Politik

"Es ist ein politisches Projekt" Ist Stuttgart 21 noch zu stoppen?

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Nützt ihr Protest etwas? Zehntausende fordern den Stopp von Stuttgart 21.

(Foto: dpa)

Ist der Protest der Stuttgart-21-Gegner vergebens? Das behaupten Baden-Württembergs Ministerpräsident Mappus und die Bahn. Die Verträge seien geschlossen, ein Ausstieg unmöglich. Falsch, sagen die Grünen, "Stuttgart 21 ist ein politisches Projekt".

Die Ansage der Deutschen Bahn war überaus deutlich. "Mit solchen unrealistischen Szenarien beschäftigen wir uns nicht", erklärte Bahn-Vorstand Volker Kefer Ende September auf die Frage, ob Stuttgart 21 noch scheitern könne. Eine Ausstiegsoption sei nicht mehr gegeben. "Die Verträge sind rechtskräftig und unumkehrbar." Im Fall eines einseitigen Ausstiegs des Landes Baden-Württemberg müsse die Bahn juristische Schritte prüfen, hinzu käme der geschätzte Preis für den Ausstieg: "Sollte Stuttgart 21 jetzt gestoppt werden, kostet das über drei Milliarden Euro", sagte Kefer der "Stuttgarter Zeitung".

Ähnlich bewertet auch die baden-württembergische Landesregierung von Ministerpräsident Stefan Mappus die Lage. Für einen Ausstieg sei es zu spät, die Verträge rechtlich bindend und die Folgekosten viel zu hoch. Daran könne auch eine Volksabstimmung nichts ändern, die aus rechtlichen Gründen allerdings sowieso nicht machbar sei. Ist all die Aufregung also umsonst?

Ausstiegsszenario der Grünen

Natürlich nicht, sagen die Grünen. "Stuttgart 21 ist ein politisches Projekt. Und wenn die Regierung nach einer Abstimmung sagen würde, wir wollen das nicht mehr, weil das Volk als Souverän anders entschieden hat, wäre das machbar", erklärt Werner Wölfle im Gespräch mit n-tv.de. Wölfle ist Fraktionschef der Grünen im Stuttgarter Gemeinderat sowie Verkehrsexperte der Landtagsfraktion. Einen Ausstieg hält er jederzeit für politisch machbar, auch wenn es schade um die bereits gefällten Bäume und den abgerissenen Flügel des Bahnhofs sei.

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Der Stuttgarter Fraktionschef der Grünen, Werner Wölfle, will das Volk befragen - und die Entscheidung dann akzeptieren.

(Foto: dpa)

Wölfles Ausstiegsszenario beginnt mit einer Volksbefragung. Zwar hält er ebenso wie die Landesregierung die von der SPD eingebrachte Volksabstimmung für rechtlich nicht machbar, das lasse die baden-württembergische Verfassung nicht zu. "Deswegen schlagen wir Grünen eine Volksbefragung vor, bei der im Vorfeld alle Parteien erklären, das Ergebnis zu akzeptieren", erklärt Wölfle. Damit hat die Politik das Votum des Volkes und die Grünen würden auch eine Mehrheit für Stuttgart 21 akzeptieren. Die Stadt könne endlich wieder Frieden finden. Sollte allerdings eine Mehrheit für einen Ausstieg aus dem Projekt sein, seien die bestehen Verträge kein Hindernis für ein Ende des Milliardenprojekts.

Die Grünen zielen dabei allein auf den politischen Willen der Beteiligten ab, die Bahn müsse sich dabei unterordnen. "Man darf nicht vergessen, dass die Bahn sich im Besitz des Bundes befindet", sagt Wölfle. Deswegen sei er sich sicher, dass der Bund einen Ausstieg durchsetzen könne. Die Folgekosten müsse man natürlich in Kauf nehmen. "Einige Millionen müssten wir sicher abschreiben", sagt der Grünen-Verkehrsexperte aus Stuttgart. Die Zahlen der Deutschen Bahn bezweifelt er allerdings: "Ich habe dazu schon sarkastisch angemerkt, dass es bald teurer wird, das Projekt nicht zu bauen, als es zu bauen. Diese Zahlen entbehren jeglicher nachvollziehbarer Grundlage."

Streit um die Folgekosten

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Viele der Kritiker fühlen sich von der Politik übergangen.

(Foto: dpa)

Die Bahn kommt auf ihre rund drei Milliarden Euro zum ersten durch Planungskosten von fast 400 Millionen Euro. Hinzu kommen 700 Millionen Euro für das Grundstück im Herzen Stuttgarts, das die Stadt von der Bahn gekauft hat. Laut Verträgen müsste die Bahn den vollen Kaufpreis plus Zinsen zurückzahlen, sollte das Geschäft platzen. Außerdem macht die Bahn bereits erteilte Aufträge von rund 260 Millionen Euro geltend und rechnet die Modernisierungskosten für den alten Stuttgarter Bahnhof hinzu.

Diese Rechnung bezweifeln Kritiker wie Wölfle allerdings. Sie schätzen die Kosten für einen Ausstieg aus Stuttgart 21 auf gerade einmal 500 Millionen Euro. Etwa, weil die Bahn das Geld für den Grundstücksverkauf in Stuttgart schon gewinnbringend habe verzinsen können. Zudem erhalte das Unternehmen das Grundstück wieder zurück, dürfe also in diesem Punkt kaum Verluste machen.

Es zählt der politische Wille

Zudem bezweifeln die Gegner, dass es bei den bislang angesetzten Kosten für Stuttgart 21 bleiben wird. Das ist ein durchaus heikler Punkt, denn in den Verträgen gibt es eine Obergrenze von 4,5 Milliarden Euro. Fallen die geschätzten Baukosten höher aus, kann das Land eine Ausstiegsklausel geltend machen. Die galt laut Bahn allerdings nur bis Ende 2009, zudem setzt das Unternehmen die geschätzte Summe aller Kosten bei knapp 4,1 Milliarden Euro an. Somit würde die Ausstiegsklausel nicht in Kraft treten. Die Stuttgart-21-Gegner weisen allerdings auf andere Kostenschätzungen hin, unter anderem vom Bundesrechnungshof von 2008 oder dem Münchner Büro Vieregg und Rössler, die Kosten von fünf bis sechs Milliarden Euro ansetzen.

Weil sich Gegner und Befürworter seit Jahren mit Zahlen und Gutachten bekriegen, bleibt es letztlich wohl wirklich eine Frage des politischen Willens, ob Stuttgart 21 gestoppt oder weiter gebaut wird. Die politisch Verantwortlichen müssen entscheiden, ob sie die Folgekosten eines Ausstiegs tragen und eventuelle Klagen der Bahn parieren wollen. Die jetzige Landesregierung hat deutlich gemacht, dass sie an den Verträgen festhält. Wenn das Volk nicht also bereits vorher abstimmen darf, dürfte die Landtagswahl Ende März die Frage endgültig entscheiden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sie bereits zu einer Abstimmung über Stuttgart 21 erhoben. Wer auch immer die Mehrheit bekommt, er kann sich spätestens dann auf die Entscheidung und Legitimation des Volkes berufen. Auch wenn das heißt, das Stuttgart 21 bleibt.

Quelle: ntv.de

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