Politik

Kleiner Comic-Held bald weg Aus Sarkozix wird Sarkonix

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Politische Erziehung mal anders: Sarkozy ist einer der beliebteste Comic-Helden.

(Foto: Samira Lazarovic/n-tv.de)

Diese Mimik, diese Statur, diese reichen Freunde, diese Frauen: Nicolas Sarkozy ist für die französischen Comiczeichner eine Goldgrube. Keiner füllt so viele Bände wie der kleine Präsident, keiner muss sich so viel Spott und Hohn gefallen lassen. Damit könnte es bald vorbei sein.

"Dieser Mann, der eine fremde Prinzessin geheiratet hat, ist ein Karrierist. Er liebt den Schein, die Pailletten, die großen Worte. Und Frankreich macht sich lustig über seine Füße und seine Nase. Verhöhnt und verspottet ihn." Das schrieb der französische Schriftsteller Victor Hugo in "Napoléon, der Kleine". "An wen haben Sie gedacht?", fragen die Comic-Autoren Patrick Rambaud und Olivier Grojnowski trocken und bewerben so ihren Comic "Les chroniques du règne de Nicolas Ier" (Die Chroniken der Regentschaft von Nicolas I.).

Frankreich rüstet sich für die Präsidentschaftswahlen und nicht nur Herausforderer François Hollande wappnet sich angesichts der Umfrageergebnisse für einen Regierungswechsel. Auch die Buchhandlungen fahren zur Sicherheit alles auf, was sie über Nicolas Sarkozy auf Lager haben, bevor die Titel zum Hüter desselbigen werden.

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Unzählige Comics: "Eine Möglichkeit, seinen Zorn loszuwerden."

(Foto: Samira Lazarovic/n-tv.de)

Die Schaufenster sind voll: Kein französischer Präsident vor ihm hat es bislang auf so viele Bücher gebracht. Dabei geht es nicht nur um Biografien oder politische Essays. Nein, vor allem in der Comic-Abteilung sieht man den kleinen Nick überall. "Bücher über Nicolas Sarkozy habe ich haufenweise im Angebot", sagt der Toulouser Buchhändler Clément Lacourt von der Buchhandlung Gibert Joseph und stapelt zum Beweis mit wenigen Handgriffen gleich ein Dutzend auf. Und das sind weder Kinderbücher, noch richten sie sich ausschließlich an ein kleine eingeschworene Gemeinde.

Lange Tradition

"Bandes Dessinées" ("gezeichnete Streifen") werden sie in Frankreich genannt und durch alle Alter- und Bildungsstufen hindurch gelesen, denn "BDs" galten hier schon immer als eigene literarische Gattung. Während in der Vergangenheit vor allem fiktive Erzählungen beliebt waren, drängen sich seit einigen Jahren auch aktuelle, politische Themen nach vorne. Die Welt erklärt in wenigen Sprechblasen - das macht nicht nur mehr Spaß als ellenlange Essays, sondern erreicht auch ein größeres Publikum.

"Jacques Chirac war der erste Präsident, über den es 'Bandes Dessinées' gab", erklärt BD-Experte Lacourt. "Aber es waren bei weitem nicht so viele wie über Nicolas Sarkozy." Warum ausgerechnet Sarkozy? Ist es seine Statur oder die ausdrucksstarke Mimik? "Vielleicht auch das", lacht Lacourt. Aber vor allem hätten die Bücher ein Ventil für die öffentliche Meinung geboten. Der Präsident habe von Anfang an stark polarisiert. Zudem habe Sarkozy von Anfang an die Medien für seine Zwecke eingespannt, wie kein Präsident vor ihm. "Da haben die Medien irgendwann zurückgeschlagen."

Kassenschlager Carlito

Gleich der erste Comicband über den damaligen Präsidentschaftskandidaten "La face karchée de Sarkozy" wurde mit über 200.000 verkauften Exemplaren zum Kassenschlager. Der Titel steht zum einen für das "verdeckte Gesicht" (la face cachée) des konservativen Politikers, das das Autorentrio, der Journalist Philippe Cohen, der Comic-Autor und Medienanwalt Richard Malka und der Zeichner Riss, aufdecken wollten. Zum anderen spielt der Titel auf die viel kritisierte Bemerkung des Innenministers Sarkozys an, die von Unruhen geprägten Pariser Vorstädte mit einem Kärcher-Hochdruckreiniger säubern zu wollen.

Und der schließlich gewählte Präsident lieferte den Comiczeichnern mit seinen Extravaganzen Stoff für mehr: Ob der Wechsel von Präsidentengattin Cécilia zur Première Dame Carla Bruni, die lautstarke Politik oder die verbalen Ausrutscher in der Öffentlichkeit: Die Branche schöpft seit Jahren aus dem Vollen. Nicht nur Cohen, Malka und Riss kommentieren weiterhin die Karriere und das Privatleben Sarkozys mit Nachfolgebände wie "Sarko 1er" oder "Carla et Carlito". Auch zahlreiche andere Zeichner spießen etwa die Neigung des Regierungschefs zu allzu reichen und großzügigen Freunden aus der Wirtschaft auf.

Die Klagefreudigkeit des auf sein öffentliches Image besonders bedachten Staatschefs tut dem Erfolg bislang keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. So war etwa eine Comic-Vodoo-Puppe nach einer verlorenen Klage in Windeseile ausverkauft und soll vielleicht anlässlich des Wahlkampfs wieder auferstehen. Auch bei groben Angriffen wurden die Comic-Zeichner bislang von der französischen Justiz geschützt – Humor gehört zur Meinungsfreiheit dazu.

Wo bleibt der Wulff-Comic?

Angesichts der Affäre um den Bundespräsidenten könnte Deutschland den einen oder anderen Satire-Comic sicher auch gut gebrauchen. Ein Band namens "Wulff und die Reichen" würde momentan vielleicht ähnlich viele Abnehmer finden, wie "Sarkozy et les riches". Doch politische Satire beschränkt sich hierzulande im Großen und Ganzen auf wenige Zeitungskarikaturen oder die Titelblätter der Satirezeitschrift "Titanic".

Vielleicht liegt das aber nicht nur an der fehlenden Comic-Kultur, sondern auch am politischen Personal in Deutschland selbst. Politische Kabarettisten und Karikaturisten, ohnehin eine vom Aussterben bedrohte Gattung, sehnen sich immer noch nach der Ära Helmut Kohls zurück. Weder Gerhard Schröder noch Angela Merkel taten ihnen den Gefallen, mit so prägnanten Eigenschaften und Körpern ausgestattet zu sein, dass wie bei "Birne" wenige Sätze oder Federstriche für den Wiedererkennungseffekt reichten.

Hollande wenig pittoresk

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François Hollande stapelt bislang eher tief.

(Foto: Samira Lazarovic/n-tv.de)

Hinzu kommt, dass ein Politiker auch genügend Reibungsflächen für die Comic-Macher bieten muss. Auch bei François Hollande zucken die Zeichenfedern noch nicht so recht. Bislang habe er einen einzigen Comic über Hollande im Angebot, berichtet Clément Lacourt. Darin geht es aber um die "Bling-Bling"-Linke im Allgemeinen, die für den Geschmack vieler Franzosen für Sozialisten zu viele Ersparnisse auf der hohen Kante und einen zu ausschweifenden Lebensstil haben.

Aber was passiert mit all diesen Comics, sollte Sarkozy die Wahl tatsächlich verlieren? "Diese Bücher haben starke aktuelle Bezüge, das ist nichts, was man lange aufbewahrt oder weitergibt", meint der Comic-Experte. Er persönlich sei aber froh, wenn er diese ganzen Sarkozix-Bücher nicht mehr im Bestand habe, er habe mehr als genug davon. Die Comicbuch-Verlage dürften das anders sehen. Und die Zeichner? Die hätten bei einem Regierungswechsel eigentlich ihr Ziel erreicht. Und ihre Einnahmequelle selber trockengelegt.

Quelle: ntv.de

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