auf Displays an den WLAN-Säulen gezeigt wird. In Deutschland wird das wohl noch lange Zukunftsmusik bleiben.
Quelle: ntv.de