Panorama

Begriffe aus Corona-Krise und EU Erstmals zwei "Unwörter des Jahres"

Menschen demonstrieren am Silvesterabend in Stuttgart gegen die Corona-Politik.

Menschen demonstrieren am Silvesterabend in Stuttgart gegen die Corona-Politik.

(Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Erstmals wählt eine Darmstädter Jury zwei Begriffe als Unwörter aus. Das eine kommt wenig überraschend aus der Corona-Krise, das andere betrifft Abschiebungen. Die Jury will die Negativauszeichnung nicht als Zensurversuch verstanden wissen.

Wie erwartet ist in diesem Jahr ein Begriff aus der Covid-19-Pandemie zum Unwort des Jahres gekürt worden. Die Jury der sprachkritischen Aktion in Darmstadt bedachte die Ausdrücke "Corona-Diktatur" und "Rückführungspatenschaften" mit der Negativauszeichnung. Als "Corona-Diktatur" bezeichnen Gegner von Einschränkungen des öffentlichen Lebens den Staat und die Regierung. Damit setzen sie aber die demokratisch herbeigeführten Beschlüsse zur Pandemie-Bekämpfung in einen Zusammenhang mit echten Diktaturen wie dem Nazi-Regime oder der DDR. Der Begriff verharmlose diese und verhöhne Menschen, die inhaftiert, gefoltert oder getötet worden seien.

Unwörter seit 2010

2019 - "Klimahysterie": Mit dem Wort werden nach Auffassung der Jury Klimaschutzbemühungen und die Klimaschutzbewegung diffamiert.

2018 - "Anti-Abschiebe-Industrie": Der Begriff verhöhnt aus Sicht der Jury geltendes Recht. Er zeige auch, wie sich der politische Diskurs nach rechts verschoben habe.

2017 - "Alternative Fakten": Mit dem Begriff sollen aus Sicht der Jury Falschbehauptungen politisch salonfähig gemacht werden.

2016 - "Volksverräter": Das Wort sei ein "Erbe von Diktaturen" unter anderem der Nationalsozialisten.

2015 - "Gutmensch": Der Vorwurf diffamiere Hilfsbereitschaft und Toleranz pauschal als naiv und dumm, begründet die "Unwort"-Jury.

2014 - "Lügenpresse": Diese pauschale Verurteilung "verhindert fundierte Medienkritik und leistet einen Beitrag zur Gefährdung der (...) Pressefreiheit", so die Jury.

2013 - "Sozialtourismus": Der Ausdruck diskriminiert laut Jury Menschen, "die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen".

2012 - "Opfer-Abo": Die Jury kritisiert, der Begriff stelle Frauen pauschal unter den Verdacht, sexuelle Gewalt zu erfinden und damit selbst Täterin zu sein.

2011 - "Döner-Morde": Der Begriff wurde für die Mordserie des rechtsextremistischen NSU verwendet.. Damit würden ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt, erklärt die Jury.

2010 - "alternativlos": Das Wort suggeriere zu Unrecht, dass keine Diskussion mehr notwendig sei.

Das Wort "Rückführungspatenschaften" bezeichne einen von der EU-Kommission vorgeschlagenen Mechanismus der Migrationspolitik, bei dem EU-Mitgliedstaaten anderen Verantwortung für Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern abnähmen. Der Begriff sei "zynisch und beschönigend", teilte das Gremium mit. Mit Rückführung sei nichts anderes gemeint als Abschiebung und die Patenschaft sei ein eigentlich positiv besetzter Begriff.

Verstöße gegen Menschenwürde und Demokratie

Es war das erste Mal, dass die Jury zwei Begriffe als "Unwörter" auszeichnete. In einer Mitteilung hieß es, die Auszeichnung sei nicht als Zensurversuch zu verstehen, sondern als "Anlass zur Diskussion über den öffentlichen Sprachgebrauch". Die Corona-Pandemie war bei den Vorschlägen das dominierende Thema der 1826 bis zum 31. Dezember eingegangenen Einsendungen. Es gab 625 unterschiedliche Vorschläge. 75 der Wörter entsprachen einem der vier Unwort-Kriterien.

Die sprachkritische Aktion "Unwort des Jahres" möchte auf unangemessenen Sprachgebrauch aufmerksam machen und so sensibilisieren. Dabei werden Wörter gerügt, die gegen die Prinzipien der Menschenwürde oder Demokratie verstoßen, die gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder die euphemistische, verschleiernde oder irreführende Formulierungen sind. Reine Schimpfwörter zählen nicht. Vorschläge müssen eines der Kriterien erfüllen. Die Jury richtet sich nicht nach der Menge der Vorschläge für ein einzelnes Wort. Das "Unwort des Jahres" wird seit 1991 gekürt. 2019 war es "Klimahysterie". Ab dem kommenden Jahr wird eine neue Jury über die Unwörter entscheiden.

Quelle: ntv.de, vpe/dpa

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