Leben

Über "Umwege" in die Uckermark Eisschaukeln, heiße Themen, coole Musik

Umwege sind beim 7. UM-Festival willkommen. Hier Kunst von Lina Gazzaz beim Festival 2018.

Umwege sind beim 7. UM-Festival willkommen. Hier Kunst von Lina Gazzaz beim Festival 2018.

(Foto: Simon Annand)

Natur, Kunst, Musik und Lesungen, zwei Buchpremieren und neue Musik-Alben: Damit lockt das 7. UM-Festival in die Uckermark. Gudrun Gut, Caroline Rosales und Lena von Goedeke sprechen mit n-tv.de über diese außerordentliche Landschaft und ihre Künste.

Die Uckermark und ihre malerische Landschaft spielen die Hauptrolle: Zwei Tage lang kann hier jeder das Gefühl von Sommer mit Kunst, Live-Musik und Literatur verlängern. Die 7. Ausgabe des UM-Festivals bespielt am kommenden Wochenende die uckermärkischen Dörfer Fergitz, Pinnow und Drei-Seen-Blick. Alle zwei Jahre verteilt sich zeitgenössische Kunst in Gutshäusern, Scheunen, in Kirchen, an Seen und in der Landschaft. Lesungen von Autor:innen und elektronische Musik wird es - pandemiebedingt - dieses Jahr auf verschiedenen Bühnen im Freien geben.

Festival-Mitgründerin Gudrun Gut ist immer dabei.

Festival-Mitgründerin Gudrun Gut ist immer dabei.

(Foto: Nils Olejniczak)

Die Landschaft ist irrsinnig schön, liegt vor den Toren Berlins - ist so nah und doch vielen noch immer unbekannt. Auch wenn sich mittlerweile Stimmen mehren, die die Übernahme der Uckermark durch die Städter aus Berlin und inzwischen überzogene Immobilienpreise kritisieren. Festival-Mitgründerin Gudrun Gut sagt: "Es ist schwierig. Gentrifizierung ist in der ganzen Welt und überall in Deutschland zu sehen. Gerade komme ich aus Chemnitz, da sieht man sehr deutlich, wie Freiflächen von Investoren besetzt werden. Hier ist es ja noch relativ entspannt."

Seit 2008 wird das Kunst-Festival von dem gemeinsam gegründeten Verein "Freunde der Uckermark" ausgerichtet. Sie wohnen alle in der nahen Großstadt und genießen zugleich das Leben in der weiten Leere der Uckermark. "Wir, die Berliner, die die Uckermark überfallen haben, wollten auch etwas geben, weil wir hier so glücklich sind. Die Grundidee war, dass wir etwas aus dem Bereich zeigen, wo wir zu Hause sind und wovon wir leben, nämlich Musik, Kunst und Literatur. Dabei wollen wir den Einheimischen aber nichts überstülpen, sondern als Community erfahren, erleben und einfach etwas zurückgeben."

Die unsichtbare Frau?

Die Techno-Pionierin Gut bringt mit ihrer Musikauswahl die Menschen von hier und woanders in jedem Fall zusammen. Es sind Musiker und Musikerinnen aus Amerika oder Australien dabei wie Rachel Lyn, aber auch Neu-Uckermärker wie Teichmann + Söhne. Pilocka Krach, die schon beim letzten UM-Festival alle begeistert hat, ist mit Soundsystem auf einem Trecker unterwegs. "Es wird super interessant", weiß Gudrun Gut. "Wegen Corona gibt es Musik nur tagsüber von 14 bis 20 Uhr, aber auf verschiedenen Bühnen, immer im Wechsel mit Lesungen."

Caroline Rosales stellt ihren Roman "Das Leben keiner Frau" auf dem UM-Festival erstmals dem Publikum vor.

Caroline Rosales stellt ihren Roman "Das Leben keiner Frau" auf dem UM-Festival erstmals dem Publikum vor.

(Foto: Annette Hauschild/Ostkreuz)

Eines der vielen Highlights ist die Buchvorstellung des Romans "Das Leben keiner Frau" von Caroline Rosales. Warum ist die Premiere ausgerechnet hier? "Ich würde sagen, die Uckermark hat sich für mich entschieden. Glücklicherweise habe ich eine Einladung bekommen, die ich als Kompliment für mein frauenpolitisches Buchthema nehme", meint die in Berlin lebende Autorin. "Hoffentlich interessieren sich viele für das Schicksal meiner 50-jährigen Protagonistin. Melanie wird wie viele Frauen ihres Alters und ihrer Generation irgendwann nicht mehr gesehen und verzweifelt darüber."

Die politische Auseinandersetzung spielt bei dem UM-Festival eine Hauptrolle. Das erwartet Gudrun Gut auch von den Musikerinnen und Musikern, die sie auswählt. "Jeder muss seine Welt öffnen. Wie jemand auf die Bühne tritt, das reflektiert schon die Gegenwart. Das Unpolitische interessiert mich nicht, es muss ein Suchen dabei sein" - darin sieht sie die große Klammer aller Festival-Beteiligten, egal, aus welchem Bereich. Die zeitgenössische Kunst soll zudem passend zur Landschaft sein, sich mit Ökologie, Geologie und Nachhaltigkeit beschäftigen. In diesem Jahr sind zum Beispiel Arbeiten von Lena von Goedeke, Fabian Knecht oder Ulrich Wüst zu sehen. Ohne den Zeigefinger zu erheben, bleiben die Kunstwerke in aller Regel poetisch schön und doch politisch.

Eiszeit neu interpretiert

Lena von Goedeke in der Arktis.

Lena von Goedeke in der Arktis.

(Foto: Lena von Goedeke)

So auch die Eisschaukeln von Lena von Goedeke. Sie will bis zu zehn dieser fragilen Skulpturen verteilen. Die glänzen dann verheißungsvoll in der Sonne an der Grenze zu Wald und Weg. Es geht ihr um einen spielerischen Perspektivwechsel. "Schaukeln aus Eis sind ein starkes Bild dafür, wie Menschen in der Klimakatastrophe heranwachsen, denn Eis kennen wir nicht mehr. Es ist etwas, was zunehmend aus unserer Welt verschwindet, es sei denn, man lebt in der Arktis. Wir können Eis nicht mehr einschätzen. Unser Materialwissen darüber geht verloren. Durch unsere Berührung und unser Dasein wird es ganz konkret zerstört. Und die Sorglosigkeit, wie mit dem Thema umgegangen wird, zeigt sich in dem Bild des Schaukelns." Von Goedekes Kunst passt perfekt zur Uckermark, weil diese Landschaft durch Eis geformt wurde: Die letzte Eiszeit vor 15.000 Jahren hat dort die wilde und naturbelassene Endmoränenlandschaft hinterlassen.

Wie fragil unsere Natur ist, zeigen die Schaukeln aus Eis von Lena von Goedeke.

Wie fragil unsere Natur ist, zeigen die Schaukeln aus Eis von Lena von Goedeke.

(Foto: Lena von Goedeke)

Für die 38-jährige Künstlerin ist es eine seltsame Zeitreise, auf die sie geht: "Wenn ich diese dünige Moränenlandschaft, die ich aus der Arktis kenne, mitten in der Uckermark sehe. Das sind Überbleibsel, die von großen Kräften geschoben wurden. Wenn ich hier stehe, kann ich das sehr gut nachempfinden." Lena von Goedeke ist seit vier Jahren immer wieder in der Arktis auf Forschungsreisen unterwegs. In ihrer Kunst arbeitet sie an der Schnittstelle zur Wissenschaft, beschäftigt sich viel mit Landschaft: "Eigentlich bin ich Großstädterin, aber das eigene Gefühl dafür, dass man auf einem Planeten steht und nicht in einer menschengemachten Umgebung, das ergibt sich erst, wenn man ganz weit weg vom Radar irgendwo ausgesetzt ist."

Verheißungsvolle Umwege

"Umwege" ist das Motto des diesjährigen UM-Festivals, das wegen Corona um ein Jahr verschoben wurde. Umwege? "Alles ist positiv", sagt Gudrun Gut. "Umwege, auch weil wir dazu auffordern, Stück für Stück zu genießen. Die Uckermark mitnehmen, indem man die Natur erfährt und eben auch Wege begeht, die man sonst außer Acht lässt." Das Wilde, eben nicht Gentrifizierte, fasziniert sie dauerhaft. Caroline Rosales fügt an, dass "wir durch Umwege im Leben öfter zum Ziel kommen, als über den gesicherten, geplanten Pfad. Deshalb klingt der Umweg doch verheißungsvoll."

Auf die Suche nach Umwegen können sich die Festival-Besucher:innen auch mit den Fahrrädern machen, die es vor Ort zu leihen gibt. In einem Jahr wie diesem ist die Entzerrung im Freien natürlich besonders willkommen. So lässt sich das wilde Schöne sehr entschleunigt genießen. Ist die Landschaft eigentlich ein Konkurrent für die Künstler:innen? "Nein", so Lena von Goedeke. "Gerade in der Landart darf man die Natur nicht als Nebenbuhler denken. Es ist wichtig, darüber nachzudenken, wie wir ein Teil des Ganzen sein können." Ihre Schaukeln können übrigens hängen bleiben, sie sind komplett biologisch abbaubar, hinterlassen keine Spuren.

Beeilung bitte!

Alles verschwindet nach diesen zwei Tagen, deswegen ist Eile geboten. Es bleiben jedoch Erinnerungen, jede Menge herrlicher Bilder im Kopf und Bücher, die weiter beflügeln. Die Uckermark hat vor allem Literaten schon immer beflügelt, unter anderem Theodor Fontane.

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Wer fällt Caroline Rosales in Sachen Literatur und Uckermark spontan ein? "Es gibt zahlreiche deutsche Schriftstellerinnen wie Juli Zeh, die ganze Bestseller-Romane über die Uckermark und die Umgebung um Berlin geschrieben hat. Oder Dörte Hansen und Maja Präkels, die ihr eigenes Aufwachsen auf dem Land zum Thema ihrer Bücher gemacht haben. Ich liebe das Motiv der Landflucht und der Emanzipation von der Familie und den Wurzeln sehr." Wer es also nicht zum UM-Festival schafft, kann ja mit Büchern in diese einmalige Region aufbrechen.

UM Wege - UM Festival 2021 am 28. und 29. August in Pinnow, Drei-Seen-Blick und Fergitz, mehr Informationen hier.
Im Kunstraum Spaced Out im Gut Kerkow gibt es bis zum 10. Oktober Kunst von Shannon Bool und Fabian Knecht zu sehen.

Quelle: ntv.de

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