Nur Verkehrsromantik? Dänen streiten über Fehmarnbelt-Querung
05.11.2010, 12:42 Uhr
Ja oder nein? Brücke oder Tunnel? Dänemark streitet über die Verbindung zwischen der deutschen Ostsee-Insel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland.
(Foto: dpa)
Der dänische Ex-Verkehrsminister Arne Melchior warnt mit drastischen Worten vor dem Bau der geplanten Ostsee-Verbindung nach Deutschland. Nach Berichten über die Verteuerung des Monster- Projektes werden in Kopenhagen die kritischen Stimmen lauter.
"Der Bau der Fehmarnbelt-Querung wäre reine Verkehrsromantik", meint Arne Melchior. Dass ausgerechnet ein dänischer Ex-Verkehrsminister jetzt ausdrücklich von einer 19 Kilometer langen Ostsee-Brücke oder einem Tunnel abrät, zeigt eine neue Tonlage gegenüber dem Monster-Projekt zwischen Puttgarden auf Fehmarn und dem dänischen Rødby. "Ich bin als heißer Anhänger fester Verbindungen bekannt, falls Geografie, Umwelt und Finanzen dafür sprechen. Wenn ich jetzt kräftig warne, sollte man es ernst nehmen", schrieb Melchior in der Zeitung "Berlingske Tidende".
Spätestens seit Berichten über die Verteuerung des bisher auf 4,4 Milliarden Euro veranschlagten Brückenbaus mehren sich die kritischen Stimmen über die vor zwei Jahren mit der Bundesregierung geschlossene Planungsvereinbarung. "Ist es früher schon mal vorgekommen, dass eine feste Verbindung der Megaklasse gebaut oder geplant wurde, bei der nur eines der Länder für 100 Prozent der Investitionen und des Risikos steht?" fragte Melchior spitz.
Auch Dänemark muss sparen
Als 2008 einer seiner Nachfolger, die inzwischen auch schon abgelöste Carina Christensen, mit ihrem damaligen Berliner Kollegen Wolfgang Tiefensee (SPD) den Vertrag über die Projektplanung unterzeichnete, übernahm das kleine Dänemark sämtliche Kosten für den eigentlichen Brücken- oder Tunnelbau. Für das mehr als zehnmal so große, aber auch 2008 schon mit leeren Staatskassen kämpfende Deutschland sollten nur Anbindungskosten an Land über 800 Millionen Euro anfallen. Die könnten sich aber nach Meinung des Bundesrechnungshofes noch verdoppeln.
Inzwischen hat die Finanzkrise auch den beispiellos langen Wirtschaftsboom bei den Skandinaviern abrupt beendet. Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen muss spätestens nächstes Jahr im Wahlkampf bittere Sparmaßnahmen verteidigen. Wähler in Jütland, dem dänischen Festland, sind ohnehin seit langem sauer, weil sie sich vernachlässigt fühlen. Und nun sollen sie für eine Brücke ganz woanders bezahlen, die nach Überzeugung von vielen vor allem den Schweden für einen schnelleren Transit in Richtung Süden nützt.
Brücke oder Tunnel?
Da dürfte es höchst ungelegen gekommen sein, was der jetzige Verkehrsminister Christian Schmidt letzte Woche offiziell verkünden musste. Die bisher von den Planern bevorzugte Brückenbau soll 5,2 statt 4,4 Milliarden Euro kosten. Dafür würde sich ein Tunnel von bisher geschätzten 5,5 auf 5 Milliarden Euro verbilligen. Die bislang für 2018 anvisierte Fertigstellung muss auf 2020 verschoben werden.
Schmidt verteidigt das Riesenprojekt trotzdem unverdrossen als "grundsolide" und hat dafür auch weiter eine klare Mehrheit im Kopenhagener Folketing hinter sich. Parteienvertreter diskutierten nach den neuen Kalkulationen nicht das grundsätzliche Ja oder Nein, sondern die Frage Brücke oder Tunnel.
"Viele leiden ja an Angst vor Tunneln", sinnierte die verkehrspolitische Sprecherin der Konservativen, Henriette Kjær. Von der sozialdemokratischen Opposition war zu hören, dass gewaltige Brückenkonstruktionen doch sehr schön anzusehen seien.
Für Malte Siegert, Sprecher der deutschen Querungs-Kritiker vom Umweltverband NABU, sind das alles "Nebelkerzen", um den für die Betreiber lukrativeren Brückenbau trotz Verteuerung gegen die von Umweltschützern bevorzugte Tunnellösung durchzusetzen. In Wallnau auf der Insel Fehmarn erlebt auch er, dass die bisher fast ausschließlich deutsche Kritik an dem Riesenprojekt in Dänemark an Gewicht gewinnt: "Es kommen deutlich mehr Medienanfragen aus Kopenhagen, und die Berichterstattung dort ist kritischer geworden." Für Siegert ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, ob es überhaupt zum Bau kommt: "Stuttgart 21 lässt grüßen."
Quelle: ntv.de, Thomas Borchert, dpa