Politik

Die Angst vor dem Flickenteppich Koalition spitzt den Rotstift

Union und FDP müssen den Haushalt sanieren. Bei den nötigen Milliarden-Einsparungen wollen sie ihre Wähler nicht weiter brüskieren - ein Spagat, der die Koalition zerreißen könnte. Die FDP will keine Steuererhöhungen, die CDU meint, man komme nicht drumherum. Gespart werden wird dann bei Sozialausgaben und auf dem Arbeitsmarkt.

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(Foto: picture-alliance/ dpa)

Vor der Sparklausur des Kabinetts sieht sich die Bundesregierung mit Sparvorschlägen, aber auch mit Warnungen von vielen Seiten konfrontiert. Die Arbeitgeberverbände fordern auch ein Augenmerk auf Einsparungen bei den Sozialausgaben, während der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz eine Abschaffung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes von 7 Prozent vorschlägt - so könnten 20 Milliarden Euro eingespart werden.

"Seit 1991 ist das Sozialbudget um ein Prozent mehr gestiegen als das Bruttoinlandsprodukt", sagte das Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Peter Clever, der "Mitteldeutschen Zeitung". "Ohne das hätten wir 1,2 Billionen Euro weniger ausgegeben. Das sind zwei Drittel unserer gesamten Staatsschulden. Wir hoffen, dass die Politik den Menschen diese Wahrheit viel deutlicher erklärt." Es sei möglich zu kürzen, "ohne dass die aktiven Hilfsmaßnahmen darunter leiden". Die BDA erwarte, "dass auf der Ausgabenseite etwas passiert". Ohnehin sei sparen für das, was passieren müsse, das falsche Wort. Es gehe vielmehr darum, weniger Schulden zu machen. "Wir reduzieren das Über-die-Verhältnisse-leben", sagte Clever.

Der Staat hat ein "Ausgabeproblem"

(Foto: dpa)

Der Staat habe "kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem", sagte auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben, der "B.Z. am Sonntag". "Denn der Staat nimmt in den nächsten fünf Jahren im Schnitt 33 Milliarden Euro mehr Steuern ein als in den letzten fünf Jahren." Wansleben forderte von der Bundesregierung ein "intelligentes Sparen ohne Erhöhung von Steuern und Abgaben". Er sprach sich zugleich für einen Anstieg des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre bereits im Jahr 2023 aus.

Flickenteppich als Kompromiss

Vor der zweitägigen Haushaltsklausur des Kabinetts am Sonntag und Montag ist weiter strittig, wo genau Milliarden gespart und Bürger sowie Wirtschaft stärker zur Kasse gebeten werden sollen. Aus Sicht des Finanzministeriums kann die strenge Schuldenbremse allein über jährliche Milliarden-Einsparungen nicht erfüllt werden. Die FDP lehnt Steuererhöhungen aber ab. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass sich Union und FDP am Ende auf einen Mix aus Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen verständigen könnten.

Einsparungen bei Arbeitslosen

Die Bundesregierung erwägt auch Einsparungen bei den Hartz-IV-Leistungen. So soll der Zuschlag entfallen, den Arbeitslose bisher zwei Jahre lang erhalten, wenn sie vom Arbeitslosengeld I in das Arbeitslosengeld II übergehen, berichtet die "Rheinische Post" unter Berufung auf Koalitionskreise. Im ersten Jahr nach dem Übergang beträgt der befristete Hartz-IV-Zuschlag für Alleinstehende bis zu 160 Euro monatlich, im zweiten bis zu 80 Euro. Verheiratete Paare erhalten maximal doppelt so viel.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner regte auch eine kürze Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für ältere Erwerbslose an. "Das bringt niemanden schneller in Arbeit und wird von Arbeitgebern oft als Frührente missbraucht, die 1,5 Milliarden Euro jährlich kostet", sagte er der "Bild"-Zeitung. Auch bei den Eingliederungshilfen für Langzeitarbeitslose soll der Rotstift angesetzt werden.

Die FDP setzt sich zudem für Mietpauschalen für Hartz-IV-Empfänger ein, bisher werden die Mietkosten individuell erstattet, was auch einen großen Bürokratieaufwand bedeutet. Kritiker dieser Pläne befürchten aber, dass Hartz-IV-Empfänger dann nur noch in schlechten Wohngegenden leben könnten und deshalb eine "Ghettoisierung" drohe.

Einheitliche Mehrwertsteuer

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(Foto: dpa)

Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) setzt auf Mehreinnahmen bei der Mehrwertsteuer: "Durch die verminderte Mehrwertsteuer nimmt der Staat rund 20 Milliarden Euro weniger ein. Da können wir relativ einfach einige Milliarden zusätzlicher Einnahmen generieren", sagte er der "Bild am Sonntag".

Auch der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz forderte als eine Maßnahme zur Sanierung des Haushalts eine umfassende Mehrwertsteuerreform. Der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung schlug eine komplette Streichung des verminderten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent vor. Als Ausgleich für einen einheitlichen Satz - derzeit liegt der Normalsatz bei 19 Prozent - könne man unteren Einkommen einen Ausgleichsbetrag gewähren.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hatte zudem eine Erhöhung der Tabaksteuer in Aussicht gestellt. "Wir reden in erster Linie übers Sparen, darauf müssen wir unser Augenmerk richten", sagte Gröhe der Presse. "Dennoch werden wir auch manche Einnahmeverbesserung in Erwägung ziehen müssen, zum Beispiel bei der Tabaksteuer."

Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, warnte, die Staatsverschuldung mit einer Erhöhung von Steuern und Abgaben verringern zu wollen. Der Rotstift müsse überall angesetzt werden, wenn auch mit unterschiedlicher Priorität, um neue Nachfrageschocks zu vermeiden. Auch in der Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik seien Effizienzsteigerungen möglich, ohne dass an der Bildung selbst und der Unterstützung von Arbeitslosen gespart werden müsste. Auch die Wirtschaft werde sich sinnvollen Einsparungen nicht verweigern.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa

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