Umstrittene Gesetzgebung EU stellt Saatgut-Pläne vor
06.05.2013, 14:58 Uhr
Die EU-Kommission wehrt sich gegen Vorwürfe, sie wolle bürokratische Mauern für Kleingärtner errichten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die EU-Kommission schlägt eine neue Verordnung für Pflanzensorten vor. Kritiker protestieren seit Wochen, dass die Zulassungsmaßnahmen zu einem "Einheits-Saatgut" führen könnten. Davon würden Großkonzerne profitieren. Kleingärtner fürchten um ihre Existenz.
EU-Verbraucherkommissar Tonio Borg hat neue Vorgaben für die Registrierung von Pflanzensorten vorgestellt. Bisher gibt es insgesamt zwölf Richtlinien der EU zu Saatgut, eine für Getreide, eine für Kartoffeln und so weiter. Wenn in der Vergangenheit eine der Richtlinien geändert wurde, mussten die Mitgliedsstaaten ihre nationalen Gesetzte jedes Mal entsprechend anpassen. Borgs Vorschlag soll die bisherigen Richtlinien in einer Verordnung zusammenfassen.
Eine Verordnung ist unmittelbar wirksam, und erfordert keine umständliche Implementierung in nationale Gesetzgebung. Brüssel gedenkt, mit einer umfassenden Verordnung die Zulassung von Saatgut zu vereinfachen und Bürokratie abzubauen. Große Agrarproduzenten wie Monsanto, Syngenta oder Bayer könnten von den gelockerten Anforderungen profitieren.
Hobbygärtner und Umweltschützer befürchten "Einheits-Saatgut"
Damit Saatgut in Europa verkauft werden kann, muss es registriert werden. Dazu müssen die Hersteller nachweisen, dass ihre Sorten von anderen unterscheidbar, in sich einheitlich und beständig sind. Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter erklärte: "Man sieht Saatgut seine Ertragsfähigkeit, Krankheitsresistenz und Qualität nicht an. [...] Deshalb müssen die Sorten und das Saatgut vor dem Verkauf getestet werden." Der Verband begrüßte die Vorschläge.
Was in der kommerziellen Landwirtschaft durchaus sinnvoll wäre, könnte Hobbygärtner behindern. Die Zulassung einzelner Obst- und Gemüsesorten ist teuer und zeitaufwendig für Privatgärtner. Der Deutsche Naturschutzring kritisierte, der private Anbau seltener Sorten könne strafbar werden. Die EU-Kommission wies die Befürchtungen zurück. "Privatgärtner können auch in Zukunft ihr Saatgut wie bisher verwenden", hieß es in einer Stellungnahme.
Kleine Betrieben sollen von Registrierungspflicht ausgenommen werden
Kritiker befürchten zudem, der Anbau alter und seltener Sorten könne leiden. Auch diese Bedenken wies die Kommission als unbegründet zurück. Für alte Sorten ist eine Beschreibung nach starren Kriterien oft nicht möglich, räumte Borg ein. "Deshalb können bei der Bewerbung für eine Registrierung einer Sorte auch andere Belege vorgebracht werden, wie zum Beispiel historische Daten oder praktisches Wissen."
Kleine Züchter mit bis zu zehn Mitarbeitern und einem Jahresumsatz bis zu zwei Millionen Euro müssten ihre Produkte nach diesen Vorschlägen nicht mehr registrieren lassen. Für Hobbygärtner gebe es keine Einschränkungen, betonte die Kommission. Frühere Entwürfe des Gesetzesvorschlags waren nach Angaben der Kommission strikter.
"Ich will es ganz ausdrücklich klarstellen, dass wir die Verwaltungslast für traditionelle Nischensorten nicht erhöhen, sondern senken", sagte Borg. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) begrüßte die Vorschläge. "Wir müssen alte Sorten erhalten und die biologische Vielfalt schützen", erklärte sie.
Insgesamt soll es mehr Lebensmittelkontrollen geben
Der Vorschlag ist Teil eines Gesetzespakets zur Tier- und Pflanzengesundheit, das unter anderem auch Lebensmittelkontrollen verschärfen soll. Das Paket soll die derzeit 70 Rechtsakte auf 5 eindampfen. Bei den Vorschlägen der Kommission ging es aber nicht nur um das im Vorfeld heftig umstrittene Thema Saatgut.
Die Behörde zog auch Konsequenzen um als Rindfleisch deklariertes Pferdefleisch. Finanzielle Strafen müssten Betrüger stärker zu spüren bekommen - sie müssten so hoch ausfallen, dass Unternehmer mit faulen Tricks keinen Gewinn erzielen können.
Damit aus den Vorschlägen Gesetze werden, müssen EU-Staten und Europaparlament die Pläne billigen.
Quelle: ntv.de, dpa