Politik

Frostiges bei der Datenspeicherung Harte Nuss für FDP

Ein Kompromiss zur Datenspeicherung wird seit Monaten diskutiert, eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht.

Ein Kompromiss zur Datenspeicherung wird seit Monaten diskutiert, eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht.

(Foto: picture alliance / dpa)

Es ist ein bisschen wie die Wahl zwischen Pest und Cholera: CDU und CSU gehen die Pläne von FDP-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger zur Vorratsdatenspeicherung nicht weit genug. Ohne einen Kompromiss aber bleibt alles beim gegenwärtigen Zustand. Und der hinkt noch hinter den Eckpunkten der Ministerin hinterher.

Schon seit Monaten streiten Union und FDP über eine Neuregelung zur Vorratsspeicherung von Handy- und Internetdaten für die Verbrechensbekämpfung. Nun legte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) neue Eckpunkte in der Koalition vor; der Öffentlichkeit sollen sie am Dienstag präsentiert werden. Ein Sprecher des CDU-geführten Innenministeriums bezeichnete die erste Reaktion seines Hauses auf die Pläne Leutheusser-Schnarrenbergers als "verhalten bis kritisch". Innenminister Thomas de Maiziere ist offenbar alles andere als begeistert, ihm gehen die Pläne nicht weit genug.

Verfassungsrichter setzen Hürde

Tausende Bürger, hier in Hamburg, waren 2008 wegen der Speicherung von Daten ohne konkreten Verdacht und auf Vorrat auf die Straße gegangen.

Tausende Bürger, hier in Hamburg, waren 2008 wegen der Speicherung von Daten ohne konkreten Verdacht und auf Vorrat auf die Straße gegangen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Hintergrund ist, dass das Bundesverfassungsgericht im Frühjahr 2010 die bis dahin und seit 2008 geltende deutsche Regelung gekippt hatte. Die Richter gaben einer Sammelklage von rund 35.000 Bürgern recht und kritisierten vor allem, dass sich mit den ohne Verdacht erfassten Handy- und Internetdaten von praktisch jedem Bürger ein Bewegungsprofil erstellen lasse.

Seitdem dürfen Telefon- und Internetdaten nicht mehr anlasslos sechs Monate lang zur Kriminalitätsbekämpfung gespeichert werden. Für eine Neuregelung nannten die Karlsruher Richter einige Voraussetzungen. So mahnten sie hohe Anforderungen an die Datensicherheit an. Auch muss definiert sein, welche Delikte mit der Vorratsdatenspeicherung verfolgt werden sollen.

Schockfrosten und Auftauen von Daten

Auf der Suche nach einer Nachfolgeregelung lehnt Leutheusser-Schnarrenberger eine anlasslose Speicherung aller Daten ab, auch unter strengen Auflagen. Sie will es Polizei und Staatsanwaltschaft ermöglichen, in Ausnahmen das routinemäßige Löschen von Daten bei Telekommunikationsfirmen zu verhindern. Voraussetzung dafür sei, dass es einen "hinreichendem Anlass" gebe - also einen Hinweis auf eine Straftat. Dann könnten die ohnehin gespeicherten Informationen nachträglich eingefroren werden. Ein Richter könnte dann bei diesem "Quick-Freeze" genannten Verfahren entscheiden, ob die Daten entsperrt und verwendet werden. Ansonsten wären sie zu löschen.

Das Innenministerium kritisierte jedoch, dass nur Daten eingefroren werden könnten, die beim Aufkommen eines Verdachts tatsächlich noch gespeichert seien. Wie lange die Informationen jedoch aufbewahrt würden, sei Sache der einzelnen Anbieter. "Es kann ja nicht sein, dass ein Unternehmen A 30 Tage speichert und ein anderes Unternehmen B möglicherweise nur ein oder zwei Tage", bemängelte de Maizieres Sprecher Stefan Paris. Kriminelle würden ihre Verträge dann mit Sicherheit beim Unternehmen B abschließen.

Mit ihren Eckpunkten wird Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger bei ihren Koalitionspartnern wohl anecken.

Mit ihren Eckpunkten wird Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger bei ihren Koalitionspartnern wohl anecken.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Eckpunkte der Bundesjustizministerin blieben deutlich hinter dem zurück, was nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und der EU-Richtlinie zulässig sei, sagte Paris. Damit sei weder eine effektive Bekämpfung der Kriminalität möglich noch würden die bestehenden Schutzlücken geschlossen. Dennoch signalisierte de Maiziere Diskussionsbereitschaft. Der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Hans-Peter Uhl, hingegen kritisierte die Vorlage als unzureichend. Der Vorschlag werde so mit ziemlicher Sicherheit nicht übernommen, sagte der CSU-Politiker dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Quick Freeze" funktioniere nicht. "Man gewinnt auf diese Weise nicht genügend Daten, die man braucht, um einen Sachverhalt aufklären zu können", argumentierte Uhl.

Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) äußerte sich skeptisch zu der Vorlage. "Das wäre eine Vorratsdatenspeicherung light", erklärte DJV-Chef Michael Konken. Das Problem des Informantenschutzes werde damit nicht gelöst.

FDP bleibt unnachgiebig

FDP-Generalsekretär Christian Lindner sprach dagegen von einem außerordentlich guten Kompromissvorschlag. Die Union müsse ihn "als das in der Koalition Erreichbare" akzeptieren und aufhören, seine Partei mit Maximalforderungen unter Druck zu setzen. Die FDP wolle eine zielgerichtete, anlassbezogene Strafverfolgung, die einer richterlichen Prüfung standhalte, sagte Lindner nach einer Präsidiumssitzung. Unbescholtene Bürger dürften nicht unter Generalverdacht gestellt werden.

Leutheusser-Schnarrenberger erwartet nach Angaben ihres Sprechers, dass ihre Vorschläge intensiv diskutiert und geprüft werden. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, er denke, dass sich die Bundesregierung "auf der Basis dieses Eckpunktepapieres jetzt zusammenfindet".

Der innenpolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), äußerte Zweifel daran, dass Deutschland mit dem nun präsentierten Vorschlag die entsprechende EU-Richtlinie europarechtskonform umsetzen würde. In der Richtlinie sei deutlich von "Vorratsdatenspeicherung" die Rede. Die Ministerin wolle aber eine anlassbezogene Speicherung.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) forderte die Koalition auf, nun schnell einen Kompromiss zu suchen. DPolG-Chef Rainer Wendt sagte: "Was Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger plant, ist zwar weit entfernt von notwendiger Sicherheitspolitik. Aber besser ein Minimum an Sicherheit als gar keine."

Quelle: ntv.de, hdr/dpa/rts/AFP

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