Heftige Zusammenstöße in Teheran Ahmadinedschad gewinnt Wahl
13.06.2009, 19:50 Uhr
Einige Demonstranten zündeten einen Bus sowie zwei Polizeimotorräder an ...
(Foto: AP)
Die überraschend deutliche Wiederwahl von Mahmud Ahmadinedschad bei den Präsidentschaftswahlen im Iran hat massive Proteste von Anhängern des Gegenkandidaten Mir-Hossein Mussawi ausgelöst. In Teheran gab es bei Protesten von tausenden zumeist jungen Menschen gegen Ahmadinedschad teils heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei. Mussawi hatte zuvor "zahlreiche und sichtbare Unregelmäßigkeiten" bei der Wahl kritisiert und das Ergebnis nicht anerkannt.
Es handelte sich um die größten Proteste seit der Islamischen Revolution. Mussawi sprach von "Unregelmäßigkeiten" bei der Wahl und erklärte, er werde Ahmadinedschads Sieg nicht anerkennen. Er wurde von der Polizei daran gehindert, eine Pressekonferenz zu geben. Auch eine Rede Mussawis an seine Anhänger wurde verhindert. Mussawis Hauptquartier wurde durch das Innenministerium abgeriegelt.
"Ahmadinedschad, schäme Dich"
Gegen Ahmadinedschads Wiederwahl für die nächsten vier Jahre gingen in Teheran tausende meist junge Mussawi-Anhänger auf die Straße. Sie riefen Parolen wie "Tod dem Diktator" und "Ahmadinedschad, schäme Dich". Einige Demonstranten bewarfen Polizeibeamte mit Steinen, steckten Mülleimer in Brand und zündeten einen Bus sowie zwei Polizeimotorräder an.
Die Polizei ging mit Knüppeln und Tränengas gegen die Demonstranten vor und bahnte sich ihren Weg durch die Menge mit Motorrädern, von denen aus sie zuschlug. Mindestens drei Menschen wurden verletzt. Dutzende Demonstranten wurden festgenommen. Die Polizei erhielt Unterstützung von der islamischen Basidsch-Miliz. Deren Angehörige waren in Zivil gekleidet im Einsatz. In einer kurzen Erklärung rief Mussawi seine Anhänger auf, Ruhe zu bewahren. Sie sollten sich von "Unruhestiftern" nicht in eine Falle locken lassen, schrieb Mussawi. Er erklärte, Mitglieder seines Wahlteams seien "mit Schlagstöcken, Holzstöcken und Elektrostäben" geschlagen worden.
Aus Sorge vor massiven Protesten der Opposition hatten die Teheraner Behörden ein Demonstrationsverbot erlassen. In Teheran waren über das Netz der größten Mobilfunkgesellschaft des Landes keine Telefonate möglich. Die Polizei werde entschlossen gegen jede Versammlung oder Kundgebung vorgehen, die ohne Genehmigung stattfinde, erklärte der stellvertretende Polizeichef von Teheran, Mohsen Chandscharli. "Die Polizei geht nicht gegen die Leute vor, sondern nur gegen diejenigen, die die öffentliche Ordnung stören." Er warf Demonstranten vor, Autos beschädigt zu haben.
Die Wahl hatte Millionen Iraner mobilisiert. Die Wahlbeteiligung lag laut Innenministerium bei einem Rekordwert von 85 Prozent. Im Vorfeld der Wahl hatten viele Anhänger Mussawis Kundgebungen über Textnachrichten organisiert, doch seit Donnerstag ist das SMS-System im Iran abgeschaltet. Weiter genutzt werden kann von den zumeist jugendlichen Anhängern Mussawis das Internet.
"Zahlreiche und sichtbare Unregelmäßigkeiten"
Wie das Innenministerium in Teheran mitteilte, errang Ahmadinedschad bei dem Urnengang am Freitag 62,63 Prozent der Stimmen und vermied so eine Stichwahl. Sein aussichtsreichster Gegenkandidat, Ex-Regierungschef Mussawi, kam demnach auf einen Stimmenanteil von 33,75 Prozent. Weit abgeschlagen landeten der frühere Chef der Revolutionsgarden Mohsen Resai mit 1,73 Prozent auf dem dritten Platz und Ex-Parlamentspräsident Mehdi Karubi mit 0,85 Prozent auf dem vierten Platz.
Mussawi erklärte bereits vor der offiziellen Verkündung der Wahlergebnisse, er werde sich der "gefährlichen Inszenierung" eines Ahmadinedschad-Siegs nicht beugen. Der gemäßigte Konservative, der von Teilen des Reformlagers unterstützt wurde, protestierte "scharf gegen zahlreiche und sichtbare Unregelmäßigkeiten" bei dem Urnengang. Auf seiner Internetseite erklärte der Oppositionspolitiker, die Iraner wüssten ganz genau, für wen sie gestimmt hätten. Sie würden weder "das Stimmzähl-Theater im (staatlichen) Fernsehen akzeptieren noch jenen folgen, die sich die Macht durch Lug und Trug erschwindelt haben". "Die Lügen und Tyrannei werden eine verheerende Wirkung auf das Schicksal unseres Landes haben."
Ahmadinedschad sprach nach seinem Sieg vom Beginn einer neuen Ära. Die Menschen im Iran seien nun voller Hoffnung, sagte Ahmadinedschad. Die Wahl habe auch gezeigt, dass die Menschen wollten, dass der Iran respektiert werde, erklärte der international umstrittene Präsident. Er verwies auf die Rekordwahlbeteiligung von über 80 Prozent, und dankte den Wählen, die im wieder das Vertrauen geschenkt hätten. Nun gehe es darum die Probleme im Land wie Inflation oder Korruption zu bekämpfen.
"Eine Auswahl, keine Wahl"
Viele Wähler hätten nach Angaben Mussawis ihre Stimme bei dem Urnengang am Freitag nicht abgeben können, obwohl wegen des starken Andrangs die Öffnungszeiten der Wahllokale um vier Stunden verlängert worden waren, sagte Mussawi. Auch sei es zu Verzögerungen bei der Vergabe von Stimmzetteln gekommen, von denen zudem vielerorts zu wenige vorhanden gewesen seien. Der schiitischen Geistlichkeit warf Mussawi in einem Brief vor, zu den "Wahlmanipulationen" zu schweigen. Der geistliche Führer des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, rief alle Iraner zur Mäßigung auf; sie sollten sich hinter ihren Präsidenten stellen.
Mehrere Experten in den USA sprachen in ersten Reaktionen offen von Betrug. "Ich glaube nicht, dass auch nur irgendjemand dieses Niveau an Betrügerei vorhergesehen hat. Dies war eine Auswahl, keine Wahl", sagte etwa Karim Sadjapour von der renommierten Carnegie Stiftung für internationalen Frieden in Washington. Der Präsident des Nationalen Iranisch-Amerikanischen Konzils, Trita Parsi, sagte, er glaube nicht, dass die offiziellen Zahlen stimmten. "Es ist eine Sache, wenn Ahmadinedschad die erste Runde mit 51 oder 55 Prozent gewonnen hätte. Aber diese Zahl hört sich extrem seltsam an", sagte er.
Der Urnengang war auch im Ausland als Richtungsentscheidung gewertet worden, da Mussawi sich für eine Entspannung der Beziehungen zum Westen ausgesprochen hatte. Der Amtsinhaber ging hingegen mit dem iranischen Atomprogramm und harschen Äußerungen über Israel auf Konfrontationskurs. Ahmadinedschads Berater Ali-Akbar Dschawanfekr sagte, die Wiederwahl des Präsidenten zeige die Unterstützung in der Bevölkerung für ein "entschlossenes 'Nein' gegenüber den Feinden".
USA reagieren verhalten
Die US-Regierung hat zunächst zurückhaltend auf die Wiederwahl Ahmadinedschads reagiert. "Wie der Rest der Welt sind wir beeindruckt von den lebhaften Diskussionen und der Begeisterung, die diese Wahl ausgelöst hat, besonders unter jungen Iranern", hieß es in der Erklärung von Präsident Barack Obama. "Wir beobachten die Siutation weiterhin genau, darunter auch Berichte über Unregelmäßigkeiten."
Washington hoffe, dass "das Ergebnis den wahren Willen und den Wunsch des iranischen Volkes widerspiegelt", sagte Außenministerin Hillary Clinton während eines Besuchs in Kanada. Das britische Außenministerium äußerte sich besorgt über die Vorwürfe der Wahlmanipulation.US-Präsident Barack Obama hatte sich am Freitag noch zuversichtlich gezeigt und seine Hoffnung auf einen Wandel im Verhältnis zum Iran bestärkt.
Israel hat nach dem Wahlsieg Ahmadinedschads die Gefahr einer nuklearen Bedrohung durch den Erzfeind betont. Das Resultat sei ein klares Signal dafür, dass es für die gegenwärtige Politik im Iran eine breite Unterstützung gibt, "und es wird so weitergehen", sagte der stellvertretende Ministerpräsident Silvan Schalom in Jerusalem. Der stellvertretende Außenminister Danny Ajalon sagte, die Wiederwahl Ahmadinedschads zeige die Intensivierung der Bedrohung, die von der Islamischen Republik ausgehe.
Der russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow hofft auf eine kompromissbereitere Amtsführung des umstrittenen Staatsoberhaupts. Er hoffe, dass Ahmadinedschad künftig häufiger die Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft suche, sagte er nach Angaben der Agentur Interfax. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa stellte eine Kooperation zwischen dem Iran und den Arabern in Aussicht. "Ich hoffe, dass wir während der nächsten Amtszeit sowohl Fortschritte in den Beziehungen zwischen dem Iran und der arabischen Welt als auch eine größere Zusammenarbeit auf dem Wege zu einer Friedenslösung im Nahen Osten sehen werden", sagte Mussa in Kairo.
Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa/rts