Ungarns Mediengesetz EU will nicht auf Zeit spielen
08.01.2011, 14:28 UhrDie Liberalen im Europäischen Parlamentarischen drängen die EU-Kommission, die Prüfung des ungarischen Mediengesetzes bald zu beenden. Die Kommission will sich dagegen bis Ende März Zeit lassen. Der Historiker Zsolt K. Lengyel hält dieses Vorgehen für sinnvoll. So könne der Streit versachlicht werden.

Viktor Orbán hat zugesagt, das Mediengesetz zu ändern, wenn die EU Grund zur Beanstandung findet.
(Foto: AP)
Im Europäischen Parlament wächst der Druck auf die EU-Kommission, schnell über das umstrittene neue Mediengesetz in Ungarn zu entscheiden. Der Chef der liberalen Fraktion, Guy Verhofstadt, sagte dem "Focus", es gehe um fundamentale Rechte. "Dafür kann die Kommission sich nicht monatelang Zeit lassen, sondern muss zügig handeln."
Nach Angaben der Kommission könnte die Prüfung des Gesetzes bis März dauern. Nach massiver internationaler Kritik hatte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbàn am Freitag nach einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Budapest eine Änderung des Mediengesetzes in Aussicht gestellt. "Wir sind bereit zu Anpassungen, wenn sich in der praktischen Umsetzung zeigt, dass dies notwendig sein sollte", sagte Orbán. Zugleich verwahrte er sich gegen Kritik anderer EU-Staaten.
Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz lobte Barroso lobte Orbans Zusage, warnte den ungarischen Regierungschef jedoch indirekt davor, die Bedenken der anderen EU-Länder zu ignorieren: "Es ist notwendig, dass Ungarn die volle Unterstützung der Mitgliedsstaaten und der EU-Institutionen erhält, um diese Präsidentschaft zu einem Erfolg zu machen." Er betonte auch: "Das Prinzip der Pressefreiheit ist heilig in der EU." Ungarn hat am 1. Januar die Ratspräsidentschaft von Belgien übernommen.
"Barroso dürfte auf Zeit spielen"
Trotz der deutlichen Worte des Kommissionspräsidenten geht der Historiker Zsolt K. Lengyel davon aus, dass Barroso versuchen könnte, den Streit zu entschärfen, indem er auf Zeit spielt. "Ich denke, dass die Kommission sich Zeit lassen wird für ihre Prüfung des Gesetzes", sagte der Direktor des Ungarischen Instituts an der Universität Regensburg n-tv.de. Lengyel sieht einen Zusammenhang zu der Beschwerde von 13 europäischen Großunternehmen über die ungarische Sondersteuer, mit der sie belegt wurden, um die Folgen der Finanzkrise zu bewältigen. Von der Steuer sind auch deutsche Unternehmen betroffen.
Das ungarische Mediengesetz, das zum 1. Januar in Kraft getreten war, ermöglicht staatliche Eingriffe in die Medien und wird von Kritikern als Beschränkung der Pressefreiheit gewertet. Langyel sagte, er vermute, dass die Unterschiede zwischen dem ungarischen Gesetz und vergleichbaren Gesetzen in andern Ländern Europas nicht sehr groß seien. "Aber die Qualität des Gesetzes wird von der Praxis abhängen, und da scheinen leider unterschiedliche Optionen möglich. Das Gesetz nimmt in Kauf, dass man es liberal, aber auch illiberal anwenden kann."
Die ungarische Regierung weist Kritik an dem Gesetz mit der Begründung zurück, die ausländischen Kritiker hätten es noch nicht gelesen, da es keine amtliche Übersetzung gebe. Die will Budapest der EU-Kommission nun zur Verfügung stellen.
Kampagne gegen Intellektuelle in Ungarn
Unterdessen haben regierungsnahe Medien in Ungarn eine Kampagne gegen Wissenschaftler gestartet, die als liberal gelten. Etliche von ihnen hatten sich als Dissidenten unter dem Kommunismus auch im Ausland einen Ruf erworben. Die Tageszeitung "Magyar Nemzet" behauptete, die betroffenen Intellektuellen hätten staatliche Fördergelder zweckentfremdet ausgegeben.
Unter den Angegriffenen sind die Philosophin Agnes Heller, der Philosoph Mihaly Vajda und der Literaturwissenschaftler Sandor Radnoti. Als kritische Wissenschaftler waren sie im Kommunismus Repressalien ausgesetzt gewesen. Einige von ihnen sind heute scharfe Kritiker Orbáns und der populistischen Rechten in Ungarn.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa