Panorama

Montgomery bei ntv Corona-Demonstranten "haben Schuss nicht gehört"

Frank Ulrich Montgomery - hier im Gespräch mit ntv-Moderatorin Doro Steitz - ist Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes.

Frank Ulrich Montgomery - hier im Gespräch mit ntv-Moderatorin Doro Steitz - ist Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes.

Der Vorsitzende des Weltärztebundes Frank Ulrich Montgomery ist für eine härtere Gangart gegenüber Ungeimpften: 2G in Bus und Bahn sowie am Arbeitsplatz - "ja, so hart ist das!", sagt er im ntv-Interview. Auch für Anti-Corona-Demonstranten hat der Mediziner kein Verständnis.

In Thüringen und Sachsen gibt es Anti-Corona-Proteste, das geht hin bis zu Fackelaufmärschen vor Privathäusern von Politikern und Politikerinnen. Müsste die Polizei da nicht härter eingreifen?

Frank Ulrich Montgomery: Ich bin Gesundheitsexperte, nicht Innen- oder Polizeiexperte. Aber ich hab das Gefühl diese Menschen, die dort demonstrieren, haben den Schuss nicht gehört. Man muss mit der Polizei derartige Aufmärsche unterbinden. Wenn der Staat auf sein Monopol verzichtet, hier zu sagen, was Sache ist, dann ist wirklich etwas mit der Demokratie nicht in Ordnung. Ich glaube, hier müsste man sehr viel härter eingreifen.

Jetzt soll eine Impfpflicht kommen. Kann man die bei diesen Menschen durchsetzen oder meinen Sie, das führt zu einer weiteren Radikalisierung?

Impfpflicht heißt ja nicht Impfzwang. Wir werden niemanden mit der Polizei vorführen, um ihm eine Spritze in den Armen zu geben. Aber diese Menschen werden zunehmend mehr Ausgrenzung erfahren. Sie sind ja eine kleine, wenn auch laute Minderheit. Sie werden halt nicht mehr fliegen können, sie werden nicht mehr mit der Bahn fahren können, sie werden Restaurants, Kinos, Theater nicht mehr besuchen können. Vielleicht setzt dann beim einen oder anderen doch noch das Denken ein.

Sind Sie ein Befürworter der allgemeinen Impfpflicht?

Ich bin ein Befürworter der allgemeinen Impfpflicht, aber ohne Impfzwang, also ohne das gewalttätige Durchsetzen des Impfens. Das geht wirklich in unserer freiheitlichen Grundordnung nicht.

Sollte eine Impfpflicht nur für Erwachsene oder auch für Kinder gelten?

Im Moment ist die wissenschaftliche Lage bei Kindern noch nicht ganz klar. Man kann Kinder gefahrlos impfen - das ist inzwischen klar. Aber ob sie wirklich mehr Nutzen als Risiko in der Impfung haben, das ist noch nicht klar. Hier warten wir alle auf die Ergebnisse der STIKO. Deswegen kann man eine Impfpflicht im Moment mit Sicherheit nur für die Erwachsenen konstruieren. Aber man wird darüber nachdenken, ob man es auf die Kinder ausdehnt. Übrigens werden die meisten Impfungen bei Kindern vorgenommen und nicht bei Erwachsenen - und da fragt kein Mensch.

STIKO-Chef Mertens sagt, er würde seine eigenen Kinder derzeit noch nicht impfen lassen. Warum sagt er das?

Ach, sowas rutscht jedem von uns mal raus. Wir sind keine Kommunikationsexperten. Man weiß manchmal gar nicht, was man damit auslöst. Er hat wahrscheinlich sagen wollen, im Moment will er es noch nicht machen, weil er ja auch noch gar nicht die Daten hat. Ich bin sicher, wenn dann die STIKO sich dafür entschieden haben sollte, wird er seine Kinder auch impfen lassen.

In Düsseldorf ist jetzt ein Kind positiv auf die Omikron-Variante getestet worden, auch in Südafrika sind sehr viele junge Menschen betroffen. Wie groß sind Ihre Sorgen?

Die Sorgen sind groß. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass, wenn man die Veränderungen am Spike-Protein sieht, kann man daraus rückschließen, ohne dass wir das schon genau wissen, dass dieses Virus wesentlich ansteckender sein wird als andere Varianten. Bisher haben wir keine Hinweise dafür, dass es auch deutlich tödlicher ist. Was wir insofern langfristig nicht wissen ist, ob eine sogenannte Immun-Escape mit drin ist - also ob es der Impfung entkommen kann. Wenn das der Fall wäre, dann hätten wir ein echtes Problem. Aber wir sind noch am Anfang der wissenschaftlichen Forschung.

Der neue Gesundheitsminister heißt Karl Lauterbach, ein Kollege von Ihnen. Was erwarten Sie von ihm?

Erstens ist es ein tolles Zeichen von Olaf Scholz, einen kompetenten, pandemisch erfahrenen Menschen als Gesundheitsminister einzusetzen. Er setzt damit ein klares Signal für Priorität in seiner Regierung. Karl Lauterbach ist unbestritten ein großer Kenner der Pandemie und dieser Szene. Er wird deswegen da mit Sicherheit einen guten Job machen. Ich hoffe, dass er genügend Menschen an seiner Seite hat, die seine manchmal etwas chaotisch anmutenden Dinge dann sauber in die Regierungsbahnen lenken können. Aber ich glaube, er wird ein großer positiver Faktor dieser Regierung werden.

Was müsste er denn jetzt als Erstes anpacken?

Als Erstes muss er sich um die Impfpflicht kümmern. Dann muss er natürlich für die Verteilung des Impfstoffes sorgen, und wir müssen uns auf die fünfte Welle vorbereiten. Wir Ärzte denken beim Impfen ja schon längst an die nächste Welle, denn mit dem Impfen werden wir diese Welle nicht mehr in den Griff kriegen.

Trotzdem geht es zurzeit viel um Impfen und Boostern, und da hakt es. Beim Impfzentrum oder beim Hausarzt kommt man nicht durch, und nicht alle Menschen haben Lust, sich stundenlang in der Kälte in die Schlange zu stellen. Viele kritisieren, das müsste besser organisiert werden. Muss es das?

Absolut, da kann Karl Lauterbach sehr positiv wirken, denn es ist in der Tat natürlich absurd, dass wir jemanden mühselig überzeugen sich impfen zu lassen und den dann drei Stunden in der Kälte vor dem Impfzentrum ausharren lassen. Das geht nicht, und das muss er anpacken, das muss er lösen. Aber hier haben auch die Landesgesundheitsminister ihre Verantwortung.

Erwarten Sie weitere Einschränkungen wie Lockdowns oder andere Maßnahmen? Was wäre da jetzt wichtig?

Ich bin der Meinung, es braucht 2G auch noch in weiteren Bereichen. Bei Bus und Bahn ist natürlich das Problem, da die Menschen ja auch zur Arbeit kommen müssen. Aber wenn sie ungeimpft auch nicht mehr arbeiten können, brauchen sie auch keinen öffentlichen Personennahverkehr mehr, um dahin zu kommen. Ja, so hart ist das! Aber wer sich der Vernunft entzieht und sich nicht impfen lässt, der muss auch die Folgen seines unvernünftigen Handelns tragen.

Mit Frank Ulrich Montgomery sprach Doro Steitz

Quelle: ntv.de

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