Interview mit Juli-Chef Becker "Bei Brüderle bin ich skeptisch"
04.04.2011, 16:16 Uhr
Westerwelle geht, zumindest als FDP-Chef.
(Foto: dapd)
Juli-Chef Lasse Becker lehnt eine Übergangslösung für den FDP-Vorsitz ab und spricht sich für Gesundheitsminister Philipp Rösler oder Generalsekretär Christian Lindner aus. Dass Guido Westerwelle auch sein Amt als Außenminister abgeben muss, schließt Becker nicht aus. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle ist für ihn nicht mehr tragbar.
n-tv.de: Wann werden Sie FDP-Vorsitzender?
Lasse Becker: (lacht) Nach solchen Tagen weiß man nicht, ob man das überhaupt werden möchte. Aber Spaß beiseite: Der Juli-Vorsitz ist ein sehr schönes Amt und das genieße ich sehr. Und der FDP-Vorsitz ist nicht nur momentan, sondern generell eine sehr schwierige Herausforderung. Das sollte man nicht zu leicht nehmen und solche Witze darüber machen.
Die Frage hat aber einen ernst zu nehmenden Hintergrund: Die FDP ist ja scheinbar dem Jugendwahn verfallen: Mit 49 zieht sich Guido Westerwelle vom Parteivorsitz zurück, um einen Generationenwechsel einzuleiten.
Der Generationenwechsel bezieht sich in dem Fall auf die innerparteilichen Generationen. Es macht ja einen Unterschied, ob ein Parteivorsitzender nach fünf Jahren oder nach siebzehn Jahren in der Parteiführung abtritt. Deshalb wäre es durchaus ein Generationenwechsel, wenn Philipp Rösler oder Christian Lindner übernehmen würden, die deutlich jünger und noch nicht so lange in der Parteiführung sind.
Wäre Philipp Rösler jetzt der richtige Mann an der Spitze der FDP?
Ich könnte mir Philipp oder Christian sehr gut als Parteivorsitzende vorstellen. Beide haben zudem ein sehr gutes Verhältnis untereinander, sodass sie mit Sicherheit intensiv darüber sprechen werden. Da ist es jetzt aber nicht an mir, öffentlich über die Medien Ratschläge zu geben.
Das heißt aber, es läuft auf Rösler oder Linder als Parteichef hinaus?
Aus Sicht der Jungen Liberalen wäre eine andere, eine Übergangslösung, zumindest nicht denkbar, weil damit die Personaldebatten nur in die Länge gezogen würden. Wir haben mit den beiden zwei sehr gute Kandidaten, die miteinander und mit den Gremien sprechen und über großen Rückhalt an der Basis verfügen.
Im Zuge der Neuaufstellung diskutiert Ihre Partei auch eine Kabinettsumbildung. Unterstützen Sie diese Forderungen? Und werden sich Rainer Brüderle und Guido Westerwelle als Minister halten können?
Wir müssen in jedem Fall über das Gesamttableau reden. Ich bin sehr skeptisch, so wie die Julis insgesamt, was die Position von Rainer Brüderle angeht, weil er mit seinen Äußerungen zum Atom-Moratorium erheblichen Schaden angerichtet hat. Aber darüber müssen wir in einem Gesamtkonzept diskutieren. Wir brauchen vor allem auch inhaltlich eine Neuorientierung, müssen uns mehr Themen erschließen und in der Regierung mehr umsetzen. Darüber hinaus brauchen wir eine Diskussion über die Strukturen, die für die FDP zukunftsweisend sind.
Die Jungen Liberalen aus Hessen fordern ganz konkret einen Rückzug Westerwelles als Außenminister. Unterstützen Sie diese Forderung?
Das halte ich momentan nicht für die zielführendste Diskussion. Das ist nur ein Teilaspekt des inhaltlichen und personellen Gesamtkonzeptes - und mit Verlaub, nicht der wichtigste. Im Übrigen hat Guido Westerwelle mit seiner Bereitschaft, dem neuen FDP-Chef im Falle seiner Kabinettszugehörigkeit den Posten des Vizekanzlers zu überlassen, ein zwingend notwendiges Signal gesetzt.
Bei welchen Personalien werden Sie als Juli-Chef auf eine Entscheidung drängen?
Im Bundesvorstand muss sowohl über die Kabinettszusammensetzung, als auch über die Präsidiumsaufstellung diskutiert werden muss. Über letzteres stimmt dann ein FDP-Bundesparteitag ab. Hier haben wir direkten Einfluss.
Sie haben die Strukturen der FDP angesprochen, die verändert werden müssten. Was meinen Sie damit?
Der FDP-Bundesvorstand ist in erster Linie ein Debattengremium, kein Arbeitsgremium. Das muss man ändern, damit die Führungsgremien wirklich arbeitsfähig werden und strategische Entscheidungen treffen können. Zum anderen geht es strukturell auch um die Arbeit in der Regierung, welche Punkte dort in den nächsten zwei Jahren umgesetzt werden sollen. Denn wir müssen nach anderthalb Jahren an der Regierung bisher eine bittere Bilanz ziehen: Die großen Projekte konnten wir, bis auf die Wehrpflicht, noch nicht umsetzen. Da muss die Koalition dringend mehr tun - mit der FDP als Reformmotor.
Welches sind die wichtigsten drei Projekte, die von der FDP in der Bundesregierung durchgesetzt werden sollten?
Eines der essenziellsten Themen ist die Reform der sozialen Sicherungssysteme, bei denen die Koalition bislang zu wenig Mut bewiesen hat. Zweitens geht es um die Frage des Schutzes der Bürgerrechte. Und drittens, für die Glaubwürdigkeit der FDP ganz wichtig, ist die Frage der Vereinfachung der Steuersysteme. Es sollte also nicht die ewige Debatte um Steuersenkungen, die der Partei massiv geschadet hat, sondern ein einfacheres Steuersystem im Vordergrund stehen. Aber wir sollten nicht nur auf ein Thema setzen, sondern uns endlich thematisch breiter aufstellen.
Mit Lasse Becker sprach Till Schwarze
Quelle: ntv.de