"Verfassungsrechtlich sehr bedenklich" Bundeswehr assistiert in Libyen
19.08.2011, 11:15 Uhr
Bomben schlagen in Tripolis ein - deutsche Soldaten beteiligen sich an der Auswahl der Ziele.
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Die Arbeit von elf Bundeswehrsoldaten im Hauptquartier der NATO für den Libyen-Einsatz wirft brisante Fragen auf. Hätte das Parlament, wie die Grünen meinen, der Entsendung der Spezialisten zustimmen müssen? Verteidigungsminister De Maizière erklärt die Abstellung der Soldaten für "selbstverständlich". Ein Bundestagsmandat sei unnötig.
Die Grünen stellen die Hilfe deutscher Soldaten für den NATO-Luftkrieg gegen Libyen in Frage. Deutschland ist mit elf Soldaten der Luftwaffe an der Führung des Einsatzes beteiligt. Das Verteidigungsministerium teilte auf eine parlamentarische Anfrage mit, dass die Soldaten in den zuständigen NATO-Hauptquartieren in Italien unter anderem bei der Auswahl von Zielen für die Luftangriffe im Einsatz seien. Sie würden allerdings keine Entscheidungsfunktionen wahrnehmen.

Hans-Christian Ströbele hält den Einsatz für "bedenklich".
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Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele nannte den Einsatz der deutschen Soldaten "verfassungsrechtlich sehr bedenklich". Die Bundesregierung hätte dafür die Zustimmung des Bundestags einholen müssen. Die Soldaten wählten mit aus, wenn beispielsweise eine Fernsehstation oder eine Kommandozentrale in Libyen bombardiert wird, schilderte Ströbele in der ARD ihre Aufgaben und folgerte: "Das heißt, sie sind direkt am Krieg beteiligt." Der Grüne verglich die "heimliche Hilfe" mit der Unterstützung des Irak-Krieges 2003 durch den Bundesnachrichtendienst.
De Maizière verteidigt Einsatz
Verteidigungsminister Thomas de Maizière rechtfertigte den Einsatz. "Die Auffassung von Herrn Ströbele ist rechtsirrig", erklärte der CDU-Politiker. "Andernfalls können wir aus der NATO austreten." Die Mitarbeit in NATO-Stäben, die Bereitstellung von Infrastruktur für den Einsatz sei "selbstverständlich". Das bedürfe auch keines Bundestagsmandats. "Das ist auch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gesichert."

Der Verteidigungsminister weist die Vorwürfe zurück.
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Deutsche Soldaten können ohne Beteiligung des Bundestags in Nato-Stäben verbleiben, wenn es sich dabei um feste Stäbe handelt. Die Arbeit in taktischen Stäben, die für einen Krieg neu geschaffen werden und unmittelbar Angriffe führen, ist ihnen dagegen ohne Bundestagsmandat untersagt.
Ströbele beruft sich in seiner Kritik nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" auf ein Schreiben des Bundesverteidigungsministeriums, wonach der Nato-Einsatz "Unified Protector" in Libyen von drei Hauptquartieren in Italien aus geführt wird. "Zur unabdingbaren Wahrung der Funktions- und Handlungsfähigkeit der Allianz zur Operationsführung" seien diese Stäbe mit rund 250 Dienstposten aus anderen NATO-Einrichtungen verstärkt worden, darunter elf deutsche Soldaten, schrieb die Zeitung.
SPD: Westerwelle "entlarvt"
Deutschland hatte sich im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über den Libyen-Einsatz enthalten und ist nicht mit Einsatzkräften daran beteiligt. Aus Awacs-Aufklärungsflugzeugen der NATO wurden deutsche Soldaten sogar abgezogen. Dies habe sich nun als reine Kosmetik erwiesen, meint SPD-Außenpolitiker Gernot Erler.
"Die jetzt bekannt gewordene Beteiligung deutscher Soldaten bei der Auswahl militärischer Ziele in Libyen entlarvt die großspurigen Ankündigungen von Außenminister Westerwelle, sich unter keinen Umständen am Libyen-Einsatz zu beteiligen, als Farce", erklärte er. "Der politische Preis, den Deutschland für seine Enthaltung im UN-Sicherheitsrat gezahlt hat, war eindeutig zu hoch und hat sich nicht gelohnt", fügte er hinzu. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Einsatz hat die SPD jedoch nicht. An Operationen des transatlantischen Bündnisses seien immer deutsche Soldaten in irgendeiner Form beteiligt, ob mit oder ohne Bundestagsmandat, erklärte der verteidigungspolitische Fraktionssprecher Rainer Arnold. "Das Verfassungsgericht würde uns nicht zwingen können, die Nato mehr oder minder zu blockieren."
Quelle: ntv.de, cba/dpa/AFP