Panorama

Ende der 180-jährigen Tradition Abschied der Wetterbeobachter am Brocken

Seit 180 Jahren wurde auf dem Brocken mit menschlichem Auge das Wetter beobachtet.

Seit 180 Jahren wurde auf dem Brocken mit menschlichem Auge das Wetter beobachtet.

(Foto: dpa)

Es ist ein Arbeitsplatz der Extreme: 1141 über dem Meeresspiegel, 200 Tage im Jahr Sturm, im Winter meterhoher Schnee. Doch auf dem höchsten Gipfel des Harz hält nun die Technik Einzug und misst ab sofort die Wetterdaten.

Menschen, die sich durch Sturm und Orkan kämpfen, durch Nebel, Eis und Schnee - 180 Jahre lang war der 1141 Meter hohe Brocken ein extremer Arbeitsplatz für Wetterbeobachter. Mit Beginn des neuen Jahres hat nun aber die automatische Messtechnik ihren Job übernommen. Wie schon auf anderen Gipfeln wie der Zugspitze und dem Fichtelberg stellte der Deutsche Wetterdienst (DWD) nun auch auf dem höchsten Harzgipfel die Arbeit der Wetterbeobachter ein.

Seit 2001 war Marc Kinkeldey Stationsleiter auf dem Harz-Gipfel. Auf dem Weg zu den Messgeräten auf dem Dach des fünfstöckigen Gebäudes von 1937 mussten er und seine Kollegen jeweils 100 Stufen nehmen. Der 40-Jährige maß im Schichtsystem gemeinsam mit seinen Kollegen rund um die Uhr unter anderem Niederschlagsmengen, Sichtweiten, Temperatur, Sonnenstunden. Wenn die Schneehöhe zu bestimmen ist, steuerten sie elf feste Punkte mit schwarz-gelben Messstangen am Berg an.

Schon vor 100 Jahren machten das seine Vorgänger so, sagte Kinkeldey. "Der Wetterbeobachter ist der wichtigste Mann an der Front. Er sammelt sämtliche Daten. Die Meteorologen erstellen die Vorhersagen." Wetterbeobachter habe es seit 1836 auf dem Brocken gegeben. Drei Mal täglich erhoben sie die Wetterdaten, später erhöhte sich der Takt immer weiter. Zuletzt setzten sie halbstündlich Wettermeldungen ab, wie Kinkeldey sagte.

200 Tage Sturm

"Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es solche massiven Eisablagerungen."

"Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es solche massiven Eisablagerungen."

(Foto: picture alliance/dpa)

Dass die Technik den Wetterbeobachtern hilft, ist nicht neu. Schon seit Mitte der 1990er Jahre hielt sie Einzug, ermittelte Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit, Luftdruck und teils die Sonnenstunden. Seit Mitternacht soll sie weitere Daten wie Niederschlagsmengen und Sichtweiten übernehmen. Noch fehlen laut DWD auf dem Bocken der Schneehöhensensor und der Niederschlagssammler in der Bergversion.

Der Gedanke, dass nun Technik übernimmt, fällt dem Wetterexperten nicht leicht. Er sei eben mit Liebe und Herzblut dabei. Für Kinkeldey ist die Arbeit auf dem höchsten Harzgipfel eine Leidenschaft. Der Brocken mit seinen Extremen hat es dem 40-Jährigen angetan. "2005/06 hatten wir knapp drei Meter Schnee, auch die letzten zwei Winter hatten wir um die zwei Meter." Ihn begeistern auch die skurrilen, massiven, schon mal 2,5 Meter langen Eisablagerungen, die der Wind hier entstehen lässt. "Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es solche massiven Eisablagerungen."

Und überhaupt der Wind: inmitten von Flachland bilde der Harz ein Bollwerk, der Wind werde beschleunigt. Mit einer durchschnittlichen Windstärke 6, um die 45 Kilometer je Stunde, sei der Brocken der windigste Ort in Mitteleuropa. Zirka 200 Tage mit Sturm gibt es hier jedes Jahr, über 100 Tage mit Orkan, das sind dann 120 Kilometer je Stunde und mehr.

Kinkeldey selbst hat 2017 eine Windgeschwindigkeit von 205 Kilometern pro Stunde gemessen. Damals sorgte "Friederike" dafür, dass aus seiner 12-Stunden-Schicht 30 Stunden wurden. Es führte einfach kein Weg den Berg runter. Bäume waren umgestürzt, selbst für die Feuerwehr hätte Gefahr bestanden.

Messnetz wird automatisiert

Auch ohne Schnee schön - der Brocken.

Auch ohne Schnee schön - der Brocken.

(Foto: imago images / Christian Grube)

Dass nun Technik anstelle der Wetterbeobachter zum Einsatz kommt, begründet der DWD mit einem gewachsenen Aufgabenspektrum des nationalen Wetterdienstes. Die vorhandenen Personalressourcen wüchsen nicht mit. Deshalb werde seit einigen Jahren Schritt für Schritt das gesamte Messnetz automatisiert - gut 160 von 182 hauptamtlichen DWD-Stationen arbeiteten schon vollautomatisch.

2014 lief die Automatisierung auf dem Feldberg im Schwarzwald an, im Juni 2018 auf der Zugspitze, zum vergangenen Jahreswechsel auf Fichtelberg. Zum 1. Januar 2020 ist neben dem Brocken auch die Wasserkuppe in der Rhön dran. Die Beschäftigten der Wetterwarten werden laut DWD in anderen Aufgabengebieten weiterbeschäftigt.

Ganz ohne Probleme läuft die Automatisierung laut DWD aber doch nicht. Bei einzelnen Instrumenten etwa zur Schneehöhenmessung oder der Ermittlung der Niederschlagsmenge gebe es noch technische Probleme. Die sollen gelöst werden, heißt es vom DWD. Für die Qualität der Wettervorhersage seien die Probleme nicht entscheidend, denn die Wetterbeobachtung sei ein Baustein neben Wettersatelliten, -radar und Wetterballonaufstiegen.

Und was wird aus Marc Kinkeldey? Ab dem neuen Jahr wird der Wetterbeobachter teils auf Flughäfen unterwegs sein an den Flugwetterwarten. Doch so ganz muss er vom Brocken nicht Abschied nehmen: Einen Teil seiner Arbeitszeit wird er noch auf dem Gipfel verbringen und die Radioaktivität messen.

Quelle: ntv.de, jwu/dpa

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