Der Gipfel der kleinen Schritte Cancún tritt in heiße Phase
06.12.2010, 08:39 Uhr
WWF-Aktivisten rücken die USA als Klimabremser ins rechte Licht.
(Foto: REUTERS)
Deutschland warnt vor zu hohen Erwartungen an die Klimaverhandlungen in Cancún. Die Gipfelteilnehmer versuchen in der nun beginnenden Ministerrunde, die unverbindlichen Vereinbarungen von Kopenhagen in kleinen Schritten umzusetzen. Ganz vorne steht das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu beschränken. Fortschritte zeichnen sich in einzelnen Bereichen bereits ab.
Die UN-Klimaschutzkonferenz reiht sich in die Treffen der kleinen Schritte ein. Ein großes Klimaabkommen ist auf dem Klimagipfel in Cancún gar nicht erst geplant. Und die einzelnen Unterpunkte sind recht weit ausgehandelt. Die Hauptaufgabe der am Dienstag beginnenden Ministerrunde wird es auch aus deutscher Sicht sein, mit den eher kleinen Bausteinen ein ausgewogenes Ergebnis zu bilden. Deutschland und die Europäische Union fordern Bewegung von allen Staaten, um dem Ziel eines globalen Klimaabkommens näher zu kommen. Dies wird nach einhelliger Meinung der Beobachter am Ende auch das große Ergebnis von Cancún werden.
Im Gegensatz zur gescheiterten Konferenz von Kopenhagen vor einem Jahr läuft die Konferenz in Cancún in zwei wesentlichen Punkten anders: Der Prozess ist jetzt viel transparenter. Die Mexikaner bemühen sich, alle Vertragsparteien mit an Bord zu nehmen und keine Parallelverhandlungen zu organisieren. In Kopenhagen wollte man die Dinge noch in einem großen Paket klären. Das Cancún-Paket soll dagegen ausdrücklich als erster Schritt tituliert werden, der wichtige Bausteine für ein Abkommen liefert.
Auch die beiden Hauptverursacher von Treibhausgasen, die USA und China, die sich in Kopenhagen noch hart bekämpft hatten, haben sich in der erste Konferenzwoche milder gezeigt. Der Klimabeauftragte von US-Präsident Barack Obama, Todd Stern, bekräftigte, dass die USA an ihrem Reduktionsziel von 17 Prozent von 2005 bis 2020 festhalten wollten. Unklar ist allerdings, wie das nach der Schlappe bei den Kongresswahlen im November funktionieren kann.
China macht große Sprünge
China, das sich in Kopenhagen noch stark gegen internationale Beobachter gewehrt hatte, zeigt sich jetzt sehr interessiert an Techniken zum Erheben von Klimaschutzdaten. Zudem bringt die Volksrepublik mit aktuellen Zahlen über den Aufbau alternativer Energiegewinnung selbst Umweltschützer aus Europa zum Staunen. Auch wenn der Energiebedarf des Landes die täglich produzierte Menge noch übersteigt, sind sich die Teilnehmer der Konferenz einig, dass China sich bewegt. Und allein schon das, wird als ein gutes Zeichen gewertet.
Zu jedem anderen Kapitel wie Waldschutz, Anpassung an den Klimawandel und Technologietransfer gibt es zwar auch noch offene Fragen, aber diese sind überschaubarer.
Kyoto als Bremsklotz in den Verhandlungen
Auf der Bremse stehen in Cancún derzeit Japan, Kanada und Russland. Insbesondere Japan bekräftigt immer wieder im scharfen Ton, dass es keiner Weiterführung des Kyoto-Protokolls zustimmen will, falls sich die USA und China einem solchen Vertrag nicht anschließen. Die Schwellen- und Entwicklungsländer argwöhnen dagegen, die Industriestaaten wollten sich damit vor allem den im Kyoto-Protokoll eingegangenen verbindlichen Verpflichtungen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes entziehen. Vor allem Chinas Chefunterhändler Su Wei drang in Cancún auf ein Bekenntnis zu einer Anschlussvereinbarung für die 2012 auslaufende erste Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls - auch wenn die Details dafür wohl erst später geklärt werden könnten.
Die Bundesregierung, die zur am Dienstag beginnenden Ministerrunde durch Umweltminister Norbert Röttgen vertreten wird, zeigte sich ebenso wie die Europäische Union insgesamt in der Frage des Kyoto-Protokolls bislang offen. Allerdings pocht auch Röttgen auf verbindliche, internationale Pflichten für alle wichtigen Emittenten von Treibhausgasen, namentlich für die in diesem Punkt bisher widerstrebenden Staaten USA und China. "Wir müssen die mit ins Boot bekommen, die den größten Teil der Emissionen haben", verlangte der Minister.
Umweltschützer forderten Röttgen auf, in Cancún für das von den USA nie ratifizierte Kyoto-Protokoll zu kämpfen. Es sei falsch, "die einzige tatsächlich existierende UN-Vereinbarung zur Begrenzung der Klimagas-Emissionen aufzugeben", warnte in Cancún der Vorsitzende des Umweltverbands BUND, Hubert Weiger. Röttgen müsse dafür eintreten, gemäß den Empfehlungen des Weltklimarats "den Kohlendioxidausstoß sofort und massiv abzusenken", verlangte auch Greenpeace-Klimaexperte Martin Kaiser.
Ergebnisse nicht schlecht reden
Die Beratungen in Cancún sollen bis Freitag auf Ministerebene fortgesetzt werden. Bis dahin soll nach dem Willen von Röttgen ein "ausbalanciertes Paket" konkreter Absprachen erreicht werden. Um das angestrebte globale Abkommen dürfte dann auf der nächsten UN-Konferenz 2011 in Südafrika weiter gerungen werden. Ganz vorne stehe das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu beschränken, sagte er im Deutschlandfunk. Er sei zuversichtlich, dass es in einzelnen Bereichen Fortschritte geben werde. Als Beispiele nannte er den internationalen Waldschutz, die Technologiekooperation zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern sowie die langfristige Finanzierung von Umweltschutzmaßnahmen in den Entwicklungsländern.
"Cancún ist sicherlich nicht der Gipfel, der den Durchbruch bringen wird", dämpfte auch der Leiter des UN-Umweltprogramms UNEP, Achim Steiner, die Erwartungen. Zugleich warnte er aber davor, die Bedeutung von Cancún zu unterschätzen: Ein Erfolg der Konferenz sei "absolute Voraussetzung dafür, dass eine internationale Klimapolitik weitergeht".
Worum es dabei geht, darauf wies eine in Cancún vorgestellte Studie besonders vom Klimawandel betroffener Staaten hin. Demnach dürfte der Klimawandel bis 2030 indirekt für den Tod von fast einer Million Menschen pro Jahr verantwortlich sein und jährliche Schäden von mehr als 150 Milliarden Dollar verursachen.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP