"Keine Ätsch-Ätsch-Haltung" De Maizière sieht Libyen-Debatte beendet
29.04.2011, 10:35 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Verteidigungsminister Thomas de Maizière ist bei seinem Washington-Besuch dem Eindruck entgegengetreten, der Libyen-Konflikt habe das deutsch-amerikanische Verhältnis beschädigt. In einem Exklusiv-Interview mit Christian Wilp von n-tv sagt der Minister, er sei sich mit seinen amerikanischen Gesprächspartnern einig gewesen, den Blick nach vorn zu richten. Die Debatte halte er für beendet.
n-tv: Herr Minister, Sie sind hier zu Gesprächen in Washington. Libyen und die Enthaltung Deutschlands im Sicherheitsrat sind nicht ihr Lieblingsthema. Sie hatten gefordert, die Debatte endlich zu beenden. Wäre es aber nicht das Einfachste, wenn Deutschland zugebe, hier nicht gerade optimal abgestimmt zu haben, dann könnten Sie sicherlich ihr Ziel am besten erreichen.
Thomas de Maizière: Wenn ich gesagt habe, ich halte die Debatte für beendet, und ich möchte dazu keinen Beitrag mehr leisten, dann wäre ja eine Antwort auf Ihre Frage das krasse Gegenteil von dem - und deswegen werde ich das nicht tun.
Intern haben Sie sich kritisch geäußert, hätten Sie denn an verantwortlicher Stelle anders entschieden als es Deutschland letztlich getan hat?
Sie versuchen es jetzt wieder, und ich weiß nicht, woher Sie wissen, was ich intern gesagt habe. Was ich intern gesagt habe, bleibt intern. Ich richte den Blick nach vorne und mit meinem amerikanischen Kollegen bin ich mir in dieser Frage völlig einig.
Im Sicherheitsrat hat es keine Mehrheit zu einer Syrien-Resolution gegeben. An einen Militäreinsatz wird überhaupt nicht gedacht in diesem Falle. Bestätigt das nicht im Nachhinein die deutsche Haltung, Militäreinsätze nur im äußersten Notfall zu genehmigen?
Wir haben uns unsere deutsche Haltung gut überlegt, aber ich hielte es für ganz falsch, dass ein Land, das sich nicht beteiligt, irgendwie mit einer Ätsch-Ätsch-Haltung anderen sagt: Sehet her, das haben wir ja immer gesagt. Das sind schwierigste Entscheidungen. Wir respektieren, dass sich ein Teil unserer Verbündeten so entschieden hat, wir erwarten Respekt für unsere Entscheidung, aber im Nachhinein Zensuren zu geben, ist kein guter Stil unter Freunden.
Sie sind zu ihrem Antrittsbesuch bei Robert Gates im Pentagon gewesen. In wenigen Wochen wird er sich schon wieder verabschieden, dann kommt sein Nachfolger Leon Panetta ins Amt. Können Sie etwas zu seinem Nachfolger sagen? Kennen Sie ihn gut?
Gut ist übertrieben, aber ich kenne ihn von meinen früheren Funktionen. Leon Panetta ist sicher einer der erfahrensten Politiker, den die amerikanische Seite für diesen Job zu bieten hat. Das zeigt nicht nur sein Lebensalter, sondern auch seine Erfahrung. Er war Stabschef, er war CIA-Chef, er kennt die Oppositionsbank, er hat wissenschaftlich gearbeitet, er kann kämpfen, er kennt den Kongress, er kann verschwiegen sein, er ist europafreundlich. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit diesem, darf ich das liebevoll sagen, alten Hasen.
Abschließend noch ein anderes Thema. Der Süden der USA ist von schweren Tornados heimgesucht worden. Es gab zahlreiche Todesopfer. Sie selbst sind indirekt durch das Unwetter betroffen gewesen, ihre Reise von New York nach Washington musste anders als geplant per Zug erfolgen.
Aus deutscher Sicht klingen Tornados als etwas, das ganz weit weg ist. Ich muss Ihnen sagen, letztes Jahr über Pfingsten war in meinem Wahlkreis in Großenhain ein Tornado, der schwierigste, schlimmste Schäden angerichtet hat. Deswegen kann ich das Drama nachfühlen, welches sich jetzt in den Familien und in den Häusern und überall ereignet. Ich weiß auch nicht, wie die Menschen versichert sind. Die Natur ist stark und kräftig. Ich sage nur die Stichworte: Vulkanasche, Japan, Tornados, Tsunamis. Und ich denke in diesen Situationen immer daran, dass wir Menschen ein bisschen bescheidener und demütiger sein müssten über das, was wir können, und was die Natur kann.
Mit Thomas de Maizière sprach Christian Wilp
Quelle: ntv.de