Bis zu 220 Milliarden Euro Bundesbank frischt ihre Idee zur Reform der Schuldenbremse auf
04.03.2025, 18:00 Uhr Artikel anhören
Die Bundesbank regt an, die Obergrenzen der Neuverschuldung anzuheben.
(Foto: picture alliance/dpa)
CDU und SPD ringen um die Finanzierung von Bundeswehr und Infrastruktur. Die Bundesbank baut den möglichen kommenden Koalitionären nun eine kleine Brücke und legt einen Vorschlag für eine neue Schuldenbremse vor. Allerdings brächte die momentan auch nur einen Teil der erwünschen Zusatzgelder.
Die Bundesbank schlägt eine Reform der Schuldenbremse vor. Diese könnte dem Bund mittelfristig bis zu 220 Milliarden Euro Spielraum für Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung verschaffen. Dazu soll die im Grundgesetz verankerte Obergrenzen für die Aufnahme zusätzlicher Kredite bei bestimmten Bedingungen angehoben werden. Den Währungshütern ist aber wichtig, dass die europäischen Schuldenregeln keineswegs infrage gestellt werden "Unser Reformvorschlag zur Schuldenbremse bewahrt die soliden Staatsfinanzen und erleichtert gleichzeitig dringend nötige Investitionen", wie Bundesbank-Präsident Joachim Nagel versichert
Dreh- und Angelpunkt bei der Höhe der Neuverschuldung ist in dem Konzept die Frage, ob Staatsverschuldung über oder unter 60 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt. Diese Marke ist in den EU-Maastricht-Verträgen als Verschuldungsgrenze festgezurrt. Die seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse erlaubt dem Bund nur begrenzt neue Kredite: Die jährliche Neuverschuldung darf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten.
Die Bundesbank hält es jedoch für stabilitätspolitisch vertretbar, die Grenze für die strukturelle Nettokreditaufnahme des Bundes bei Schuldenquoten unter 60 Prozent auf bis zu 1,4 Prozent des BIP anzuheben. Oberhalb von 60 Prozent sieht die Notenbank die Begrenzung bei 0,9 Prozent des BIP. In einem früheren Reformvorschlag aus dem Jahr 2022 hatte die Bundesbank die Obergrenzen bei 1,0 Prozent beziehungsweise 0,5 Prozent eingezogen.
Die nun vorgeschlagenen größeren Verschuldungsspielräume sollen "zum guten Teil für zusätzliche Sachinvestitionen reserviert sein, wie die Bundesbank betont. Im günstigsten Fall könnte eine solche Reform der Schuldenbremse nach ihren Berechnungen den Kreditspielraum des Staates bis 2030 um rund 220 Milliarden Euro im Vergleich zum aktuellen Stand erhöhen. Selbst bei einer Schuldenquote über 60 Prozent wären es noch rund 100 Milliarden Euro.
Wie die meisten Staaten im Euroraum überschreitet Deutschland seit Jahren die 60-Prozent-Grenze – trotz einer tendenziell sinkenden Schuldenquote. 2023 lag die Quote in Europas größter Volkswirtschaft einer Übersicht des Statistischen Bundesamtes zufolge bei 62,9 Prozent. Ende des dritten Quartals 2024 waren es nach Angaben der Bundesbank 62,4 Prozent.
Die Schuldenbremse soll verhindern, dass der Berg an Verbindlichkeiten so groß wird, dass der Staat immer neue Kredite aufnehmen muss, um diesen abzutragen. In ihrer aktuellen Fassung erlaubt die Schuldenbremse bereits die Aufnahme zusätzlicher Schulden während eines konjunkturellen Abschwungs. Diese müssen dann abgetragen werden, wenn die Wirtschaft wieder läuft.
Zudem kann die Schuldenbremse "im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notlagen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen", ausgesetzt werden. Diese Ausnahmeregelung wurde 2020 bis 2022 genutzt - zunächst wegen der Corona-Pandemie, dann, um die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine inklusive Energiekrise abzufedern.
Für das Feststellen einer Notlage reicht im Bundestag eine einfache Mehrheit. Für eine Änderung der Regeln im Grundgesetz sind zwei Drittel der Stimmen nötig. Eine solche Mehrheit haben die potenziellen Regierungspartner Union und SPD im neuen Bundestag selbst mit den Grünen nicht. Sie wären auf Stimmen von AfD und Linken angewiesen, die zusammen eine Sperrminorität haben.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa