Politik

Kuriosum Minister-Auswahl Lauterbach ist offensichtlich, aber überraschend

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Lauterbach soll ab Mittwoch als Gesundheitsminister im Team Scholz spielen. Mit der Pandemie-One-Man-Show ist es damit erstmal vorbei.

(Foto: REUTERS)

Dass Karl Lauterbach Gesundheitsminister wird, war einerseits erwartbar: "Wer denn sonst?", könnte man fragen. Dennoch ist die Personalie eine große Überraschung. Allerdings eine, die Sinn ergibt.

Am Sonntagabend bei Anne Will war Karl Lauterbach noch ganz Karl Lauterbach, wie man ihn kennt. Er redete über Omikron, über Inzidenzen und über neue Studien, die er "im Stundentakt" lese. Bis die Moderatorin ihn fragte, ob Olaf Scholz denn nun schon angerufen habe. Um ihm mitzuteilen, dass er der nächste Gesundheitsminister wird. Aber statt die mögliche Jubelnachricht zu bestätigen, antwortete Lauterbach wie ein Parteisoldat, der davon ausgeht, dass er es nicht wird.

Die SPD habe ja viele Leute, die es könnten, meinte er, und dass die Entscheidung noch nicht gefallen sei. Woraufhin die Duisburger Intensivärztin Carola Holzner ihn anstrahlte und meinte, sie und ihre Kollegen würden sich sehr freuen, wenn er Gesundheitsminister würde. "Ich appelliere nochmal, es gibt keinen, der das so ausführt, wie Sie". Und selbst da bewahrte Lauterbach sein Pokerface. "Vielleicht schaut Olaf Scholz ja zu", meinte er nur.

Zwölf Stunden später steht ebenjener Scholz im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Parteizentrale, und sagt: "Er wird es!" Man könnte meinen, er habe auf Lauterbachs Fürsprecherin in der Sendung gehört - doch dem war nicht so. Dem Vernehmen nach wusste Lauterbach bereits, dass er Minister wird, als er im Studio saß und noch so tat, als sei nichts entschieden. Das muss man ihm nicht übel nehmen. In der Politik muss man auch mal schweigen können. Womit Lauterbach nebenbei manche Kritiker beruhigt haben könnte, doch dazu später mehr.

"Er wird es"

Am Morgen im Willy-Brandt-Haus sagte Scholz nach wenigen einleitenden Worten: "Und deshalb haben sich, anders kann man das gar nicht sagen, bestimmt die meisten Bürgerinnen und Bürger gewünscht, dass der nächste Gesundheitsminister vom Fach ist und das wirklich gut kann und dass er Karl Lauterbach heißt." Dabei setzte er sein leicht verkniffenes Scholz-Schmunzeln auf und Lauterbach stürmte fast auf die Bühne, schließlich dürfte er viele Jahre auf diesen Moment gewartet haben. Als erstes bedankte er sich bei seiner Partei für das Vertrauen und dann bei "der Bevölkerung". Seine erste Botschaft: "Wir werden die Pandemie meistern."

Dass er sich als Erstes bei der Partei bedankte, hatte einen guten Grund. Denn obwohl Lauterbach für die meisten Menschen im Lande die offensichtliche Wahl als Gesundheitsminister gewesen sein dürfte, war seine Nominierung keineswegs ausgemacht. Aus der Fraktion war zu vernehmen, dass ihm dort nicht alle Herzen zuflögen. Eher sollen manche genervt gewesen sein von seiner professoralen Art. "Karl hat wieder eine Studie gelesen", habe es dann geheißen. So gesehen war sein schneller Dank an die Partei auch der Wink an die Partei, dass diese ihm kaum egal sein dürfte und er sich nicht als Pandemie-One-Man-Show sieht.

Eine Alternativkandidatin war Sabine Dittmar, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD und damit formal die Fachfrau ihrer Partei. Auch sie ist übrigens eine Ärztin. Da gab es also eine Expertin, die zwar kaum jemand kannte, aber intern hohes Ansehen genießt. Wenn dann jemand wie Lauterbach ständig im Fernsehen ist, kann das auch für Unmut sorgen. Nach dem Motto: Frau Dittmar schuftet hier im Bundestag, während jemand anderes die gesamte Aufmerksamkeit einheimst. Für sie hätte auch ihr Frausein sprechen können, da Scholz mindestens so viele Frauen wie Männer im Kabinett haben wollte.

"Nikolaus ist, wenn Wünsche erfüllt werden"

Diesem einen vermutlich vorhandenen Geltungsdrang als einzige Motivation zu unterstellen, wäre unfair. Er ist Arzt und Epidemiologe, daher ist es sinnvoll, dass er sich oft und ausführlich öffentlich äußert. Kein Wunder, dass sich viele Medien um ihn reißen. Dieser kommunikative Aspekt ist nicht zu unterschätzen: Millionen Menschen kennen Lauterbach bereits und vertrauen ihm. Wenn so ein Fachmann auch Minister wird, könnte das der Pandemiebekämpfung helfen, einfach, weil er zu jenen gehört, denen zugehört wird. Seine fachliche Eignung als Minister steht jedenfalls außer Frage.

Dennoch darf man auch Zweifel an Lauterbach haben. Zum Beispiel muss er erst noch nachweisen, dass er in der Lage ist, ein großes Ministerium zu führen und tatsächlich Politik zu machen. So versiert er in der Sache sein mag, ob er als Professor auch das Gesundheitswesen reformieren, ja vielleicht sogar verbessern kann, muss sich erst noch zeigen. Doch in dieser Bringschuld hätten auch alle anderen gestanden, die für das Amt infrage gekommen wären.

Die Wahl macht aber auch aus Sicht von Scholz durchaus Sinn - denn Lauterbach wäre wahrscheinlich das geblieben, was er jetzt schon war: ein Schatten-Gesundheitsminister. Nun legt er Lauterbach in gewisser Weise an die Kette. Jetzt ist er in der Verantwortung und kann die Regierungspolitik nicht mehr vom Spielfeldrand aus kommentieren. Damit macht sich der künftige Kanzler das Leben etwas leichter. Er erspart sich auch den Unmut der zahlreichen Lauterbach-Fans, auch unter den Journalisten.

Und wer weiß, vielleicht gab es auch schlicht niemanden sonst, der oder die das Amt übernehmen wollte, um dann "unter Karl Lauterbach" Gesundheitsminister zu werden, wie manche meinen. Dessen Fans werden es mit Kevin Kühnert halten. Der Vize-Vorsitzende der SPD twitterte: "Nikolaus ist, wenn Wünsche erfüllt werden. Ihr wolltet ihn - ihr kriegt ihn. Gesundheitsminister Karl Lauterbach!"

Quelle: ntv.de

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