Politik

Störung in Ölkreisläufen AKW Brunsbüttel vom Netz

Das Atomkraftwerk Brunsbüttel ist erneut unplanmäßig heruntergefahren worden. Auslöser waren nach Angaben von Betreiber Vattenfall Auffälligkeiten in den Ölkreisläufen eines Eigenbedarfstransformators. Die Kreisläufe würden gespült und das Öl gewechselt, erläuterte das Unternehmen. Dafür müsse die Leistung des Kraftwerks für etwa acht bis zehn Stunden heruntergefahren werden. Laut Vattenfall handelt es sich nicht um ein meldepflichtiges Ereignis.

Die Atomaufsicht in Kiel hatte nach eigenen Angaben Vattenfall bereits im November 2006 aufgefordert, die Überwachung der Transformatorenöle zu intensivieren. Vorausgegangen waren Erkenntnisse zum Brand eines Transformators in der schwedischen Anlage Ringhals. Bei Messungen der erst in der Revision 2007 in Brunsbüttel gewechselten Öle seien Werte festgestellt worden, die nicht den erwarteten entsprachen, erklärte das für die Atomaufsicht zuständige schleswig-holsteinische Sozialministerium in Kiel. Die Ursachenklärung für die verminderte Ölqualität dauere an.

Damit wurde das AKW Brunsbüttel zum dritten Mal in den vergangenen vier Wochen heruntergefahren. Brunsbüttel läuft nach Einschätzung der Deutschen Umwelthilfe mit schweren Sicherheitsmängeln. Eine Analyse von Gutachtern habe zum Stichtag Juni 2006 rund 650 offene Punkte ausgewiesen, "von denen sich 165 als besonders prekär erwiesen", sagte der DUH-Politikleiter Gerd Rosenkranz. Dazu gehörten Werkstoff-Probleme, Mängel in der Elektro- und Leittechnik und fehlende Bruchsicherheitsnachweise im Rohrsystem. Die Umwelthilfe forderte vollständige Sicherheitsnachweise oder eine Zwangsabschaltung des Kraftwerks binnen vier Wochen.

Widerstand gegen Gabriel

Unterdessen widersetzt sich die Atomindustrie dem Drängen von SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel, ältere AKW wegen Sicherheitsbedenken früher abzuschalten. Die Energiekonzerne RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall wollten an ihren Plänen festhalten, Laufzeitverlängerungen für die drei älteren Kernkraftwerke Biblis A, Neckarwestheim 1 sowie Brunsbüttel zu beantragen, um im Gegenzug modernere Meiler früher abzuschalten, schreibt die "Berliner Zeitung" unter Berufung auf eigene Informationen.

An dieser Absicht ändere auch die Tatsache nichts, dass Gabriel alle Betreiber für Ende August zu einem Gespräch über Restlaufzeiten eingeladen habe, um eine Übertragung von jüngeren auf ältere Meiler wie den Pannen-Reaktor Brunsbüttel zu verhindern. Auch juristische Mittel sollten weiter verfolgt werden, um Genehmigungen für die Laufzeitverlängerung der älteren Reaktoren im Zweifel vor Gericht zu erstreiten.

Hohe Hürden

Der Essener Energiekonzern RWE will seinen Meiler Biblis A länger laufen lassen als nach dem Atomausstiegsgesetz eigentlich vorgesehen, dafür sollen Restlaufzeiten der Reaktoren Mülheim-Kärlich und Lingen (Emsland) auf Biblis A übertragen werden. Ähnliche Laufzeitübertragungen möchten die Betreiber EnBW sowie Vattenfall/E.ON bei ihren Meilern Neckarwestheim beziehungsweise Brunsbüttel und Krümmel vornehmen, schreibt die Zeitung.

Nach Bundesumweltminister Gabriel sprach sich allerdings auch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) für das Auslaufen alter Atomkraftwerke aus. "Keines der alten Kernkraftwerke wäre heute noch genehmigungsfähig", sagte der Präsident des Bundesamtes, Wolfram König. Sowohl das Atomgesetz als auch der zwischen Stromversorgern und Bundesregierung geschlossene Atomkonsens sehe die Übertragung von Strommengen von alten auf neuere Anlagen als Regelfall vor. Für einen Entzug der Betriebserlaubnis wegen mangelnder Sicherheit gebe es wegen des Bestandsschutzes allerdings hohe Hürden, sagte König.

Wulff für Verlängerung

Nach den Atomkonzernen hat sich auch der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff gegen ein früheres Abschalten von älteren Atomkraftwerken ausgesprochen. Wulff sagte, er hielte es für fragwürdig, wenn in Deutschland Atomkraftwerke nach rund 30 Jahren abgeschaltet würden, während andere Länder wie die Niederlande, Finnland oder Schweden neue errichteten und Laufzeiten auf 60 Jahre verlängerten.

"Ein Kernkraftwerk, das dem höchsten Stand der Sicherheit entspricht, frühzeitig vom Netz zu nehmen, dient nicht den Zielen des Klimaschutzes und ist Vernichtung von volkswirtschaftlichem Vermögen", sagte Wulff. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende sagte, an einem Energiemix unter Einschluss der Atomenergie führe in absehbarer Zeit kein Weg vorbei, und mahnte, zunächst den gesamten Bericht zu den Störfällen in den AKWs Brunsbüttel und Krümmel abzuwarten, bevor pauschale Urteile gefällt würden.

Bauernopfer

Der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin fordert unterdessen die Entlassung von Vattenfall-Chef Klaus Rauscher. "Ich finde, dass man die Frage nach der Verantwortung von Klaus Rauscher stellen muss", sagte Trittin: "Es kann nicht sein, dass es bei der Entlassung von Bruno Thomauske, dem Leiter der Kraftwerkssparte, bleibt. Der ist nur ein Bauernopfer."

Trittin rief die Bundesregierung auf, "dringend darüber nachzudenken, welche Berater sie sich hält". Der Chef des schwedischen Mutterkonzerns Vattenfall AB, Lars Josefsson, ist Klimaberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Josefsson habe "in kürzester Zeit mehrere Zwischenfälle in seinen Atomkraftwerken zu verantworten", kritisierte Trittin. Die Sicherheitskultur in den Atomkonzernen müsse verbessert werden. "Außerdem sollte die Atomaufsicht beim Bund konzentriert werden", sagte Trittin: "Einer sterbenden Branche muss man noch genauer auf die Finger schauen, ob sie auch alles richtig macht."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen