Politik

"Das Gegenteil unserer Werte" FDP-Vize lehnt Koalitionen mit SPD ab

Die neue FDP-Führung beklatscht den neuen Parteichef Rösler.

Die neue FDP-Führung beklatscht den neuen Parteichef Rösler.

(Foto: dapd)

Der neue FDP-Vize Holger Zastrow spricht sich gegen Koalitionen mit den Sozialdemokraten aus. "Die Gemeinsamkeiten mit der SPD sind marginal", sagt er im Interview mit n-tv.de. Für die FDP sei die Union der "natürliche Bündnispartner". Zastrow fordert Steuersenkungen noch in diesem oder im nächsten Jahr. Die Berufstätigen hätten eine "Aufschwungrendite" verdient. "Das Geld darf nicht nur bei Schäuble landen."

n-tv.de: Der neue FDP-Chef Philipp Rösler hat einen grundlegenden Politikwechsel angekündigt und will nun auch bessere Angebote für Alleinerziehende und Arbeitnehmer machen. Entdecken die Liberalen ihre soziale Ader?

Holger Zastrow: Nein, die Liberalen haben schon immer Lösungsansätze für alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Aber wir haben in den vergangenen Jahren bestimmte Themen überbetont, und dabei sind andere Bereiche, wie die Sozial- und Familienpolitik oder die Interessenvertretung der Arbeitnehmer, zu kurz gekommen sind. Das soll sich jetzt ändern, wir wollen uns breiter aufstellen.

Als Gesundheitsminister ist Rösler allerdings nicht gerade durch soziale Politik aufgefallen. Seine Gesundheitsreform hat künftige Kostensteigerungen auf die Versicherten, also die Arbeitnehmer, abgewälzt. Besteht da nicht eine große Diskrepanz zwischen Reden und Handeln des neuen FDP-Chefs?

Holger Zastrow ist Chef der sächsischen FDP und nun auch Vizevorsitzender der Bundespartei.

Holger Zastrow ist Chef der sächsischen FDP und nun auch Vizevorsitzender der Bundespartei.

(Foto: dapd)

Das größte Risiko für Arbeitsplätze sind die steigenden Lohnnebenkosten. Und die sozialste Politik ist immer noch, die Voraussetzungen zu schaffen, dass Menschen Arbeit haben und von ihrer eigenen Hände Arbeit leben können. Wenn wir die Unternehmen durch steigende Lohnnebenkosten immer weiter unter Druck setzen, gefährden wir Arbeitsplätze. Wir brauchen in vielen Bereichen des Gesundheitswesens grundlegende Umstrukturierungen. Philipp Rösler hat damit angefangen, indem er beispielsweise die großen Pharmakonzerne an die Kandare gelegt hat. Fakt ist aber auch, dass das Gesundheitswesen so stark reformbedürftig ist und es so viele unterschiedliche Interessen gibt, dass es ein sehr langfristiger Prozess ist. Der neue Gesundheitsminister Daniel Bahr wird ihn mit Sicherheit fortsetzen.

Geht die FDP mit der neuen Ausrichtung unter Rösler auf einen sozialliberalen Kurs? Und ist eine solche Öffnung sinnvoll, um sich von der Union als alleinigem Koalitionspartner lösen zu können?

Ich bin für einen Liberalismus, der ohne Zusätze und Adjektive auskommt. Mit Begriffen wie sozialliberal, marktliberal oder nationalliberal kann ich überhaupt nichts anfangen. Wir brauchen unser Programm nicht zu verändern, wir haben die richtigen Inhalte, wie unser Erfolg bei der vergangenen Bundestagswahl gezeigt hat. Die FDP hat nur ein Durchsetzungsproblem. Wir müssen das, was wir in Wahlkämpfen versprochen haben, endlich im Bund durchsetzen. Ich denke, dass wir durch die personelle Neuaufstellung in Partei, Fraktion und Kabinett diese Durchsetzungskraft entwickeln.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat nach Röslers Rede angekündigt, sie würde jetzt sehr genau hinschauen und prüfen, inwieweit die FDP wieder als Koalitionspartner in Frage kommt. Begrüßen Sie die Öffnung hin zur SPD als möglichem Koalitionspartner?

Dazu hat der Parteitag überhaupt keine Aussage getroffen, und auch in der Rede von Philipp Rösler habe ich das nicht gehört. Was ich erkannt habe, ist, dass wir die Koalition in Berlin besser machen wollen und im Wettbewerb mit CDU und CSU unsere Positionen stärker durchsetzen wollen. Wenn etwa in Zeiten der Finanzkrise eine Steuerentlastung von ganz normalen Arbeitnehmern und Selbstständigen nicht möglich gewesen ist, werden nun bei weiter so gut laufender Wirtschaftsentwicklung die Spielräume in diesem oder nächsten Jahr wieder größer. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses Land nur mit einer bürgerlichen Koalition erfolgreich sein kann. Die Gemeinsamkeiten mit der SPD sind höchstens marginal. Das ist eine Partei, die das Gegenteil unserer Werte verkörpert. Das gilt auch für die Grünen. Unser natürlicher Bündnispartner ist die Union. Beide Parteien sollten zusammen schauen, dass sie es besser machen, weil das auch eine Schicksalsfrage ist. Ansonsten wird dieses Land demnächst sozialistisch regiert.

Sie halten also an Steuersenkungen fest. An welcher Stelle wollen Sie konkret die Bürger entlasten?

Im Wesentlichen geht es um die Einkommens-, die Lohnsteuer. Wir wollen, dass diejenigen, die den Wirtschaftsaufschwung erarbeiten, auch davon profitieren. Das Geld darf nicht nur bei Wolfgang Schäuble landen oder zur Rettung anderer Euro-Staaten beitragen. Die Berufstätigen in Deutschland haben einen Anspruch auf ihre Aufschwungrendite. Es ist ja sehr schön, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung so viel für Hartz-IV-Empfänger getan hat. Ihnen geht es heute besser als je zuvor. Wir müssen jetzt aber endlich etwas für die Berufstätigen tun, sie sind das Herz Deutschlands.

Rösler hat Sie als "ein Aushängeschild" der neuen Parteiführung bezeichnet. Für was für eine Politik werden Sie als stellvertretender FDP-Chef stehen?

Für einen Politiker habe ich ja eine etwas ungewöhnliche Biografie, weil ich kein Berufspolitiker bin. Ich bin nach wie vor als selbstständiger Unternehmer und Inhaber einer kleinen Firma in Dresden berufstätig. Da hat man einen anderen Blick, als wenn man nur in Berlin im Glashaus Reichstag sitzt und nur mit seinesgleichen redet. Ich bringe den Blick unserer Basis und der Kommunalpolitik mit, in der ich seit Jahren im Dresdner Stadtrat engagiert bin. Kommunalpolitik zum Thema im Bundesvorstand zu machen, ist mir sehr wichtig. Denn aus den Kommunen zehren wir unsere Kräfte, das ist eine wichtige Wurzel der FDP. Hinzu kommt meine landespolitische Verankerung. In Sachsen haben wir eine sehr erfolgreiche Partei, die vieles anders macht. Wir sind thematisch und personell breiter aufgestellt. Ich sage immer, dass wir in Sachsen in der Platte und in der Villa gleichermaßen gewählt werden - das müssen wir auch im Bund schaffen. Nun will ich herausfinden, ob diese Gedanken auch in Berlin ihren Widerhall finden.

Sie haben es angesprochen, Sie haben ein Dresdner Stadtrats- und ein sächsisches Landtagsmandat, sind Partei- und Fraktionschef in Sachsen und führen eine Werbefirma. Nun sind Sie noch Vizechef der FDP im Bund. Können Sie garantieren, dass bei dieser Belastung keine der verschiedenen Aufgaben leiden wird?

Ich werde sehen, wie sich die Arbeit gestalten wird. Klar ist aber, dass die Landespolitik für mich Priorität hat. Daher kommen auch viele meiner Ideen, die ich mit nach Berlin bringen will. Die Bundesländer sollten auch eine starke Stimme haben. Und man darf nicht vergessen, dass ich meine Aufgaben nicht alleine erledige. Ich konzentriere mich in den Funktionen, die ich habe, auf meine Talente und wofür ich gewählt bin: Gewählt bin in der Partei und Fraktion dafür, dass ich führe, Ideen einbringe und strategisch entscheide. Ich habe ein sehr gutes Team aus Abgeordneten und Mitarbeitern, auch in meinem Unternehmen. Und dann schafft man das. Die Zeit der Einzelkämpfer in der Partei sollte sowieso vorbei sein.

Unterscheidet sich eigentlich der Politikstil ostdeutscher Politiker von dem westdeutscher Kollegen?

Das werde ich jetzt herausfinden. Ich weiß nur, dass sich der Politikstil von dem meiner sächsischen Mitstreiter und mir sehr unterscheidet. Das hängt damit zusammen, dass wir die FDP in Sachsen damals in einer Notsituation übernommen haben und es zuerst nicht unbedingt wollten. Mir hat die Partei damals, nach der 1,1-Prozent-Niederlage bei der Landtagswahl 1999, einen klaren Auftrag, ihr Vertrauen und die Möglichkeit gegeben, mein Wunschteam zusammenzustellen. Ich habe enge Vertraute mit ins Team genommen, die sich schon aus der Jungliberalen Aktion kannten - deshalb sind wir eine gute Mannschaft, die sich vertraut. Der persönliche Ehrgeiz steht bei uns hinter den Interessen der Partei. Das ist ein sehr ehrlicher, sehr authentischer Politikansatz, der auch so wahrgenommen wird, glaube ich. Aber in anderen Bundesländern gibt es sicher Politiker, die das ganz genauso machen.

Sie haben erst in letzter Minute Ihre Bereitschaft erklärt, für den Posten des stellvertretenden FDP-Vorsitzenden zu kandidieren und sie auch damit begründet, dass Sie nun das Gefühl haben, es gehe um die Partei und nicht um persönliche Karrieren. Sollte sich dieser Eindruck ändern, treten Sie dann im Bund wieder zurück?

Ich habe mehrere Bedingungen für meine Kandidatur gestellt: Für mich war vor allem das Votum von Philipp Rösler wichtig, dass er sagte, er will mich, und er will mich so, wie ich bin. Ich bin in den vergangenen Jahren immer durch einen eigenen Kopf aufgefallen. Die sächsische FDP geht einen sehr eigenen Weg, wenn ich beispielsweise an unsere Stimmen für Joachim Gauck bei der Bundespräsidentenwahl denke. Wenn Philipp Rösler einen Ja-Sager in seiner Mannschaft gewollt hätte, hätte er es mit jemand anderem wesentlich einfacher haben können. Ich glaube, dass er eigene Meinung schätzt, dass er die Meinungsvielfalt haben will. Das war maßgeblich für mich. Zudem habe ich den Eindruck, dass dieses neue Team nicht nur eine kosmetische Reparatur, sondern ein echter Neuanfang ist. Es haben ja viele den Weg für einen personellen Neuanfang freigemacht, wie etwa Birgit Homburger, der dafür höchster Respekt gebührt. Und da sich die Partei so breit neu aufstellt, empfinde ich nicht nur Pflichtgefühl, sondern auch große Lust mitzuarbeiten.

Sie haben Frau Homburger angesprochen. Ist die FDP ein Verschiebebahnhof für gescheiterte Politiker?

Birgit Homburger ist nicht gescheitert. Aber Situationen ändern sich, und man benötigt in der jeweiligen Situation die richtigen Leute auf dem richtigen Platz. Verschiedene Menschen bringen eben ganz verschiedene Talente mit, die sie nicht an jeder Stelle zur Entfaltung bringen können. Das ist bei Frau Homburger in der jetzigen Phase wohl der Fall gewesen. Sie ist eine fleißige, akribische Arbeiterin, die sich sehr tief mit den Verästelungen programmatischer und politischer Umsetzung beschäftigt. Als Fraktionschef, der jeden Tag in die öffentliche Schlacht ziehen muss, braucht es vielleicht andere Talente. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass sie jetzt im Präsidium mit dabei ist. Hier kann sie ihre Talente voll einbringen.

Mit Holger Zastrow sprach Till Schwarze

Quelle: ntv.de

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