Undercover RTL-Recherche Rechnen Alloheime zu viel Pflegepersonal ab?
16.10.2025, 18:45 Uhr Artikel anhören
Für eine mobilisierende Pflege reicht das Personal nur selten.
(Foto: RTL)
Zum wiederholten Mal nimmt das Wallraff-Investigativ-Team die Pflegeheime der Alloheim-Gruppe unter die Lupe. Zuvor gehen wieder Hinweise auf massive Personalmissstände ein. Abrechnungsdokumente des Unternehmens legen einen Betrugsverdacht nahe.
Der größte Pflegeheimbetreiber Deutschlands soll in großem Stil Pflegekräfte gegenüber Pflegekassen falsch abgerechnet haben. Das legen Recherchen von RTL und Stern bei den Alloheim Senioren-Residenzen nahe. Ein Reporterteam war dafür in mehreren Pflegeheimen undercover im Einsatz, sprach mit früheren und gegenwärtigen Mitarbeitenden des Unternehmens und konnte interne Firmenunterlagen einsehen.
Konkret geht es um die Frage, ob Alloheim in den Jahren 2024 und 2025 in fast der Hälfte seiner bundesweit 291 Heime über Monate hinweg zu wenig Personal eingeplant hat. Eine Auswertung von Dokumenten des Unternehmens, die RTL und Stern vorliegen, zeigt, dass anscheinend im Zeitraum von Januar 2024 bis einschließlich April 2025 in durchschnittlich 130 Heimen rund 430 Pflegekräfte bei den Kassen abgerechnet wurden, obwohl diese gar nicht im Dienst waren. Die ganze Recherche "Team Wallraff - Reporter undercover: Das miese Geschäft mit der Pflege" zeigt RTL heute um 20.15 Uhr und ist jederzeit auf RTL+ abrufbar.
Alloheim wies auf Anfrage den Vorwurf zurück, dass der Betreiber bewusst mehr Mitarbeiter abgerechnet hat als eingesetzt. Das Unternehmen teilte dazu mit: "Kostenträger finanzieren der Alloheim Gruppe nicht mehr Personalkosten, als von unserem Unternehmen tatsächlich aufgewendet werden." Eine tatsächliche Unterbesetzung von 430 Vollzeitkräften gegenüber dem von den Pflegekassen refinanzierten Schlüssel habe nachweislich nicht bestanden.
Vorwürfe nicht vom Tisch
Kurz vor der Ausstrahlung teilte die zuständige Staatsanwaltschaft Wuppertal mit, dass sie keinen Anfangsverdacht für einen strafrechtlich relevanten Abrechnungsbetrug sieht. Eine Sprecherin der AOK Rheinland/Hamburg bestätigte, dass man den Sachverhalt derzeit prüfe. Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, könnten auf Alloheim unter anderem Rückzahlungen in Millionenhöhe zukommen. Bei Unterschreitungen der vorzuhaltenden Personalmengen sieht das Sozialgesetzbuch ein bestimmtes Verfahren vor, nach welchem die Vergütung zu kürzen ist. Zudem könnten Bewohner unter bestimmten Voraussetzungen sogar Schadenersatz von Alloheim bei Pflegefehlern fordern, die auf fehlendes Personal zurückzuführen sind.
Bei den Recherchen waren Reporterinnen undercover in mehreren Pflegeheimen des Unternehmens und beobachteten dort auch schwere Pflegefehler, die laut der Einschätzung von Pflegeexpertin Andrea Würtz teilweise auf eine zu hohe Belastung des Personals zurückgingen. Senioren lagen demnach teils stundenlang in ihren Ausscheidungen, auch weil nach Angaben von Mitarbeitenden an Inkontinenzmaterialien gespart werde. Behauptungen, dass es Vorgaben gebe, an Materialien zu sparen, nennt Alloheim falsch. "Pflegedienstleitungen haben den Bedarf im Blick", heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens.
Die Reporter erleben zudem Alloheim-Mitarbeiter, die Medikamente verabreichen, obwohl sie es nicht dürfen. Alloheim weist auch diese Vorwürfe über einen Anwalt schriftlich zurück. Die Verabreichung von Medikamenten obliege ausschließlich examiniertem Pflegefachpersonal oder - in dokumentierten Fällen - auch Pflegefachassistenten. "Sollte es in Einzelfällen Fehlverhalten geben, ziehen wir die erforderlichen Konsequenzen."
Mängelliste bei der Heimaufsicht
In einem Heim dokumentierte die Heimaufsicht während der Recherchen nachweislich erhebliche Mängel. Demnach wurden "Probleme bei der Medikamentenversorgung", "Mängel in der Grundpflege und Wundversorgung" und "gravierende Mängel in der Dokumentation" festgestellt. Die Heimaufsicht ordnete daraufhin Schulungen an und erteilte Auflagen.
Erst im Juni hatte die Heimleitung in einem Pflegeheim der Alloheim-Gruppe im niedersächsischen Bramsche das Deutsche Rote Kreuz verständigt, weil es nach Krankmeldungen gleich mehrerer Mitarbeitender zu einem zeitweiligen Personalnotstand gekommen war. DRK-Kräfte unterstützten das Heim, bis eigene Alloheim-Mitarbeiter das ausgefallene Personal ersetzen konnten. Auf RTL-Nachfrage teilte Alloheim dazu mit, es habe am 1. Juni "einen vorübergehenden Personalengpass aufgrund kurzfristiger, gleichzeitiger Krankmeldung mehrerer Mitarbeitender am frühen Morgen" gegeben. Die Versorgung der Bewohner sei aber zu jeder Zeit gewährleistet gewesen.
Die Firmengruppe Alloheim Senioren-Residenzen mit Sitz in Düsseldorf ist der größte private Pflegeheimbetreiber in Deutschland: Sie betreibt bundesweit rund 300 Heime und hat etwa 24.000 Mitarbeiter und 28.000 Pflegeplätze. Seit Ende 2017 gehört sie der schwedischen Firma Nordic Capital, einem Private-Equity-Unternehmen.
Quelle: ntv.de, sba